Der Papst als Politiker

Haben sich heute mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Papst Franziskus die beiden mächtigsten Männer der Welt im Vatikan getroffen? Wenn man nach den Truppenstärken geht, sicherlich nicht. Gut, im Namen der UNO sind weltweit Blauhelme im Einsatz. Ein Papst kann stets nur seine moralische Autorität als Oberhaupt von weltweit 1,2 Milliarden Katholiken in die Waagschale werfen. In der Vergangenheit wurde immer wieder deutlich, dass der Papst auch über die katholische Kirche hinaus Ansehen genießt. Vor allem Johannes Paul II. hatte damit die katholische Kirche zu einem wichtigen Player auf der politischen Weltbühne gemacht. Unter Benedikt XVI. wurde diese Dimension etwas zurückgefahren; zumindest waren Papst und Heiliger Stuhl medial nicht mehr so auf der politischen Bühne präsent. Auf der Arbeitsebene ging alles weiter wie zuvor. Wenn es um Fragen der Religionsfreiheit, von Gerechtigkeit und Frieden ging, erhob aber auch Benedikt XVI. seine Stimme.

Doch vom neuen Papst, der als „Kardinal der Armen“ nach seiner Wahl bekannt wurde, erwarten viele wieder ein politischeres Pontifikat. Das dürfte bei den sozialethischen Themen auch sicher so sein. Als Erzbischof von Buenos Aires hat Bergoglio kein Blatt vor den Mund genommen, wenn es um Kritik am „Finanzterrorismus“ oder der „Tyrannei des Marktes“ ging. Sein konkreter Einsatz für die, die in der modernen globalisierten Welt am Rande stehen, war schon allein durch seine Anwesenheit in den Elendsvierteln eine Provokation der bestehenden Verhältnisse. Vielleicht wird Franziskus als Papst gar nicht so viele Worte verlieren, allein seine Präsenz in Flüchtlingscamps und an sozialen Brennpunkten wird sprechen.

Der Vatikan ist traditionell daran interessiert, dass die UNO als internationale Institution gestärkt wird. Umgekehrt hofft man bei der UNO und seinen entsprechenden Unterorganisationen wie der FAO, der Welternährungsorganisation der UN mit Sitz in Rom, im neuen Papst einen Verbündeten zu finden im Einsatz für mehr Gerechtigkeit und Frieden.

Papst Benedikt XVI. bei der UNO (reuters)

Daher war das Treffen von Ban Ki Moon und Franziskus heute im Vatikan für beide Seiten wichtig, um von Anfang an ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen. Der UNO-Generalsekretär lud den Papst zur UNO nach New York ein. Zuletzt hatte mit Benedikt XVI. im April 2008 ein Papst vor dem Völkerparlament gesprochen. Bis zur Rede Franziskus’ wird es wohl noch eine Weile dauern. Einladungen an den neuen Papst gibt es in diesen Tagen viele – aus der ganzen Welt. Franziskus wird aber auch im Vatikan gebraucht, wo er an der Kurie noch einige Aufgaben zu erledigen hat.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.