Franziskus umgarnt China

Papst Franziskus sieht in China ein eine Kultur großer Weisheit und Geschichte. In einem Interview mit der in Hongkong erscheinenden AsiaTimes erklärte das katholische Kirchenoberhaupt jetzt, „China war für mich immer ein Referenzpunkt von Größe, ein großartiges Land“. Vom Jesuiten und Chinamissionar Matteo Ricci (1552-1610) könne man lernen, so Franziskus, „dass es notwendig ist, in einen Dialog mit China einzutreten, weil es eine Ansammlung von Weisheit und Geschichte ist“. Den Westen fordert der Papst auf, keine Angst vor dem wirtschaftlichen Wachstum Chinas zu haben. Zugleich unterstreicht er, die katholische Kirche respektiere jede Zivilisation. Das Interview, das aus Anlass des bevorstehenden chinesischen Neujahrsfestes geführt wurde, reiht sich ein in eine Charmeoffensive, die der Vatikan in den letzten Wochen gegenüber China gestartet hat. Anfang des Jahres wurde im Vatikan das Buch eines chinesischen Theologen über die katholische Kirche in China vorgestellt. Wenige Tage später sprach der Erzbischof von Hongkong, Kardinal Jong Tong Hon, dass es „keinerlei Unvereinbarkeit gebe zwischen der Natur der katholischen Kirche und dem Fakt, dass in China die Kirche vollständig chinesisch sein müsse“.

Am Abend hat Papst Franziskus mit einem Gottesdienst im Petersdom das Jahr der Orden beendet. Er rief sie auf, Freude und das Leid, die Hoffnungen und Ängste ihrer Mitmenschen teilen und stets nahe bei den Armen und Leidenden sein.  Bereits gestern gab es eine Audienz für Ordensleute im Vatikan. (Quelle: dpa)

Am Abend hat Papst Franziskus mit einem Gottesdienst im Petersdom das Jahr der Orden beendet. Er rief die Ordensleute auf, die Freude und das Leid, die Hoffnungen und die Ängste ihrer Mitmenschen zu teilen und stets nahe bei den Armen und Leidenden zu sein. Bereits gestern gab es eine Audienz für Ordensleute im Vatikan, bei der Franziskus begeistert gefeiert wurde. (Quelle: dpa)

Franziskus will nach Peking

Kardinal Tong unterstützt den Versöhnungskurs, den der Vatikan bereits seit dem Jahr 2007 eingeschlagen hat. Damals hatte Papst Benedikt XVI. an die Katholiken in China einen Brief geschrieben und versucht, mit den Machthabern in Peking in einen neuen Dialog zu kommen. Das Unterfangen lief sehr zäh an. In den vergangenen Jahren scheint aber Bewegung in die Beziehungen gekommen zu sein. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass Kardinal Joseph Zen Ze-kiun , der von 2002 bis 2009 Erzbischof von Hongkong war und zu den prominentesten Kritikern der chinesischen Regierung und ihrer Religionspolitik zählt, seit einiger Zeit weniger in der Öffentlichkeit präsent ist.

Papst Franziskus hat mehrfach deutlich gemacht, dass er jederzeit sofort zu einer Reise nach Peking bereit wäre. Dabei unterstrich er jeweils seine hohe Wertschätzung gegenüber China. Kein kritisches Wort gegenüber den Machthabern in China kam ihm bisher über die Lippen. Das ist auch im aktuellen Interview so. Versteckt gibt es vorsichtige Kritik an Chinas langjähriger Einkindpolitik sowie die Aufforderung, die menschlichen und ökologischen Katastrophen angesichts der Industrialisierung realistisch wahrzunehmen.

Papst will Dialog

Eines der zentralen Worte des Interviews ist „Dialog“. Angst sei dabei niemals ein guter Ratgeber, so Franziskus. Der Mensch sei auf Kommunikation ausgerichtet, ist er überzeugt und gibt zu bedenken: „Es ist klar, wenn Kommunikation in einer aggressiven Weise passiert, um sich selbst zu verteidigen, sind das Ergebnis Kriege.“ Vielleicht steckt in dieser Passage indirekt auch eine Kritik am bisherigen Verhalten Chinas. Frieden sei nur möglich, zeigt sich Franziskus überzeugt, wenn West und Ost sowie China in einen Dialog treten. Dialog bedeute allerdings nicht, „den Kuchen aufzuteilen“ wie bei der Konferenz von Jalta 1945. Dialog sei weder mit Selbstaufgabe zu verwechseln, noch dürfe er eine „versteckte Agenda“ zu einer kulturellen Kolonisation des anderen beinhalten.

Franziskus, der Papst des Dialogs und der Begegnung, scheint überzeugt, ist der Gesprächsfaden erst einmal auf eine solide Basis gestellt, kann man auch über heikle Themen sprechen. Das wird sicher auch Kritiker auf den Plan rufen, die wegen Chinas Umgang mit den Menschenrechten und der mangelnden Religionsfreiheit klare Worte wünschen und befürchten, dass durch die leisen Töne sich die Machthaber in China in ihrer Position bestätigt fühlen könnten. In dieser Logik denkt Franziskus nicht. Er will alte Verkrustungen aufbrechen; macht zugleich aber auch deutlich, dass es nicht um faule Kompromisse geht. Dialog bedeute nicht, dass man in allen Dingen einer Meinung sein müsse, so Franziskus. Wichtig aber sei, dass man einen gemeinsamen Weg gehe. Hier kommt ein weiteres Kennzeichen des Pontifikats zum Tragen: Für Franziskus ist bereits der Weg ein wichtiges Ziel. Auch wenn er vielleicht selbst noch nicht absehen kann, wohin die Reise führt. Aber aus Angst vor dem ungewissen Ausgang, gar nicht erst loszulaufen, ist nicht sein Ding.

Kontinuierliche Kontakte

Der Vatikan bestätigte heute noch einmal, dass es einen regelmäßigen Dialog zwischen der Regierung in Peking und dem Vatikan gibt. Erst vor wenigen Tagen hatte es ein Treffen gegeben. Davor war eine vatikanische Delegation im Oktober in Peking gewesen. Zuletzt gab es sogar Spekulationen, China und der Heilige Stuhl könnten noch in diesem Jahr wieder offizielle Botschafter austauschen. Die Diplomatischen Beziehungen waren 1951 abgebrochen worden. Einer der schwierigsten Punkte bei den Verhandlungen ist die Frage nach den Bischofsernennungen. Der Vatikan besteht auf einer freien Ernennung; Peking will ebenfalls das letzte Wort haben. Eine Lösung könnte sein, dass der Papst künftig aus einer Liste auswählt, die vorab mit der Regierung in Peking abgestimmt wurde. Ob es allerdings noch in diesem Jahr für eine Reise des Papstes ins Reich der Mitte reichen könnte, ist noch ungewiss. Da Franziskus ja auf gepackten Koffern sitzt und für Überraschungen gut ist, ist nichts ausgeschlossen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

9 Kommentare

  • Hermann-Josef Hake
    02.02.2016, 16:44 Uhr.

    Als ob Papst Franzikus es nötig hätte, China zu umgarnen,Herr Erbacher.

  • Alberto Knox
    02.02.2016, 21:14 Uhr.

    das ist in summa eine sehr erfreuliche nachricht!

    „Franziskus, der Papst des Dialogs und der Begegnung, scheint überzeugt, ist der Gesprächsfaden erst einmal auf eine solide Basis gestellt, kann man auch über heikle Themen sprechen.“

    franz hat verstanden, dass china eine hochkultur ist. natürlich kann einem der umgang mit den menschenrechten in dieser diktatur nie und nimmer gefallen. aber nur durch beharrlichen diskurs wird es besser.

    „Das wird sicher auch Kritiker auf den Plan rufen, die wegen Chinas Umgang mit den Menschenrechten und der mangelnden Religionsfreiheit klare Worte wünschen und befürchten, dass durch die leisen Töne sich die Machthaber in China in ihrer Position bestätigt fühlen könnten.“

    ja, sicher erbsenzähler, allesbesseralsderpapstwisser und haarinsuppefinder haben in der regel auch keine verantwortung.

    „In dieser Logik denkt Franziskus nicht.“

    gottseidank.

    „Er will alte Verkrustungen aufbrechen; macht zugleich aber auch deutlich, dass es nicht um faule Kompromisse geht. Dialog bedeute nicht, dass man in allen Dingen einer Meinung sein müsse, so Franziskus. Wichtig aber sei, dass man einen gemeinsamen Weg gehe. Hier kommt ein weiteres Kennzeichen des Pontifikats zum Tragen: Für Franziskus ist bereits der Weg ein wichtiges Ziel.“

    „weg“ ist eben eine der ältesten christlichen metaphern, wie einer der bedeutendsten altkirchenhistoriker, norbert brox, wunderbar herausgearbeitet hat. und „weg“ ist auch die ur-selbstbezeichnung des christentums. da ist franz ganz bei jesus.

  • Silberdistel
    03.02.2016, 9:11 Uhr.

    Chinas „mangelnde Religionsfreiheit“… Mit der Floskel hat man sich soweit verbogen ´TIBET´ erst gar nicht ansprechen zu müssen.
    Franziskus sollte sich mal überlegen was es bedeuten würde wenn 1950 Italien militärisch in den Vatikanstaat einmaschiert wäre, den Petersdom geschleift, den Klerus gefangen genommen, in Umerziehungslager gesteckt, gefoltert und getötet hätte; anschließend atheistische Italiener in großem Umfang angesiedelt hätte, vatikanische Boden- und Naturschätze ausgeraubt worden wären und bis heute bestimmen wollte wer Papst wird. – Der Vatikan kann, muss Diplomatie mit allen und jedem betreiben, aber man muß sich nicht selbst und andere verleugnen.

    • Alberto Knox
      07.02.2016, 3:11 Uhr.

      „Der Vatikan kann, muss Diplomatie mit allen und jedem betreiben, aber man muß sich nicht selbst und andere verleugnen.“

      ich sähe nicht, wo der vatikan das täte.

      • Silberdistel
        07.02.2016, 18:47 Uhr.

        Alberto Knox, 3:08 h
        Ja, hinterherlaufen hält eben auch fit, Alberto Knox.

  • JasJu
    04.02.2016, 16:54 Uhr.

    Tausende Verschleppte und Tote, eine Kirche im Untergrund, Katholiken, die um Hilfe schreien – und diesem Papst fällt nichts besseres ein als Bauchpinselei der verbrecherischen chinesischen Kommunisten. Dieser Mann ist eine einzige Enttäuschung.Ein gefallsüchtiger Politiker. Ich kann nicht erkennen, was der Heilige Geist hier vorhat, aber am Ende wird sicher Christus triumphieren. Trotz Franziskus.

    • bernardo
      05.02.2016, 17:11 Uhr.

      Das wichtigste Ziel ist die Verbesserung der Bedingungen für chinesischen Katholiken. Wenn sich das über Dialog erreichen lässt, sollte man den Dialog führen. Es bedeutet nicht, den diktatorischen Charakter des Regimes zu unterschätzen. Achille Ratti (Papst Pius XI.) sagte im Hinblick auf den Faschismus und Nationalsozialismus einmal, wenn es ihm gelänge, nur eine einzige Seele zu retten, würde er sogar mit dem Teufel verhandeln.

  • bernardo
    04.02.2016, 20:07 Uhr.

    Zitat: „franz hat verstanden, dass china eine hochkultur ist. natürlich kann einem der umgang mit den menschenrechten in dieser diktatur nie und nimmer gefallen. aber nur durch beharrlichen diskurs wird es besser.

    „Das wird sicher auch Kritiker auf den Plan rufen, die wegen Chinas Umgang mit den Menschenrechten und der mangelnden Religionsfreiheit klare Worte wünschen und befürchten, dass durch die leisen Töne sich die Machthaber in China in ihrer Position bestätigt fühlen könnten.“

    ja, sicher erbsenzähler, allesbesseralsderpapstwisser und haarinsuppefinder haben in der regel auch keine verantwortung.“

    Wow, wir sind mal einer Meinung. 🙂

    • Alberto Knox
      07.02.2016, 3:08 Uhr.

      ich würde eher sagen, sie sind meiner meinung.

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