Papst in Myanmar – Tag 3

Wenn Buddha für den Papst zum Wegweiser wird, dann geht es wohl um den interreligiösen Dialog. Am Nachmittag traf Franziskus die obersten Vertreter des Buddhismus im Land. Zweiter Schwerpunkt am dritten Tag in Myanmar war die Ermutigung der Katholiken, die in schwierigen Umständen ihren Glauben leben. Selbst gegenüber den Bischöfen war Franziskus heut weitaus weniger mahnend als sonst bei diesen Treffen und zeigte sich als Hirte, der seine Brüder stärken will. Wie schon in den letzten Tagen zogen sich die Gedanken der „Einheit in Verschiedenheit“, des konstruktiven Beitrags der Katholiken für die Gesellschaft sowie der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit durch die Begegnungen des Tages.

Religionen müssen sich für den Frieden einsetzen. (Quelle: Erbacher)

Auf Gewalt nicht mit Rache reagieren

„Ich bin als Pilger hierhergekommen, um Euch zuzuhören und von Euch zu lernen und um einige Worte der Hoffnung und des Trostes auszusprechen“, erklärte Franziskus am Morgen beim Gottesdienst in Rangun. Viele Menschen im Land „tragen sichtbare und unsichtbare Wunden der Gewalt mit sich.“ Darauf mit Rache zu antworten, würde menschlicher Vernunft entsprechen. „Der Weg Jesu ist radikal anders“, rief er den mehreren tausend Gläubigen zu. Er habe auf „Hass und Ablehnung“ mit „Vergebung und Mitleid“ geantwortet. Ähnlich hatte Franziskus bei seiner letzten Reise nach Kolumbien argumentiert, wo er auch auf eine Bevölkerung getroffen war, die von jahrzehntelangen brutalen Konflikten tief gezeichnet ist.

Einmal mehr wird deutlich, dass die christliche Antwort keine einfache ist, denn sie bedeutet, die Spirale von Hass, Gewalt und Unterdrückung zu durchbrechen. Dazu ermutigte Franziskus auch in Myanmar. Die Antwort auf Gewalt und Unrechtserfahrung sei der „heilende Balsam der göttlichen Barmherzigkeit“, den es in der kirchlichen Praxis zu leben gelte. Ein kritischer Unterton kam dann doch in die Predigt, als Franziskus betonte, dass die Verkündigung „auf immer einladende und respektvolle Weise“ geschehen müsse, „ohne Druck oder Zwang“. 150.000 Menschen waren nach offiziellen Angaben zum Gottesdienst gekommen, darunter Katholiken aus China und Vietnam.

Heilung, Begleitung und Prophetie waren die Stichworte, die Franziskus den Bischöfen als Orientierungshilfen für das Leben der katholischen Kirche im Land mit auf den Weg gab. Er ermutigte sie, auf dem Weg der Versöhnung und der Heilung voranzugehen, um die „tiefverwurzelten Spannungen“ im Land zu überwinden und mitzuhelfen, „die nationale Einheit aufzubauen“. Dabei betonte Franziskus einmal mehr, dass es um eine „Einheit in Verschiedenheit“ geht. Zum Stichwort Begleitung vielleicht der einzig mahnende Impulse. Die Bischöfe sollten die Nähe zu den Priestern und Gemeinden suchen „durch pastorale Besuche in den Pfarreien und Gemeinschaften“. Außerdem gehe es darum, eine „weise Inkulturation der Botschaft des Evangeliums im Alltag“ zu suchen. Schließlich würdigte Franziskus unter dem Stichwort „Prophetie“ den Einsatz der Kirche im Bildungs- und Sozialbereich sowie bei der „Verteidigung der Menschenrechte“ und der „Unterstützung der demokratischen Prinzipien“.

Religionen für den Frieden

Interessant war das Treffen mit dem Rat der buddhistischen Mönche am Nachmittag am Sitz des Rats in Rangun. Dabei forderte Franziskus zu einer engeren Zusammenarbeit der Religionen im „Einsatz für den Frieden, für die Achtung der Menschenwürde und für Gerechtigkeit für jeden Mann und jede Frau“ auf. Auch bei dieser Gelegenheit versuchte der Pontifex eine Brücke zu schlagen zwischen dem asiatischen Denken und der christlichen Tradition, als er von der „großen Herausforderung unserer Zeit“ sprach. Es gehe darum, den Menschen zu helfen, sich der Transzendenz zu öffnen. Es gehe darum, „fähig zu werden, tief in das eigene Innere zu schauen und sich selbst so zu erkennen, um dann die gegenseitige Verbundenheit unter allen Menschen zu entdecken; sich bewusst zu werden, dass wir uns nicht von den anderen isolieren dürfen“. Er zog eine Parallele von Buddha zum heiligen Franz von Assisi, als er feststellte: „Die Worte des Buddha sind für jeden von uns ein Wegweiser: ‚Besiege die Wut mit der Nicht-Wut, besiege den Bösen mit der Güte, besiege den Geizigen mit der Großzügigkeit, besiege den Lügner mit der Wahrheit‘ (Dhammapada, XVII, 223).“ Das sei eine „ähnliche Gesinnung“, wie es das Gebet ausdrücke, das dem heiligen Franz zugeschrieben werde: „Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens. Dass ich liebe, wo man hasst; dass ich verzeihe, wo man beleidigt … dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert; dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.“

Interessant waren die Worte des Präsidenten des Rats der Mönche, Bhaddanta Kumarabhivamsa, der jegliche Form des religiösen Terrorismus und Extremismus verurteilte. Dabei handle es sich um „böse Interpretationen der Lehren“, angestachelt von den „vier Behinderungen des rechten Denkens“: den eigenen Wünschen, Instinkten, Ängsten und Enttäuschungen. 87 Prozent der Einwohner Myanmars sind Buddhisten. Es gibt 500.000 Mönche und rund 60.000 Nonnen. Bleibt zu hoffen, dass die Botschaft des obersten Mönchs bei allen ankommt. Der betonte auch, dass alle religiösen Traditionen „gleich wert“ seien. Die Religionsführer müssten zum Aufbau einer harmonischen Gesellschaft beitragen und Brücken für den Frieden in der Welt bauen. Allerdings sollten sie vermeiden, sich in die Angelegenheiten anderer Religionen einzumischen.

Papst: Besondere Sorge für Jugend

Franziskus ist in Myanmar als eben solcher Brückenbauer unterwegs. In seinem Schlusssatz beim Treffen mit den buddhistischen Mönchen ist das Ziel seiner Mission zusammengefasst: „Im Namen meiner katholischen Brüder und Schwestern bekunde ich Ihnen unsere Bereitschaft, gemeinsam mit Ihnen weiterzuschreiten und Samen des Friedens und der Heilung, des Mitgefühls und der Hoffnung in diesem Land auszusäen.“ Dasselbe gilt auch für den Bereich der Politik. Die Botschaft des Papstes lautet: Wir sind bereit am Aufbau einer gerechten und friedlichen Gesellschaft mitzuarbeiten. Dazu müssen die Menschenrechte für alle(!) gewährleistet werden, es braucht Gerechtigkeit und die Bekämpfung der Armut.

Ein besonderes Augenmerk richtet Franziskus dabei auf die Jugend. Sie legte er den Entscheidern in Politik und Kirche in den beiden Reden jeweils ans Herz. Die Jugendlichen seien „eine Investition, die allein dann reichen Ertrag bringen wird, wenn es echte Arbeitsmöglichkeiten und eine qualitätsvolle Ausbildung gibt“, erklärte er beim Treffen mit den Vertretern aus Politik und Gesellschaft gestern. Die Zukunft Myanmars hänge von der „Bildung seiner jungen Menschen“ ab und zwar nicht nur um technischen Bereich, sondern auch „in Bezug auf ethische Werte wie Ehrlichkeit, Integrität und menschlicher Solidarität“. Die „Bildung [der Jugend] in den gesunden Grundsätzen in der Moral“, mahnte der Papst heute auch bei den Bischöfen an. Das Durchschnittsalter in Myanmar liegt bei 27 Jahren; quasi die Hälfte der Bevölkerung ist unter 30 Jahre alt. Es ist daher sicher kein Zufall, dass Franziskus morgen als letzten Programmpunkt in Myanmar die Jugend des Landes trifft.

Inkulturation ist wichtig

Der Papst sucht Anknüpfungspunkte an die asiatische Kultur. Wenn er immer wieder von der „Weisheit“ spricht, gleich 17 Mal kam der Begriff heute Morgen in der Predigt vor, wenn er davon spricht, „tief in das eigene Innere zu schauen und sich so selbst zu erkennen“, sind das Brücken, die er zu schlagen versucht. Inkulturation ist für Franziskus ein Schlüssel für die Zukunft der Kirche. In diesen Tagen versucht er das in Ansätzen durchzubuchstabieren. In den Texten scheint das bereits gut zu funktionieren. Bei der Liturgie heute Morgen waren nicht viele lokale Elemente zu entdecken. Den Pilgern wurden Liedhefte verteilt, die letztlich nur eine Kopie des Messbuchs des Papstes waren, mit italienischen Rubriken, also Anweisungen, und englischem Text, vom lateinischen Hochgebet abgesehen. Für die Menschen war der Gottesdienst trotzdem ein großes Erlebnis, für sie zählt, dass der Papst 10 Stunden Flug auf sich genommen hat, um eine kleine, geprüfte Herde zu besuchen. Das erfüllt sie mit Stolz.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.