Pausen, Pausen, Pausen

Das ist es, was die Kardinäle sich derzeit in Rom am meisten wünschen. Denn in den Pausen finden die entscheidenden Gespräche des Vorkonklave statt. Die Purpurträger scheinen auch nach wie vor keine Eile zu haben, den Konklavetermin festzusetzen. Viele handeln nach der Devise: Das Konklave ist der Ort der Entscheidung; die Zeit der Diskussion ist davor. D.h. lieber die Zeit der Generalkongregationen verlängern und dafür erwarten sie dann ein kurzes Konklave. Das hat natürlich viele Vorteile für die „Senatoren“ der Kirche. Im Vorkonklave können sie sich viel freier bewegen; haben Zugriff auf Informationen, können über Personen und Sachen recherchieren bzw. recherchieren lassen. Denn viele Kardinäle sind mit ihren Sekretären angereist. Im Konklave später sind sie eingeengt und „weggesperrt“; dann sind sie auf sich allein gestellt und müssen sich auf ihren Instinkt verlassen. Dann gibt es nur noch das persönliche Gespräch untereinander.

Auf dem Weg zur Versammlung

Dazu kommt, dass im Vorkonklave auch die über 80-Jährigen mit dabei sind. Die brächten einen großen Erfahrungsschatz mit, erklärte heute US-Kardinal Daniel DiNardo. Darauf wolle er nicht verzichten. Zudem sind die drei Kardinäle, die im Auftrag Benedikts XVI. den Vatileaks-Skandal untersucht haben, alle über 80 Jahre. Wer von ihnen etwas wissen möchte, kann das nur im Vorkonklave erfahren. Umgekehrt haben natürlich auch die „Senioren“ im Kollegium ein Interesse daran, mitzureden. Und das geht eben auch nur vor dem Einzug in die Sixtinische Kapelle. Entsprechend ließ Kardinal Josef Tomko heute durchblicken, dass man es nicht so eilig habe mit einem Konklavetermin.

Außerdem fehlten heute noch immer fünf Papstwähler. Zwar waren bei der 3. Generalkongregation 148 Kardinäle anwesend. Aber die Kardinäle Naguib (Ägypten), Nycz (Polen), Pham Minh Man (Vietnam), Tong Hon (Hongkong) und Lehmann (Deutschland) sind noch nicht in Rom. Der Mainzer Bischof reist heute Mittag an und wird ab morgen an den Sitzungen teilnehmen. Unklar war heute plötzlich wieder, ob auf alle Papstwähler gewartet werden muss, bis ein Datum für das Konklave festgelegt werden kann. Diese Unsicherheit verwundert doch; denn schließlich hatte Benedikt XVI. erst vor gut einer Woche Änderungen an der Wahlordnung vorgenommen. Warum das nicht so gemacht wurde, dass endlich Klarheit besteht, ist unverständlich.

In den Versammlungen haben bisher 33 Kardinäle das Wort ergriffen. Die Themenpalette reichte von der Neuevangelisierung, der Zusammenarbeit zwischen Kurie und den Bischofskonferenzen bis zum Zustand der Kurie selbst sowie der Erneuerung der Kirche im Licht des II. Vatikanischen Konzils. Einzelheiten drangen bisher aber nicht nach außen. Redezeitbeschränkung gibt es (bisher) nicht. Die Beiträge werden simultan in Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch übersetzt. Jeder Kardinal hat in der Synodenaula seinen festen Platz entsprechend der Kardinalsklasse (Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakon) und der internen Rangordnung.

Große Einigkeit scheint unter den Kardinälen, die von auswärts sind, zu herrschen, dass sich an der Kurie etwas ändern muss. Dabei gibt es teilweise sehr konkrete Vorstellungen. Das betrifft etwa eine stärkere Vernetzung der einzelnen Behörden bis hin zur Einrichtung eines festen Beraterstabs des Papstes oder die feste Einrichtung von „Kabinettssitzungen“. Viele könnten sich auch eine Verringerung der Dikasterien durch die Zusammenlegung verschiedener Päpstlicher Räte vorstellen etwa eine Vereinigung der Räte für Familie, Krankenpastoral und Laien sowie der Räte Cor Unum (Entwicklungshilfeministerium) und Justitia et Pax. Eine Stärkung der Kollegialität wird immer wieder angemahnt. Dazu kommt das große Thema Finanzen mit der Baustelle „Vatikanbank IOR“. Viele Kardinäle denken wie der Honduraner Oscar Rodriguez Maradiaga. Der forderte eine Fortsetzung der „Reinigung der Kirche“, wie sie von Benedikt XVI. begonnen worden war. Doch dazu braucht es einen starken durchsetzungsfähigen Papst (und einen starken und erfahrenen Kardinalstaatssekretär an seiner Seite).

In der Sixtinischen Kapelle haben heute Mittag die Arbeiten begonnen. Der Boden wird auf ein Niveau gehoben, so dass es keine Stolperfallen während des Konklaves gibt. Zudem werden laut Vatikansprecher Lombardi zwei Öfen installiert: einer zum Verbrennen der Stimmzettel und Wahlunterlagen sowie ein zweiter zur Erzeugung des Rauchs. Außerdem werden im vorderen Teil je rechts und links zwei Tischreihen aufgestellt, an denen dann die Kardinäle Platz nehmen. Vor den Altar kommt ein Tisch für die Wahlurnen. Die sind übrigens dieselben wie beim Konklave 2005.

Unterdessen haben einige Kardinäle ihre Twitteraktivitäten eingestellt. Dazu gehören die italienischen Kardinäle Scola und Ravasi. Sehr sparsam mit ihren Tweets sind die Kardinäle Salazar Gomez aus Bogota (@cardenalruben) sowie die Kardinäle Sistach aus Barcelona (@sistachcardenal) und Dolan aus New York (@CardinalDolan). Die Kardinäle Napier aus Südafrika (@CardinalNapier) und Mahony aus Los Angeles (@CardinalMahony) hingegen sind weiter fleißig am zwitschern.

P.S. Eine kurze Anmerkung noch zum Telegramm der Kardinäle an den emeritierten Papst. Gestern hieß es, die Purpurträger wollten eine Botschaft an Benedikt XVI. richten. Heute wurde daraus ein neunzeiliges Telegramm. Darin bekunden die Kardinäle die „Dankbarkeit der ganzen Kirche“ für die „unermüdliche Arbeit im Weinberg des Herrn“ sowie den „außerordentlich reichen pastoralen Einsatz für das Gute der Kirche und der Welt“. Neun Zeilen nach knapp achte Jahren Pontifikat. Das erscheint mir doch etwas kurz. Aus einer Botschaft wurde ein Telegramm. Wie ist das zu werten?

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.