Papst zu viri probati: ein klares Jein
Nun ist es da, das mit Spannung erwartete nachsynodale Schreiben zur Amazonassynode. Die Lektüre lohnt, denn Franziskus führt hier noch einmal aus, wie er sich eine „prophetische Kirche“ vorstellt, wie Inkulturation aussieht und welche Konsequenzen das für eine „vielgestaltige“ Kirche hat. Mit keinem Wort erwähnt er die „viri probati“ oder das Diakonat der Frau. Vielmehr betont er, dass die Eucharistie und die Beichte exklusiv dem Priester vorbehalten ist und dieser männlich ist. Er warnt davor, die Wertschätzung der Frauen auf das Schielen nach Weiheämtern zu reduzieren. Zugleich macht er aber das Schlussdokument der Synode zu einem „offiziellen Dokument“ und bittet darum, „dass sich Hirten, die gottgeweihten Männer und Frauen und die Laien in Amazonien um ihre Umsetzung bemühen“. Dort wird in Artikel 111 vorgeschlagen, ständige Diakone, auch verheiratete, zu Priestern zu weihen.
Papst geht eigenen Weg
Papst Franziskus geht mit seinem Schreiben „Querdia Amazonia“ einen neuen Weg. Er nimmt die Ergebnisse der synodalen Beratung nicht als Ausgangspunkt für seinem Text, sondern macht diese komplett zu einem offiziellen Dokument und bietet mit seinem Text „einem groben Rahmen für die Reflexion“ an. Das bedeutet durchaus eine Stärkung des synodalen Gedankens, wie Franziskus ihn versteht. Die eigentliche Arbeit passiert auf der Synode „sub et cum Petro“. Der Papst macht sich die Ergebnisse zu eigen und legt eigene Reflexionen dazu. Das erleichtert zwar nicht die Interpretation, doch könnte es ein weiterer Schritt dahin sein, dass künftig das Synodenschlussdokument zum entscheidenden und vielleicht auch einzigen Ergebnis einer Synode wird. Franziskus hatte bereits bei der zweiten Familiensynode 2015 damit geliebäugelt.
Wie so oft bei Papst Franziskus ist auch das vorliegende Dokument schwer zu greifen. Die Konservativen jubeln und sprechen vom „konservativsten Dokument des Pontifikats“, die Reformer dürften mit Interesse lesen, wie stark der Papst die Notwendigkeit der Inkulturation betont, die sich auch in Strukturen und Ämtern zeigen müsse. Ganz direkt fordert Franziskus Laien als Gemeindeleiter und, „dass Frauen einen echten und effektiven Einfluss in der Organisation, bei den wichtigsten Entscheidungen und bei der Leitung von Gemeinschaften haben“.
Liest man das Dokument genau, kann man darin weitere Ansätze eines grundlegenden ekklesiologischen Wandels erkennen. Einerseits betont Franziskus die Bindung von Eucharistie und Beichte an das Priesteramt, zugleich scheint er das dazu notwendige Weiheamt vom Leitungsamt zu trennen. Übrigens schreibt er bei aller Schärfung des Priesteramts nirgends, wie diese Priester leben sollen. Seine Argumentationslinie, Christus zeige sich „als der Bräutigam der Eucharistie feiernden Gemeinschaft in der Gestalt eines Mannes“ wird heftige Reaktionen hervorrufen. Zumal der Papst zugleich vor der Annahme warnt, „dass den Frauen nur dann ein Status in der Kirche und eine größere Beteiligung eingeräumt würden, wenn sie zu den heiligen Weihen zugelassen würden“. Darin sieht er eine „Begrenzung der Perspektive“ und gar eine „Klerikalisierung der Frauen“.
Papst betont Kontinuität
Diese Positionen sind nicht neu bei Franziskus. Seit seinem Amtsantritt spricht er davon, dass Frauen neben dem Weiheamt einen angemessenen Platz haben müssen in Entscheidungs- und Leitungspositionen. Doch die Argumentation überzeugt nicht, solange Macht und Weihe aufs Engste gekoppelt sind. Hier macht Franziskus in dem Dokument deutlich, dass er die beiden entkoppeln will. Interessanter Weise führt er dazu Johannes Paul II. ins Feld, der 1988 in seinem Apostolischen Schreiben „Mulieris dignitatis“ erklärt, dass das Priesteramt zwar als „hierarchisch“ bezeichnet werde, es aber „keine Überordnung gegenüber den anderen bedeutet“. 30 Jahre später klaffen hier Theorie und Praxis noch weit auseinander.
Es ist auffallend, wie oft Franziskus in dem vorliegenden Dokument seine beiden Vorgänger Benedikt XVI. und Johannes Paul II. zitiert. Er will damit unter allen Umständen vermeiden, dass seine Ausführungen als Bruch mit der Tradition verstanden werden könnten. Gerade bei der starken Betonung der Option für die Armen, für eine nachhaltige Entwicklung und die Wertschätzung der indigenen Kultur könnte dieser Verdacht aufkommen. Den versucht Franziskus schon im Keim zu ersticken. Dieser Erweis der Kontinuität dürfte aber auch wichtig sein, denn kurz vor Ende des Schreibens macht der Papst deutlich, an welch neuralgischem Punkt die katholische Kirche heute steht – am Amazonas, beispielhaft für die vielen verschiedenen Situationen der katholischen Kirche weltweit. Es geht darum, einen neuen Transfer des Christlichen zu schaffen, wie es seinerzeit beim Übergang aus dem hebräischen Ursprung in die griechisch-römischen Kulturen vollzogen wurde. Diese „Inkarnation“ gilt es nun in die Kultur des Amazonas zu leisten, aber auch in die anderen aktuellen kulturellen Kontexte, die vom griechisch-römischen, sprich europäischen, verschieden sind. Es geht um nicht mehr, aber auch nicht weniger.
29 Kommentare
Chance vertan!
Hier liegt das gleiche Problem vor, wie beim Synodalen Weg in Deutschland. Es werden im Vorfeld Erwartungen geschürt, die objektiv betrachtet unter keinen Umständen realistisch umsetzbar sind. Das treibt nur noch mehr Leute aus der Kirche raus und zwar in Deutschland so langsam auch den harten Kern. Wem ist mit derart unklaren Aussagen geholfen? Wo ist das Problem einer Dispens vom Zölibat für Amazonien? Im Bereich von konvertierten anglikanischen oder protestantischen Pfarrern funktioniert das doch auch und da sind mir bislang auch keine Fälle bekannt, bei denen die Eucharistie eines solchen Priesters wie von Satan besessen in Flammen aufgegangen ist oder ähnlicher Humbug. Wir brauchen in der Kirche nicht noch mehr Unklarheiten und Laberbuden, sondern vielmehr klare Aussagen und Gremien mit tatsächlicher Entscheidungsgewalt. Wenn da konservative Splittergruppen nicht mitmachen wollen, dann lasst sie gehen. Franziskus muss durchgreifen und dabei wünsche ich ihm alle Kraft.
Mit dem Verweis des Papstes auf das Schlussdokument der Amazonassynode ist der Weg offen, nach gangbaren Modellen für die Weihe ständiger Diakone zum Priester zu suchen. Der Papst verweist zu Beginn des Schreibens ausdrücklich darauf, dass die Hirten sich um die „Umsetzung bemühen“ sollen.
Das sehe ich genau so. Wenn ich mir aber andere Kommentare anschaue, habe ich den Eindruck, dass Sie, Herr Erbacher, einer der wenigen, wenn nicht der einzige sind, der diese Aufforderung zur Umsetzung gelesen hat und sie würdigt.
Woran könnte das liegen?
„Wir brauchen in der Kirche nicht noch mehr Unklarheiten und Laberbuden, sondern vielmehr klare Aussagen und Gremien mit tatsächlicher Entscheidungsgewalt.“
Zustimmung. Das Gremium mit tatsächlicher Entscheidungsgewalt ist der Mann „in den Schuhen des Fischers“. Und er hat die Grenzen aufgezeigt. Das Geheule zeigt, wie wenig sich manche mit klaren Entscheidungen abfinden.
„Vor allem die Frauen sind vom Papstschreiben enttäuscht.“
Zurecht. Franziskus schreibt: „Der Herr wollte seine Macht und seine Liebe in zwei menschlichen Gesichtern kundtun: das seines göttlichen menschgewordenen Sohnes und das eines weiblichen Geschöpfes, Maria.“ Eine solche Konstruktion schreibt die Nachrangigkeit der Frau fest.
Das konkretisiert sich an dem Punkt, wo Franziskus die Frauen Amazoniens lobt, die kirchliches Leben an Orten aufrecht erhalten, wo jahrelang kein Priester vorbeigekommen ist. Und was ist der Lohn? Der Papst versucht den Frauen schmackhaft zu machen, dass eine Zulassung zu den heiligen Weihen kein Zuwachs, sondern „in Wirklichkeit eine Begrenzung der Perspektiven“ (Nr.99) wäre. Ja, er scheut nicht davor zurück, die Ermöglichung der Weihe von Frauen mit dem Verdikt „Klerikalisierung“ zu belegen.
Christiane Florin schreibt dazu in ihrem Blog: „Wenn Männer zu Priestern geweiht werden, ist das würdig und recht und für die Kirche lebensnotwendig. Wenn Frauen geweiht würden, wäre das Klerikalismus.“ Der leider nachvollziehbare Schlusssatz ihres Beitrags lautet: „Wenn ich ein Vöglein wär, würde ich sagen: Machen wir den Abflug.“
„„Der Herr wollte seine Macht und seine Liebe in zwei menschlichen Gesichtern kundtun: das seines göttlichen menschgewordenen Sohnes und das eines weiblichen Geschöpfes, Maria.“ Eine solche Konstruktion schreibt die Nachrangigkeit der Frau fest.“
Wieso: Die menschliche Natur Jesu hat keinerlei Vorzüge, die nicht auch die menschliche Natur Mariens hätte.
„Die menschliche Natur Jesu hat keinerlei Vorzüge, die nicht auch die menschliche Natur Mariens hätte.“
Dem stimme ich zu. Der Papst postuliert aber eine zweigesichtige Offenbarung, bei der der „GÖTTLICHE menschgewordene Sohn“ (gezeugt, nicht geschaffen) und das „weibliche GESCHÖPF Maria“ nebeneinander gestellt werden. Dem entspricht dann, dass der männliche Priester Christus repräsentiert, während die Frau angehalten ist, „die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weiter(zu)geben.“
Das ist aber doch eine ungeheuer positive Aussage! Da steht ein Mensch, weiblich, neben Gott (geschlechtsneutral). Es geht ja nicht um eine Abwertung der Weiblichkeit Mariens gegenüber der Männlichkeit des Sohnes, sondern um eine Aufwertung der gesamten menschlichen Art – und zwar durch eine Frau.
Aber nur um das klarzustellen: Ich bin über die Frauentheologie insgesamt und deren nicht nur an den Adressat*innen liegende Unverständlichkeit nicht glücklich. Und ich bin gewiss, dass Frau in allen Ämtern der Kirche auch kommen werden, einfach weil der Ausschluss REIN sexistisch und theologisch überhaupt nicht begründbar ist.
Zur Begründbarkeit sei nur angemerkt, dass Frauen auch taufen und die Ehe schließen (also in Persona Christi, und Christi als Hauptes handeln). Und Christus ist Haupt der Kirche und Quell aller sakramentalen Gnaden, nicht weil er Mensch war und ist, sondern weil er Gott ist. Als Mensch ist er Mann, als Gott geschlechtslos.
„Das ist aber doch eine ungeheuer positive Aussage! Da steht ein Mensch, weiblich, neben Gott (geschlechtsneutral).“ (Novalis)
Von der Hochschätzung des „weiblichen Geschöpfes Maria“ geht der Papst allerdings nahtlos über zu der Unterscheidung von männlicher Macht und der „spezifischen Macht“ von Frauen in der Kirche. Was des Mannes ist, steht am Beginn des Abschnittes 111: „Jesus Christus zeigt sich als der Bräutigam der Eucharistie feiernden Gemeinschaft in der Gestalt eines Mannes, der ihr vorsteht als Zeichen des einen Priesters.“ Das liegt genau auf der Linie dessen, was sich in Evangelii gaudium (2013) nachlesen lässt: „Das den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt, ist eine Frage, die nicht zur Diskussion steht.“ (Nr. 104)
Franziskus stellt sich klar in die katholische Tradition, nach der der Frau zwar die gleiche Würde zukommt, dies aber nicht Gleichberechtigung bedeutet. Wie lange noch werden Katholikinnen sich das gefallen lassen?
Korrekt. Aber wenn ich eines in der Lehramtshermeneutik gelernt habe, dann doch das, dass jedesmal dann, wenn nur noch auf die Autorität rekurriert wird (und die sexistischen Vertreter der Exklusion haben ja keine Sachargumente) der Gaul schon tot ist. Man vergleiche nur mit wievielen Wenns und Danns die Zulassung der Muttersprache (eine Normalität) versehen wurde, um sie zu erlauben.
Also ich verstehe weite Teile der Reaktionen überhaupt nicht. Haben die denn den Text gelesen? Bis auf das (aber aus anderen Gründen) zurecht kritisierbare Frauenbild und die rein auf die Trienter Anathematismen reduzierte Amtstheologie ist das Dokument von einem politisch durchweg linken Charme, wie ich ihn mir für Amazonien immer gewünscht habe. Und: Im Gegensatz zu Paul VI. hat Franziskus das Ergebnis einer Synode als Wirken des Hl. Geistes voll und ganz akzeptiert. Ich bin ziemlich zufrieden.
Die Vorstellung, man solle Frauen weihen und den Zölibat abschaffen und dann werde alles gut, will ich nicht kommentieren. Das entscheidende Problem scheint mir die Inkulturation zu sein. Inwieweit lassen sich andere Kulturen in das antike jüdisch-griechische Erbe inkulturieren, ohne dass dieses dabei seine Substanz verliert? Darauf sind keine einfachen Antworten möglich, und das was der Papst schreibt, ist eher als Ausgangspunkt für weitere Überlegungen anzusehen. Das Christentum ist eben kein platter, progressiver Moralismus, der letztlich keine Kultur ernst nimmt und deswegen vorschnell einer Inkulturation das Wort reden kann.
„Die Vorstellung, man solle Frauen weihen und den Zölibat abschaffen und dann werde alles gut, will ich nicht kommentieren.“
Ich weiß von niemand, der ernst zu nehmen ist, der diese Auffassung vertreten würde.
Warum ist der Beruf des Pfarrers nicht attraktiv?
– Das Ansehen dieses Berufs hat schwer gelitten. Bei der Allensbacher Berufsprestige-Skala von 2008 brachten 39 Prozent der Befragten dem Beruf des Pfarrers hohe Anerkennung entgegen, 2013 waren es nurmehr 28 Prozent. Polizisten und Krankenschwestern sind inzwischen angesehener. Laut einer GfK-Umfrage von 2016 vertrauen die Menschen Soldaten und Taxifahrern mehr als Geistlichen.
– Arbeitsumfang und -anforderungen ufern aus
– Das Zutrauen in die Instutution Kirche ist gering und damit auch die Bereitschaft, sich von dieser dauerhaft abhängig zu machen
– Wer will sich an eine Organisation binden, die mit permanenter Schrumpfung konfrontiert ist?
Wenn zu dieser schwierigen Ausgangslage im Katholizismus noch hinzukommt, dass das dort festgeschriebene Frauenbild voremanzipativ ist (keine Gleichberechtigung) und den Männern die Unterdrückung der eigenen Sexualität aufgebürdet wird – es gibt da zahlenmäßig begrenzte Ausnahmen -, dann ist die Zukunftsfähigkeit der katholischen Kirche – zumindest in Europa – massiv in Frage gestellt.
Die Masken fallen. Sobald Franziskus, dem ich oft eine unklare Rede vorgehalten habe, nicht das tut, was wohlstandsverwöhnte Progressive in Deutschland wollen, wird er heftig angegangen – und zwar auf eine Art, wie ich es nie getan habe und nie tun werde. Dann ist von „Diktatorenpäpsten“ die Rede, und man heult auf gegen die Tatsachen, die einem nicht gefallen. Und im Übrigen gilt: Reisende soll man nicht aufhalten.
Interessant ist ja, dass mit dem Dokument ja wenig entschieden ist. Franziskus fordert die Ortskirchen im Amazonas auf, an der Umsetzung des Schlussdokuments der Synode zu arbeiten. Das wird jetzt spannend. Auch sagt er bei der Betonung der exklusiven sakramentalen Handlungen der Priester nicht, wie diese Priester leben. Es lohnt also eine gute Lektüre beider Dokumente.
wird es ihrerseits einen bericht zur verwicklung von joseph ratzinger in missbrauchsverstuschung geben, wie das zdf bei Frontal 21 zeigte?
Es wird an dieser Stelle aktuell nichts geben. Die Recherchen der Kollegen sind über die Mediathek zugänglich.
„wird er heftig angegangen – und zwar auf eine Art, wie ich es nie getan habe und nie tun werde.“
immerhin gibt da einer zu, dass er den papst angeht. und das ohne grund.
ich sehe das dokument gemischt. das frauenbild ist abscheulich, hinterweltlerlisch, aber immerhin fügt sich ein papst einer synode. das ist eigentlich so von mir nicht erwartet gewesen.
Zur Bedeutung und Wahrnehmung der röm.-kath. Kirche in der öffentlichkeit wäre wohl dringend mehr Realismus angeraten, ob sich da nun was in Rom, am Amazonas oder in DEU abspielt. Ein Artikel in der überregionalen WELT kommt dazu auf den Punkt. Zitat – Kirche? War da was? Der Chef der deutschen Bischofskonferenz schmeisst hin und kaum einer im politischen Berlin bekommt es mit. Die Erklärung für diesen Relevanzverlust findet sich im auffälligen Agieren der katholischen Kirche selbst – Zitatende. Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Der Klerus, angefangen bei Franziskus über Müller, Gänswein, Woelki, Ratzinger und wie sie alle heissen, sollte sich mit vielen „mea culpa“ an die Brust klopfen. Aber auch das wird den Niedergang der Amtskirchen nicht aufhalten.
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