Kirche im Aufbruch?
Aufbruchstimmung, Ratlosigkeit, Entsetzen – es war ein Wechselbad der Gefühle bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Mainz. Mit der Wahl von Georg Bätzing setzten die Bischöfe ein Zeichen der Kontinuität mit Blick auf den eingeschlagenen Reformkurs und den Synodalen Weg. Das will die Mehrheit der Bischöfe und das war in Mainz zu spüren. Bei der Deutung des neuen Papstschreibens und dessen Bedeutung für Deutschland gehen die Meinungen auseinander. Entsetzen herrscht angesichts von Extremismus und rechter Gewalt in Deutschland. Bei der Entschädigung der Opfer sexuellen Missbrauchs sind die Bischöfe einen wichtigen Schritt vorangekommen. Allerdings wird es noch immer Monate dauern, bis nach dem neuen Modell Geld fließt.
Scharfe Kritik der Betroffenen
Entschädigung wollen die Bischöfe ihre Zahlungen nicht nennen. Ihnen geht es um eine Anerkennung des immateriellen Leids. Deshalb haben sie sich auf Schmerzensgeld geeinigt. Dazu orientieren sie sich an der Entscheidung staatlicher Gerichte in vergleichbaren Fällen. Die Summen liegen weit unter denen, die im Herbst gehandelt wurden. Damals war von bis zu 400.000 Euro die Rede. Jetzt dürften die Beträge nicht über 50.000 Euro hinausgehen, von einzelnen Härtefällen abgesehen. Für die soll es weiterhin Einzelfallregelungen geben.
Die Betroffeneninitiative Eckiger Tisch kritisiert die neue Regelung scharf. „Die Kirche in Deutschland ist nicht bereit, für ihre Verbrechen die Verantwortung zu übernehmen und ihren Opfern eine Entschädigung anzubieten. Sie will lediglich Anerkennungsleistungen zahlen und orientiert sich dabei an den Tätern, die missbrauchten“, schreibt die Initiative in einer Erklärung. Indirekt forderte sie die Katholiken auf, aus der Kirche auszutreten und keine Kirchensteuern mehr zu zahlen. „Jetzt ist offenbar, wie die Kirche in Deutschland tickt: Leugnen solange es geht, verschleppen und dann das Minimum tun; dabei kein Schuldbewusstsein und warme Worte für die Opfer statt großzügiger Unterstützung.“
Politische Entscheidungen notwendig
Für die katholische Kirche ist die gefundene Einigung ein Fortschritt. Die Verfahren werden vereinheitlich, transparenter und beschleunigt. Mit der Empfehlung, sich am oberen Rand des Schmerzensgeldkorridors zu bewegen, werden die Zahlungen nahezu verzehnfacht. Das könnte am Ende in der Summe gut 100 Millionen Euro ergeben. Wie in Mainz zu hören war, würden die Bischöfe auch mehr zahlen, wenn es einen gesetzlichen Rahmen dazu gäbe. Doch bei der Suche nach einem gangbaren Weg, konnten die Bischöfe in Deutschland keine andere Orientierung finden, als die Schmerzensgeldregelungen der staatlichen Gerichte. Selbst einen Maßstab zu setzen, dazu fehlte der Mut und vielleicht auch der Willen.
Was hätte es für andere Institutionen bedeutet, wenn die katholische Kirche im Alleingang eine Summe im sechsstelligen Bereich festgelegt hätte? Müsste eine solche Regelung nicht unter der Führung der Politik unabhängig für alle Institutionen und Organisationen geregelt werden? Hier stellt sich einmal mehr die Frage, warum die Politik weder die Aufarbeitung noch die Entschädigungsfrage zentral regelt? So bleibt sich die Kirche am Ende stets sich selbst überlassen. Ihr fehlen der Mut und vielleicht auch die innere Einigkeit, um mit deutlicheren Signalen voranzugehen. So wirkt das Handeln eher wie ein zögerliches Vorantasten auf unbekanntem Gebiet.
Kein Gemeinsames Abendmahl beim ÖKT
Neben der Missbrauchsentschädigung gab es zum Abschluss der Beratungen in Mainz auch gleich noch einen Dämpfer was die Hoffnungen auf ein Gemeinsames Abendmahl beim Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt anbetrifft. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing stellte klar, dass es bei dem Großereignis keine konfessionsübergreifenden Abendmahlsfeiern geben werde. Schon direkt nach der Wahl hatte er am Dienstag davor gewarnt, hier überhöhte Erwartungen zu schüren. Die Organisatoren hätten diese Erwartung nie geäußert. Bätzing war auf ein Papier eines ökumenischen Expertenkreises angesprochen worden, das im September veröffentlicht worden war und das keine Hindernisse für die wechselseitige Teilnahme am Abendmahl sieht. Hier gehe es nur darum, für einzelne die gegenseitige Teilnahme am Abendmahl oder der Eucharistie zu eröffnen, betonte Bätzing. Das Papier werde in der Bischofskonferenz noch einmal eingehender diskutiert von gleich drei Kommissionen: Ökumene, Liturgie und Glauben.
Interessant dürfte eine Erklärung der deutschen Bischöfe werden, die Bätzing für April in Aussicht stellte. Aus Anlass des 75. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs werden sich die Bischöfe unter dem Titel „Kirche im Weltkrieg“ äußern. Der Konferenzvorsitzende ließ anklingen, dass es sich um eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Bischofskonferenz in der Zeit handelt. Es habe zwar Ausnahmegestalten gegeben, die ein eindeutiges Votum abgegeben und dafür auch die Konsequenzen getragen hätten, doch die Bischofskonferenz als Ganze habe sich nicht zu einer kraftvollen Stellungnahme durchringen können, erklärte der Bischof.
Aufnahme von Flüchtlingen
Besorgt zeigte sich die Bischofskonferenz über die Situation der Menschen in Syrien und die große Zahl der Flüchtlinge. Sie fordert die EU zu einer großzügigen Aufnahme von Flüchtlingen auf. „Wer die Aufnahme weiterer Bürgerkriegsflüchtlinge in Deutschland und Europa zum Tabu erklärt, der verschließt die Augen vor der Realität, einer schrecklichen Realität“, heißt es in der Abschlusserklärung. Die Bischöfe kritisieren zugleich, dass es die EU-Staaten in den vergangenen Jahren versäumt hätten, das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) grundlegend zu reformieren. Nun seien sie mehr denn je gefordert, Wege zu einer fairen und solidarischen Flüchtlingspolitik zu finden. Der Nuntius in Damaskus, Kardinal Mario Zenari, war Gast beim Bischofstreffen in Mainz und berichtete aus erster Hand über die Verhältnisse nach knapp 10 Jahren Krieg in Syrien.
Eine Bilanz
Markiert die Vollversammlung der Bischofskonferenz in Mainz eine Zäsur? Das Zeug dazu hat sie. Doch noch ist es zu früh, das zu beurteilen. Der Wechsel an der Spitze von Kardinal Reinhard Marx auf Bischof Georg Bätzing wird sicher einen Wandel im Stil innerhalb der Bischofskonferenz mit sich bringen, vielleicht aber auch in der Außenwirkung. Viel war in diesen Tagen von Mainz von einer Art Downsizing des Vorsitzendenamts die Rede. Mehr Moderator nach innen und weniger Oberhaupt der deutschen Katholiken nach außen. Ob sich das überhaupt realisieren lässt ist offen. Denn eigentlich braucht eine Großorganisation wie die katholische Kirche ein Gesicht, das sie repräsentiert.
Eine Zäsur sind die Tage von Mainz sicherlich bei der Frage der Anerkennung des Leids für Opfer sexuellen Missbrauchs. Auch wenn die Summen für viele Betroffenen enttäuschend sind, so sind die jetzt verabschiedeten Grundsätze ein wichtiger Schritt nach vorne. Doch viele Baustellen sind offen, wie Kardinal Marx in seiner letzten Pressekonferenz als Vorsitzender betonte. Vor allem beim Synodalen Weg steht jetzt die erste entscheidende Phase an, wenn die vier Foren an die inhaltliche Arbeit gehen. Der neue Vorsitzende hat sich klar hinter den Prozess gestellt. Seine ausgleichenden Fähigkeiten werden sicher gebraucht, wenn die konkrete Arbeit an strittigen Themen beginnt.
P.S. Weitere Informationen zum Thema Entschädigung gibt es bei der heute.de – bitte hier klicken.
7 Kommentare
Die Summen für die Entschädigung sind lächerlich. Die Herren sollen doch bitte ein paar Kelche einschmelzen. Davon haben sie genug. Für diese Entscheidung der DBK schäme ich mich fremd.
„Sie fordert die EU zu einer großzügigen Aufnahme von Flüchtlingen auf.“
Vor ein paar Wochen habe ich im Fernsehen den Vortrag von Dr. Michael Hesemann über den Ersten Weltkrieg gesehen. Darin vertritt er die These, daß das „Ausbrechen“ und der Verlauf dieser Katastrophe maßgeblich davon beeinflußt war, daß die deutsche Militärführung nahezu gänzlich nicht katholisch war und deswegen dunkle Ziele verfolgte. Diese Sichtweise geht mir im Kopf rum, weil sie ungewöhnlich aber möglich ist und auf den Mangel an nachvollziehbaren Begründungen trifft, warum unzählige Menschen über vier Jahre in diesem Krieg ihr Leben lassen mußten. Man hätte doch einfach aufhören können, meint zumindest der Verstand in diesem großen zeitlichen Abstand zu heute. Es war doch möglich seinerzeit — Weihnachten in den Schützengräben mit der Verbrüderung mit den Kameraden von der anderen Front. Doch das durfte nicht sein, es wurde von den Idioten und Prinzipienreitern (angesichts der Millionen Toten darauffolgend sei mir diese Ausdrucksweise erlaubt) in Offiziers- und Generalsuniformen als Störung des Schlachtplanes unter Strafe gestellt. Da diese Militärs keine Katholiken waren, strebten sie einem Frieden der Welt zu, der den naiven Vorstellungen einfacher Soldaten diametral zuwiderläuft. Das Ergebnis ist bekannt, auf den Unsinn damals hinzuweisen war auch Unsinn, ist auch bekannt, denn man wollte auch nicht aus Prinzip umgebracht werden.
Nun heißt es, die Flüchtlinge fliehen vor Krieg und manche werden auch aus ihren Heimatorten mit Absichten vertrieben.
Mit zunehmender Lebenszeit fällt es mir schwer, nur Ausschnitte der Wirklichkeit zu sehen und mich dumm zu stellen. Keiner der Akteuere, von welcher Seite auch immer sagt die ganze Wahrheit, weder die, die die Fremdenangst schüren, noch die, die an die Humanität appellieren. Wir haben alle was von dieser Situation, DESWEGEN hat es eine Lösung nahezu unendlich schwer. Wahrscheinlich ist eine Lösung auch gar nicht gewollt.
Man sollte vorsichtig sein mit eher pauschalen Aussagen, wie sie hier von Herrn Hesemann berichtet werden. Ein Beispiel: Südamerika wird als „der katholische Kontinent“ bezeichnet und ist ein Kontinent, der stark geprägt ist von Gewalt, Kriegen, Missbrauch und Verbrechen.
Herr Hesemann ist ein Ufo-loge. Seine Expertentum in Geschichte ist… lau. Um es freundlich zu formulieren. Außerdem versucht er permanent in seinem wikipedia-Artikel seine rechtsorientierte Ufovergangenheit vergessen zu machen.
Das „Ausbrechen“ und der Verlauf dieser Katastrophe waren maßgeblich davon beeinflußt, daß die österreichisch-ungarische Militärführung nahezu gänzlich katholisch war und deswegen dunkle Ziele verfolgte.
Hieße dieser Satz so, würde ich ihn für absolut geistesgestörten Schwachsinn halten. Der Wahrheitscharakter dieses Satzes ist jedenfalls identisch mit dem oben aufgeführten Satz. Er ist bei Null angesiedelt. Danke @Herr Erbacher für Ihren Hinweis.
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