Wo ist Erzbischof Gänswein?

Hat Franziskus den Präfekten des Päpstlichen Hauses, Erzbischof Georg Gänswein, beurlaubt? Nein, sagt der Vatikan. Davon könne keine Rede sein. Vielmehr handle es sich um eine „normale Umverteilung der verschiedenen Aufgaben und Funktionen des Präfekten des Päpstlichen Hauses“. Schließlich habe er ja auch die Aufgabe als Privatsekretär des emeritierten Papstes, so der Vatikan gegenüber dem ZDF. De facto ward Gänswein allerdings am 15. Januar bei der Generalaudienz zuletzt gesehen. Das war just der Tag, an dem das Buch von Kardinal Sarah zum Zölibat veröffentlicht wurde, das zwei Tage zuvor noch als gemeinsames Werk von Sarah und Benedikt XVI. für Schlagzeilen sorgte. Der emeritierte Papst ließ dann aber klarstellen, dass er nicht Co-Autor sei.

Ungewöhnlicher Vorgang

Weder bei den Generalaudienzen noch beim offiziellen Empfang von Staatsgästen oder den Gottesdiensten ist Erzbischof Georg Gänswein seit knapp drei Wochen gesichtet worden. Da nach den Erklärungen des Presseamts Abwesenheit durch Krankheit auszuschließen ist, ist das für einen Präfekten des Päpstlichen Hauses ein ungewöhnlicher Vorgang. Auch wenn der Vatikan betont, dass keine Informationen im Sinne einer Beurlaubung vorlägen, sieht es praktisch danach aus. Dass die Neuverteilung der Aufgaben just mit dem Skandal um das Sarah-Buch zusammenfällt, lässt die Interpretation zu, dass die „Neuordnung“ damit in Zusammenhang steht.

Immer wieder war es in den vergangenen Jahren zu solchen Situationen gekommen. Im März 2018 musste gar der vatikanische Medienminister, Dario Edoardo Viganò, im Rahmen der Lettergate-Affäre von seinem Posten zurücktreten. Viganò hatte Benedikt XVI. um ein Vorwort für eine Sammlung theologischer Texte verschiedener Autoren zum Pontifikat von Franziskus gebeten. Dieser schrieb einige Zeilen, Vigano veröffentlichte nur einen Teil davon, sah sich Manipulationsvorwürfen ausgesetzt und verlor seinen Posten. Im Sommer 2018 sorgte ein Text Benedikt XVI. über das Judentum für Irritationen, im Frühjahr 2019 ein Text zum Missbrauchsskandal.

Oder doch andere Gründe?

Immer wieder kam dabei die Frage auf, welche Rolle das direkte Umfeld von Benedikt XVI. in diesen Situationen spielte. Benedikt XVI. hatte bei seinem Rücktritt angegeben, vor der Welt verborgen leben zu wollen. Wer war die treibende Kraft bei den unzähligen Aktionen, bei denen Benedikt XVI. wider seine eigene Vorgabe handelte? Öffentlich hat sich Erzbischof Gänswein mit Kritik an Benedikts Nachfolger stets zurückgehalten. Allerdings unterscheidet sich seine Analyse der aktuellen Situation von Gesellschaft und Kirche doch grundlegend von der des amtierenden Papstes. Daher war das Verhältnis zwischen Franziskus und Erzbischof Gänswein nicht immer einfach. Bisweilen konnte es auch einmal laut werden.

Auch ist es ein offenes Geheimnis, dass Gänswein sich nur schwer an den neuen Stil im Vatikan unter Franziskus gewöhnen konnte. So bedeutete der Dienst für zwei Herren, Präfekt des Päpstlichen Hauses und damit zuständig für die Koordination der offiziellen Termine des amtierenden Papstes und zugleich Privatsekretär des emeritierten Papstes, stets ein Spagat, der ihn auch viel Kraft kostete. Im Herbst 2017 erlitt er einen Hörsturz, der bis heute nachwirkt. Daher ist nicht völlig ausgeschlossen, dass die „Neuordnung“ der Aufgaben mit dem Gesundheitszustand von Erzbischof Gänswein oder auch des emeritierten Papstes in Zusammenhang steht.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

18 Kommentare

  • Erasmus
    06.02.2020, 2:31 Uhr.

    „… bedeutete der Dienst für zwei Herren, Präfekt des Päpstlichen Hauses und damit zuständig für die Koordination der offiziellen Termine des amtierenden Papstes und zugleich Privatsekretär des emeritierten Papstes, stets ein(en) Spagat.“

    Ich halte es für einen Fehler, dass Franziskus die Doppelrolle von Gänswein nicht von Anfang an als Übergangslösung deklariert hat. Mit der Scharnierfunktion des Erzbischofs zwischen einem Ex-Papst und einem Papst befeuerte man die Schimäre einer Zwei-Päpste-Kirche. Franziskus hat sehr lange gewartet, bis er jetzt die Reißleine zog. Dass der Vatikan aktuell versucht, die Konfliktkonstellation herunterzuspielen, ist nachvollziehbar. Es ist allerdings eher unwahrscheinlich, dass die Öffentlichkeit der vatikanischen Pressestelle die Sprachregelung „normale Umverteilung der verschiedenen Aufgaben und Funktionen des Präfekten des Päpstlichen Hauses“ abkauft.

  • Distanz
    06.02.2020, 7:32 Uhr.

    Ein eitler Ex-Papst, der nicht auf seine ehemaligen Privilegien verzichten will, ein Erzbischof im Geltungsstau, der ihn wohl darin bestärkt, um in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gänzlich zu verschwinden, ein fundamentalistischen Kardinal, der wohl noch höhere Ambitionen hat und der amtierende Papst, der sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Eine explosive Mischung.

    • Distanz
      06.02.2020, 8:08 Uhr.

      Die Kardinäle Burke und Müller kaltgestellt, Erzbischof Gänswein „beurlaubt“ (es würde überraschen, wenn er in diesem Pontifikat noch mal zu Bedeutung käme), der emeritierte Bischof von Rom am Ende seines Lebens (wie er selbst sagt) und Kardinal Sarah muss zum 15. Juni 2020 altersbedingt seinen Rücktritt einreichen (die Wahrscheinlichkeit, dass er am 16. noch im Amt ist, tendiert gegen null). Papst Franziskus hat sich durchgesetzt. Ein Glück. Ubi papa ibi ecclesia.

      • neuhamsterdam
        06.02.2020, 19:04 Uhr.

        „muss“
        Muss er das? Das kann ich mir nicht vorstellen. Er „muss“ nicht; wenn er sich traut.
        Alles andere ist Diktatur, darüber sollten wir nachdenken. Wieviel „musste“ man schon im Laufe der Geschichte und nun ist inzwischen die „Mauer“ auch wieder weg. 1000 Jahre, 100 Jahre. Wir müssen.
        Des Menschen Leben währet 70 Jahre, wenn es hochkommt sind es 80. Und wenn einer exkommuniziert wird, dann heisst es im Kleingedruckten: (Vorbehaltlich Gottes Willen).
        Was für Illusionen.

  • Novalis
    06.02.2020, 10:36 Uhr.

    Wir sollten jedenfalls froh sein, dass wir Gänswein, der in seiner Heimatdiözese berechtigt durchgehend verhasst ist, weg ist. Ein Problem weniger.

    • Jürgen Erbacher
      Jürgen Erbacher
      06.02.2020, 18:45 Uhr.

      Wie kommen Sie zu dieser Aussage? Ich kenne viele in seinem Heimatbistum, die das anders sehen. Auch diese Sicht hat ihre Berechtigung.

      • Novalis
        06.02.2020, 21:11 Uhr.

        Ich kenne die Erzdiözese und ihre Kleriker ganz gut. Gänswein war Bischofssekretär von Oskar Saier. In dieser Funktion hat er Anfang der 90er dafür gesorgt, dass der von Saier, Lehmann und Kasper verfasste Hirtenbrief für die Geschieden Wiederverheirateten schneller auf dem Schreibtisch von Joseph Ratzinger lag als auf dem seines Erzbischofs zur Unterfertigung. Das hat man ihm dort flächendeckend nicht verziehen. Und Saier bekam deswegen Herzprobleme und hat ihn infolgedessen nach Rom abgeschoben, unwissend, welch Unheil hier seinen Lauf nehmen würde.
        Die Sicht der anderen hat sicher ihre Berechtigung, wir leben ja in einem Land der Meinungsfreiheit. Da darf man das sagen. Aber es trifft halt nicht zu, dass er dort wirklich gewertschätzt wird. Sogar der große Gisbert Greshake hat nur Verachtung für ihn übrig gehabt. Sonst hätte er ihn kaum in seinem Krimi als Entenbier verulkt.

        • Jürgen Erbacher
          Jürgen Erbacher
          09.02.2020, 18:44 Uhr.

          Ich schätze Gisbert Greshake sehr, aber auch er ist nicht das ganze Erzbistum. Es geht schlicht darum, mehr Differenzierung in die Bewertung von Dritten zu bekommen. Das Leben besteht nicht nur aus Schwarz und Weiß. Das trifft auch auf einen Erzbischof Gänswein zu, auch wenn er jetzt vermutlich Fehler ausbaden muss, die er selbst in den vergangenen sieben Jahren (und mehr) begangen hat.

          • Novalis
            11.02.2020, 8:32 Uhr.

            Auch sein Priesterseminarkollege Nann hat sich eindeutig geäußert, das kann man unter Neues aus Peru von Reinhold Nann nachlesen.

    • BernhardJ
      07.02.2020, 13:47 Uhr.

      Dass meine liebe Exzellenz Gänswein so verhasst ist, hat wohl eher mit der Verkommenheit der Diözese und ihrem, also der Exzellenz, Eintritt für die Wahrheit zu tun. Das Verhalten des „Papstes“ ist abstoßend.

      • Brigitta
        11.02.2020, 19:59 Uhr.

        Hier finde ich Ihre Ausdrucksweise ziemlich gehässig.
        Ich kenne die Diözese etwas, da ich sehr häufig am Bodensee bin und das Konradsblatt seit Jahren regelmäßig und gerne lese.

  • BernhardJ
    07.02.2020, 13:52 Uhr.

    Der „Papst“ hat nicht vergessen, dass ihm bezüglich seinem Katholizität auflösenden Kurs, Erzbischof Georg Gänswein nicht vollumfänglich diente als es um das Buch von Kardinal Sarah zur Unverzichtbarkeit des Zölibates für das katholische Priestertum ging. Diktatorische Charakter verzeihen solche „Untreue“ nicht!
    Kardinal Sarah wird der nächste sein, den der „Papst“ aus dem Amt entfernt.
    Der jesuitische Geist war und ist totalitär, man sieht es heute deutlich. Die jesuitischen Säuberungen werden also weitergehen!
    Ich hoffe und bete, dass Kardinal Sarah und Woelki, die Bischöfe Oster und Vorderholzer dennoch treu zur Tradition stehen, auch wenn ihnen Schlimmes droht.

    • Maria
      10.02.2020, 8:56 Uhr.

      @BernhardJ
      Dass Sie Papst in Anführungszeichen schreiben, aber nur, wenn es um Papst Franziskus geht, sagt doch alles.

  • Student
    07.02.2020, 14:26 Uhr.

    @Novalis:

    Ich weiß nicht, weshalb Sie den Erzbischof so schlecht machen. Wie ich schon vor ein paar Tagen über Kardinal Woelki geschrieben habe ist es auch hier. Man kann die theologischen und kirchenpolitischen Meinungen des Erzbischofs gut finden oder schlecht, aber es gibt doch überhaupt keinen Grund ihn so schlecht zu machen. Das ist unterste Schublade!
    Ich bin Erzbischof Georg Gänswein einmal während eines Ausflugs in Lörrach begegnet, da hat er zum Jubiläum der Pfarrkirche ein Pontifikalamt gefeiert. Da wurde er extra vom dortigen Pfarrer eingeladen. Außer den Gläubigen aus der Pfarrei sind teilweise Menschen aus dem Umland angereist, einige sogar aus Freiburg. Erzbischof Gänswein hat einen wirklich guten und netten Eindruck auf mich gemacht, auch seine Predigt war sehr sympathisch und alles andere als polarisierend.
    Also nehmen Sie doch bitte wahr, dass es neben Ihrer Sicht auf Erzbischof Gänswein noch andere gibt und vielleicht überdenken Sie dann Ihre Haltung. Es hilft doch nichts, sich über bestimmte unangenehme Teile des Episkopats hinwegzusetzen. Das betrifft auch den Synodalen Weg. Die Bischöfe und auch die Laien müssen wie ich meine zuerst lernen kollegial und geschwisterlich miteinander umzugehen. Das gilt sowohl für liberal-progressive, als auch für konservative Teilnehmer des Weges!

    • Novalis
      10.02.2020, 8:22 Uhr.

      „überhaupt keinen Grund ihn so schlecht zu machen.“
      1) Ich mache ihn nicht schlecht. Lesen Sie lieber mal meine postings genau.
      2) Er war als Bischofssekretär seinem Erzbischof gegenüber schlicht illoyal. Das muss auch einfach mal gesagt werden.
      Und es ist nicht nur Gisbert Greshake.

  • Holzum
    10.02.2020, 11:50 Uhr.

    218000 Austritte aus der katholischen Kirche in 2018 warum wohl?

  • Brigitta
    10.02.2020, 14:30 Uhr.

    Ich bin wahrlich kein Freund von Gänswein, schon deswegen, weil er nur zu sehr gerade auf sehr konservativen „katholischen“ Seiten so sehr gelobt wird. Und sein Verhalten in den letzten Jahren war meiner Meinung nach nicht immer korrekt. Ansonsten hat sich der Vatikan hier meines Erachtens sehr korrekt verhalten ohne großes Aufsehen. Das hat nur die Presse im weitesten Sinne getan, wobei hier auf dieser Seite sehr sachlich informiert wurde.

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