Ruhetag und Strandparty

Während Papst Franziskus am Tag nach seiner Ankunft in Brasilien einen Ruhetag einlegte, haben die Jugendlichen mit einem Gottesdienst am berühmten Strand der Copacabana den Weltjugendtag offiziell eröffnet. Das Wetter war leider nicht so toll: Zum Auftakt waren es am Dienstagmittag gerade einmal 21 Grad, dazu immer wieder Nieselregen und manchmal sogar kurze Schauer. Am Abend sank die Temperatur gar auf 15 Grad. So hatten sich sicher die wenigsten Jugendlichen den Weltjugendtag am Zuckerhut vorgestellt; aber es ist eben Winter „am anderen Ende der Welt“. Die Feierlaune konnte das Wetter den knapp 600.000 Jugendlichen allerdings dann doch nicht vermiesen. Der Gottesdienst am Abend, mit  war stimmungsvoll. Als die Nationalfahnen der offiziell mehr als 130 Nationen auf die große Altarbühne getragen wurden, erinnerte das ein wenig an die Olympischen Spiele; und die finden ja bekanntlich in drei Jahren in Rio statt.

Ein erster Blick auf die Altarinsel auf dem Campus Fidei.

Bis dahin sei der Weltjugendtag das größte Ereignis in der Geschichte Brasiliens. Das erzählte heute Morgen der Chefbauleiter, Duda Magalhaes, auf dem Campus Fidei den Journalisten aus dem Papstflieger. Am Ruhetag von Franziskus hatten diese Gelegenheit, die Orte zu besichtigen, die Franziskus während des Weltjugendtages besuchen wird. Auf dem Feld, auf dem am Wochenende die Vigil und die Abschlussmesse stattfinden werden, wird mit Hochdruck gearbeitet. Erst seit 18. Februar wird dort gebaut; denn das ursprünglich vorgesehene Gelände auf einem Militärstützpunkt wurde im November 2012 plötzlich abgesagt. So musste das Projekt in Rekordzeit geplant und umgesetzt werden. Insgesamt hätten sich sicher 10.000 Menschen beteiligt, um die 136 Hektar große Fläche für die Veranstaltungen am Wochenende vorzubereiten, so  Magalhaes; er rechnet mit 900.000 Teilnehmer, die von Samstag auf Sonntag dort übernachten sowie rund 1,5 Millionen Teilnehmer für den Abschlussgottesdienst. Für die Sicherheit der Pilger sei das Militär zuständig; für Notfallszenarien habe mein eigens eine britische Firma engagiert, die bereits bei den Olympischen Spielen in London für „Back-up-Szenarien“ verantwortlich gewesen sei.

Bis zu 15 Kilometer müssen die Jugendlichen am Samstag laufen, um auf das Feld zu kommen. Mit dem Bus heute dauerte es von der Copacabana eine Stunde. Dabei war interessant zu sehen, dass in den Außenbezirken der Stadt die Shoppingmalls und Bürokomplexe wie Pilze aus dem Boden schießen; Zeichen für das aufstrebende Schwellenland Brasilien. Zugleich scheint es aber auch eine ganze Reihe von Bauruinen zu geben – und die Favelas, die überall in der Stadt nicht zu übersehen sind. Oft ziehen sie sich an den Hügeln der Stadt empor; säumen die Ausfallstraßen. Sie liegt hier sehr eng beieinander, diese Kluft zwischen Arm und Reich; die Gegensätze vom Nobelviertel mit englischem Rasen und kaputten Häusern und lehmigen Straßen.

Hier wird Papst Franziskus am Donnerstag durch die Favela gehen.

Papst Franziskus wird am Donnerstagmorgen die Favela Varghinha besuchen. Es ist ein kleines Armenviertel, in dem rund 400 Familien leben. Sie gehört zu den „befriedeten“ Favelas. Vor einem Jahr wurden mit einem massiven Polizeieinsatz Waffen und Drogen aus dem Viertel getrieben. Seitdem sei das Leben hier sicher, erzählt Pater Márcio Sérgio Queiróz. Er lebt seit fünf Jahren in der Favela. Seine Angst habe er lange vor der Befriedung verloren; allerdings sei er sich der Gefahr immer bewusst gewesen. Wie heute Früchte an den Verkaufsständen angeboten werden, seien es früher Drogen und Waffen gewesen. Pater Márcio fühlt sich durch Papst Franziskus in seiner Arbeit bestärkt. Hier seien die Ränder der Gesellschaft. Sicher fühlt sich jetzt auch Auriliene (45) mit ihrem 5-Jährigen Sohn. Über die Zeit vor der Befriedung und die Gewalt damals möchte sie nicht reden. Seit 18 Jahren lebt sie hier. Dass Papst Franziskus komme, sei aber für das Viertel ein großer Segen; denn die Infrastruktur habe sich in den letzten Tagen gebessert und alles sei viel sauberer als sonst, ein kleines Wunder, so Auriliene.

Um Drogen geht es auch in der Klinik, die Papst Franziskus am Mittwochabend nach seiner Rückkehr aus dem Marienwallfahrtsort Aparecida besuchen wird. Der jüngste Patient dort, erklärt der Leiter Pater Francisco Belotti, ist acht Jahre alt. Der Junge war als Drogenkurier tätig. Seine Eltern sind auch in der Klinik. Für Pater Francisco sind die Drogen Ursache vieler Übel. Sie führten zu mehr Gewalt, mehr Abtreibungen, zeigten die ganze Fragilität des menschlichen Lebens.

"Franziskus, Du bist Petrus" wird mit einer Messingplatte auf den Boden der Kapelle der Klinik "geschrieben".

Papst Franziskus hat sich die Eröffnungsmesse im Fernsehen angesehen. Den Tag hat er komplett in seiner Unterkunft verbracht, einem Studienzentrum des Erzbistums Rio de Janeiro, das in einem kleinen Park liegt. Dort hat er am Morgen eine Messe im privaten Kreis gefeiert und den Tag über Gespräche mit verschiedenen Kardinälen und Bischöfen geführt.

P.S. Verantwortliche des Vatikans und Brasiliens haben sich über logistische und Sicherheitsfragen unterhalten, um nach den chaosartigen Erfahrungen von gestern die nächsten Tage zu planen. Von Vatikanseite nahmen der Nuntius, der Sicherheitschef und der Reisemarschall teil. Entsprechend war auch auf brasilianischer Seite ein Vertreter des Präsidentenbüros und der Sicherheitskräfte dabei. Es wurden auch Programmänderungen beschlossen. Morgen fliegt der Papst wegen des schlechten Wetters mit dem Flugzeug nach Aparecida und nicht mit dem Hubschrauber. Außerdem entfällt morgen Nachmittag eine Fahrt mit dem Papamobil in Rio, lt. Vatikansprecher Lombardi aus Gründen der „Vereinfachung“. Und am Donnerstag wird der Papst zusätzlich die 16.000 argentinischen Jugendlichen in der Kathedrale von Rio.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.