Zeichen stehen auf Reform

Mehr Partizipation und ein Paradigmenwechsel bei der kirchlichen Sexualmoral – das wünscht sich eine Mehrheit der Teilnehmenden beim Synodalen Weg. Entsprechend sind am 2. Tag der Vollversammlung die ersten inhaltlichen Abstimmungen verlaufen. Dabei ging es nicht um Detailfragen, sondern um die Grundausrichtung der Texte des Reformweges. Endgültige Entscheidungen fallen erst bei der zweiten Lesung, die frühestens bei der nächsten Vollversammlung im Februar 2022 stattfindet. In den Redebeiträgen wurde deutlich, dass es durchaus sehr kontroverse Positionen gibt. Doch nach Ansicht von Schwester Philippa Rath gibt es eine Klärung dahingehend, „dass eine große Mehrheit für Wandel und Reformen in der Kirche steht“. Bei den Debatten und Abstimmungen wurde aber auch deutlich, dass die Synodalen bei allem Reformwillen in der Mehrheit klare rote Linien sehen, die nicht überschritten werden sollen.

Über zehn Stunden dauerten am Freitag die Beratungen der Synodalversammlung in Frankfurt. (Quelle: Erbacher)

„Sternstunde deutscher Kirche“

Der Tag begann mit einer intensiven Debatte über den Grundtext zu „Macht und Gewaltenteilung“ in der katholischen Kirche. Darin geht es etwa um mehr Partizipation aller Gläubigen bei verbindlichen Entscheidungen in der Kirche, auch bei der Auswahl der Bischöfe. Es geht auch um die Zugänge von Frauen zu den Ämtern sowie eine zeitliche Begrenzung von Ämtern. Am Ende wurde der Text mit 156 von 188 Stimmen angenommen bei 21 Gegenstimmen und elf Enthaltungen. Ein Alternativtext, der rund um den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer entstanden ist, wurde von der Synodalversammlung mehrheitlich abgelehnt. In der Debatte wurde an mehreren Stellen betont, dass man sich bei den Änderungen innerhalb der aktuell geltenden kirchenrechtlichen Spielräume bewegen möchte.

Mit Blick auf den Grundtext „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ gab es eine lange Redeliste der Synodalen. Die überwiegende Mehrheit begrüßte, dass der vorgelegte Text eine neue Sicht auf Sexualität und die Beziehungen der Menschen entfalte. Mehrfach wurde daher von einem Paradigmenwechsel bei diesem Thema gesprochen. Ulrich Hemel, Vertreter des Bundes katholischer Unternehmer im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, sprach von einer „Sternstunde der deutschen Kirche“, weil die Perspektive beim Thema „von der Natur auf die Person hin“ gewendet werde. Auch wenn in dem vorgelegten Text eine neue Bewertung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften bis hin zur Segnung vorgeschlagen wird, wurde die Exklusivität der sakramentalen Ehe für die Beziehungen von Mann und Frau mit großer Mehrheit der Synodalen betont (136 Ja-Stimmen, 57 Nein-Stimmen, 8 Enthaltungen).

Beteiligung der Bischöfe durchwachsen

Bei den Redebeiträgen am Freitag meldeten sich öfter als bei der ersten Synodalversammlung Bischöfe zu Wort. Dennoch wurde der Wunsch vieler Laien deutlich, dass sich die Bischöfe noch stärker einbringen. Damit soll klarer sichtbar werden, wo sie stehen. Bisweilen kann man als Beobachter den Eindruck bekommen, dass viele Bischöfe in Frankfurt sind, um dem Kirchenvolk bei der Debatte zuzuschauen – vielleicht in dem Wissen, dass sie zum einen bei der 2. Lesung eine Sperrminorität haben bei den Abstimmungen, sowie zum anderen nach Ende des Synodalen Wegs selbst entscheiden, was sie in ihrem Bistum umsetzen und was nicht. Aktiv an den Debatten beteiligten sich die Bischöfe Overbeck, Dieser, Kohlgraf, Fürst, Koch, Wiesemann und Kardinal Marx mit wiederholten Redebeiträgen. Auch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer bringt sich mit seinen Redebeiträgen ein und kämpft somit offen für seine Sache.

Sieht man die Wortmeldungen und auch die Abstimmungsergebnisse zeigt sich der klare Reformwille der Mehrheit der Synodalen. Auffallend ist, dass Äußerungen der Minderheitengruppe oft mit polemischen Bemerkungen kommentiert werden. Unterm Strich sind alle um eine sachliche und nüchterne Debatte bemüht. Am Ende des zweiten Tages scheint die Zuversicht zu überwiegen, dass der Synodale Weg nicht in einer großen Frustration enden wird. Allerdings ist allen klar, dass die ersten Entscheidungen, bei denen es zum Schwure kommt, erst bei der nächsten Vollversammlung auf der Tagesordnung stehen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

8 Kommentare

  • Erasmus
    02.10.2021, 1:55 Uhr.

    In einer Daraufsicht auf den Synodalen Weg wurde heute im Rahmen einer Veranstaltung der Dom-Akademie Freising gefragt, ob es denn überhaupt einen Unterschied zu dem im Sande verlaufenen Dialogprozess (2011 – 2015) gibt. Antwort: Es herrscht die freie Rede vor. Junge Delegierte würden gegenüber den Bischöfen kein Blatt vor den Mund nehmen. Erstmalig war zu beobachten, wie Bischöfe Differenzen vor aller Öffentlichkeit austrugen.
    Dass es eine sehr hohe Zustimmung für einen PARADIGMENWECHSEL in der Sexualmoral gab, macht Hoffnung, auch wenn katholische Lehrverkündigung in der Säkulargesellschaft allenfalls als randständig, wenn nicht exotisch wahrgenommen wird.
    Es fiel heute auf, dass bei der mittäglichen Eucharistiefeier in der Tagungshalle die Bischöfe Woelki und Voderholzer nicht anwesend waren. Wenn nicht einmal diese Gemeinsamkeit aufrechterhalten bleibt, steht es schlecht um die Einheit der deutschen Katholischen Kirche.
    Nachmittags beklagten Vertreter des Betroffenenbeirats episkopale Ignoranz: „Solange aus deutschen Bischofshäusern immer noch negiert wird, dass Missbrauch insbesondere SYSTEMISCHE URSACHEN hat und zahlreiche dieser systemischen Ursachen strukturell in unserer Kirche verankert sind, solange sind wir immer noch ganz am Anfang des Weges.“ In der anschließenden Debatte entblödete sich Rudolf Voderholzer nicht, gegen „das unfehlbare Lehramt der Betroffenen“ zu polemisieren.
    Erfreulicherweise ließ die Gegenrede des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Man kann durchaus von einem Lehramt der Betroffenen sprechen. „Es ist die Lehre, die sie in die Nähe Jesu rückt. Dieses ist das einzige wirklich unfehlbare Lehramt.“

    • Einfacher Katholik
      02.10.2021, 6:58 Uhr.

      Es gibt bereits kirchliche Gemeinschaften in rauhen Mengen, die alle Forderungen der synodalen Funktionäre umgesetzt haben. Das sollte reichen.

      Wer jetzt noch die Katholische Kirche in diesem Sinne gleichschalten will, trägt wohl eher die Sorge um seine Kirchensteueralimentierung mit sich herum, die er beim Wechsel verlieren würde, als die Sorge um das Wohl der Kirche.

      • Erasmus
        02.10.2021, 12:07 Uhr.

        NOMEN EST OMEN
        Was ist eigentlich ein „EINFACHER KATHOLIK“ in Zeiten, in denen es keinen einfachen Katholizismus mehr gibt.
        Eine von der Bischofskonferenz in Auftrag gegebene Studie prognostiziert bis zum Jahr 2060 einen Rückgang der Katholiken um fast 50 Prozent. Und als diese Studie erstellt wurde, gab es die GLAUBWÜRDIGKEITSKRISE der Katholischen Kirche noch nicht in dem Ausmaß wie heute. In der Zeit von 2010 bis 2020 ging die Anzahl der katholischen Priester um 17% zurück. Gemäß der römischen Vorgabe, dass es nur dem Priester obliegt, eine Pfarrgemeinde zu leiten, führt das zu immer mehr XXL-Gemeinden. Was bedeutet das für den EINFACHEN KATHOLIKEN, dem die Anbindung an seine Pfarrkirche wichtig ist?
        So oder so, ein Umbau der Katholischen Kirche ist unausweichlich. Und da müssen dann auch die bisherigen Prinzipien – alles ist auf den männlichen zölibatären Priester zentriert – auf den Prüfstand.
        Übrigens würde ich bei einem Wechsel in die altkatholische Kirche den gleichen Kirchensteuerbetrag bezahlen wie jetzt in der römisch-katholischen.

      • Alberto Knox
        05.10.2021, 14:52 Uhr.

        der einfache katholik schmeißt aber schnell mit braunen begriffen um sich: „Wer jetzt noch die Katholische Kirche in diesem Sinne gleichschalten will“.
        das ist ebenso grober unfug wie grob unmoralisch.

  • Wanda
    02.10.2021, 18:58 Uhr.

    Geradezu grotesk, wenn es zutrifft was die an sich seriöse FAZ heute meldet: „Die Vollversammlung des Synodalen Weges sei nicht mehr beschlussfähig weil bereits viele Teilnehmer am Samstag abreisten“…

  • ZufälligerGastleser
    03.10.2021, 20:12 Uhr.

    Zufällig in die Direktübertragung dieser überhetzten Versammlung geraten, verbleibe ich fassungslos. Subjektive Eindrücke: Anmaßung einer Neuerschaffung der Kirche aus der synodalen Retorte, von Wahrheitenfindung durch Mehrheitsbeschlüsse, von „demokratischer“ Neusetzung von Moral, Lehre und Gestalt der Kirche auf dem Wege einer „Veritatislative“, weinerlich selbstgefälliger und gegenüber einem womöglich durchaus vermachteten Klerikalismus kaum nachstehender und wenig demütig vordrängender und titelstolzer Akademismus, „Übernahmeversuch“ der Kirche durch ein hochpotent vernetztes Milieu aus Parteien, Staat, Universitäten, Medien und „Zivilgesellschaft“, gradezu ein Überlaikat im anmaßenden Namen der Stillen im Lande, die das alles gar nicht kümmert! Alles sehr abgehoben honoratiorenmäßig, sehr zeitgeistig, bildungshochmütig, sehr „woke“, sehr sehr deutsch auch, nicht zuletzt in einer langweiligen Antiästhetik der Pseudobescheidenheit grauer Konfektionsanzüge, weißer Kollarhemden und episkopalen Underdressings. Den uneleganten und rüden Taktlosigkeiten gegenüber dem Nuntius selbstverständlich auch. Von dem tativillehaften Austragungsort und den sicher gutgemeinten „Einhalten“ zu schweigen. Und dann dieser autoritär auftretende neue Staatslyssenkoismus der Genderei, nur noch absurd, aberwitzig. – Soweit die stimmungshafte Bekundung eines ebenfalls „einfachen“ Zeitgenossen. – Und jetzt kommt die Mißbrauchskeule, sicher!

    • Wanda
      04.10.2021, 23:43 Uhr.

      Geht’s auch einfacher ? Den von Ihnen genannten „Stillen im Lande“ ist die Kirche mittlerweile schlichtweg egal und es sind nur noch sehr, sehr wenige. Die praktizieren ihren Glauben ohne jeden hierarchischen Vorbeter mit Deutungshoheit, denn ihren Gott finden sie überall…

    • Wanda
      05.10.2021, 15:34 Uhr.

      Zufälliger Gastleser:
      – Wenn Sie auf Ihrem letzten Satz bestehen: nehmen Sie die erschütternden Ergebnisse des unabhängigen von der Kirche Frankreichs verkündeten Untersuchungsberichtes als „Missbrauchskeule“ zur Kenntnis (ARD) und Sie sollten sich schämen, dieses Wort für die ungeheuren Verbrechen an den Opfern zu verwenden !

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