Papst Franziskus: Vier unruhige Jahre
Vier Jahre ist er schon im Amt: Papst Franziskus. Die einen sagen, er habe in dieser Zeit viel zu wenig bewegt; die anderen sehen durch seine Worte und Taten die katholische Kirche schwer beschädigt. Der erste Papst aus Lateinamerika polarisiert und regt zu Diskussionen. Seine Wahl vor vier Jahren kam überraschend. Dieses Überraschungsmoment gehört bis heute zu einer Konstante des Pontifikats. Nichts scheint mehr vor Veränderungen sicher und das, obwohl Jorge Mario Bergoglio ein konservativer Katholik ist. Er ist der lebende Beweis dafür, dass Schubladendenken nichts mehr taugt. Der erste nicht europäische Papst verordnet seiner Kirche eine heilsame Unruhe. Dabei lässt Franziskus keinen Zweifel daran, dass er die katholische Lehre nicht reformieren will; aber er will den Umgang damit verändern und die praktische Umsetzung. Regeln und Dogmen sind ihm wichtig; aber im Mittelpunkt steht der Mensch in seiner konkreten Situation. Das ist ein anspruchsvolles Christentum, das er vertritt und das sich nicht im Herunterbeten von Katechismussätzen erschöpft.
Erste Früchte auf nationaler Ebene
Barmherzigkeit, Dialog und Begegnung – das sind drei Schlüsselworte im Pontifikat von Papst Franziskus. Für ihn gibt es keine Denkverbote, denn nur so ist auch ein ehrlicher Dialog möglich. Der muss allerdings von gegenseitigem Respekt geprägt sein und setzt voraus, dass beide Dialogpartner auf einem festen eigenen Fundament stehen. Stimmen diese Voraussetzungen, dann hat Franziskus kein Problem mit dem Dialog mit anderen christlichen Konfessionen, mit den anderen Religionen und Nichtglaubenden. Der Papst ist überzeugt, die persönliche Begegnung hilft, Vertrauen aufzubauen. Was das konkret bedeutet, kann man vielleicht schon in wenigen Wochen sehen, wenn Franziskus nach Ägypten reisen wird und dort mit dem Großscheich der islamischen Al-Azhar-Universität, Ahmed Mohammed al-Tayyeb, zusammentreffen wird. Franziskus selbst hatte eine Visite am Nil vergangene Woche angekündigt, Vatikansprecher Greg Burke bestätigte am Samstag, dass die Planungen laufen, es aber noch keinen offiziellen Termin gibt. Es könnte aber gut sein, dass Franziskus noch im Mai nach Ägypten reisen wird.
Das Stichwort Barmherzigkeit lenkt den Blick auf die innerkirchlichen Diskussionen. Da waren die ersten vier Jahre vom synodalen Prozess zu Ehe und Familie geprägt. Die Debatte ist mit “Amoris laetitia“, dem Abschlusspapier des Papstes, noch lange nicht beendet. Franziskus selbst betont immer wieder, dass es bei pastoralen Fragen keine einfachen Antworten gebe. Entscheidend seien die konkrete Situation und die Gewissensentscheidung des Einzelnen. Er hat auch angekündigt, dass im Rahmen des nächsten synodalen Prozesses zum Thema „Jugend“ das Prinzip der „Unterscheidung“, das aus seiner Sicht für jegliches seelsorgliches Handeln grundlegend ist, noch einmal näher betrachtet und ausgeführt werden soll. Interessant ist beispielsweise, dass die deutschen Bischöfe sich vergangene Woche bei ihrer Frühjahrsvollversammlung auch mit der Frage des Kommunionempfangs bei konfessions-verschiedenen Ehepaaren beschäftigt haben. Ausdrücklich Bezug nehmend auf Papst Franziskus und lehramtliche Texte wie „Amoris laetitia“ wollen die Bischöfe Hilfestellungen geben, um „im seelsorglichen Gespräch die konkrete Situation anzuschauen und zu einer verantwortbaren Entscheidung über die Möglichkeit des Kommunionempfangs des nichtkatholischen Partners zu kommen“. Langsam zahlt sich das beharrliche Reden und Handeln von Papst Franziskus aus. Er will, dass die katholische Kirche durch ihr Handeln und ihre Haltung nicht ausgrenzt, sondern integriert. Das zeigte sich etwa auch beim Papier der Deutschen Bischofskonferenz zu „Amoris laetitia“, das vor wenigen Wochen veröffentlicht worden war.
Politisches Schwergewicht
Politisch hat Franziskus der katholischen Kirche neues Gewicht auf internationaler Ebene verschafft; nicht weil es ihm Spaß macht, Politik zu machen. Nein, seine Motivation ist eine zutiefst christliche. Dem Vorbild des Jesus von Nazareth folgend, stellt er sich auf die Seite der „Verlierer“. Mit deutlichen Worten mahnt er mehr Gerechtigkeit und eine nachhaltige Entwicklung an. Er kennt die negativen Folgen einer Globalisierung, die sich allein am ökonomischen Nutzen orientiert, aus nächster Nähe. Daher ist seine Kapitalismuskritik nicht einfach hohle Theorie, sondern durch konkrete Erfahrungen gedeckt. Allerdings ist sein Blick bei diesem Thema bisweilen etwas einseitig. Die Verantwortung der Mächtigen in Afrika, Lateinamerika und Asien, die durch Korruption und Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft den eigenen Völkern eine bessere Zukunft rauben, spricht er nur selten an. Trotzdem gilt: Seine Stimme hat Gewicht. Franziskus wurde schon nach wenigen Monaten zu einer weltweit anerkannten moralischen Autorität, weit über die Grenzen der katholischen Kirche hinaus.
Es gibt auch nach vier Jahren viele Baustellen, an denen er nicht so recht voranzukommen scheint. Das gilt etwa für die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Franziskus verfolgt hier zwar eine klare Linie und will Aufklärung bis hin zur Verantwortung von Bischöfen in Fällen von Vertuschung und verschleppter Aufarbeitung. Doch der Papst scheint sich letztendlich nicht überall gegen Widerstände durchsetzen zu können – sowohl in der eigenen Kurie als auch im Weltepiskopat. Auch beim Thema Vatikanfinanzen liegt noch vieles im Argen. Zwar hat Franziskus hier entscheidende Reformen vorangebracht. Doch von der viel zitierten Transparenz ist man noch weit entfernt. Jüngst wurde eine Erklärung zu den Bilanzen von Vatikanstaat und Heiligem Stuhl vorgelegt. Ganze vier Zahlen enthielt das Statement.
Kritik am Führungsstil
Kritik wird immer wieder laut an seinem Führungsstil. Er rede ständig von synodalen Strukturen und Beratungen, habe den Vatikan aber ganz auf seine Person als einzigem Entscheider ausgerichtet. Vorbei sind die Zeiten von mächtigen Kardinalstaatssekretären, Präfekten einzelner Kurienbehörden oder gar Privatsekretären. Mehrfach hat Franziskus unmissverständlich erklärt, dass am Ende der Papst aufgrund seiner Vollmachten entscheide. Diese Betonung des Primatsanspruchs geht allerdings einher mit einer starken Dezentralisierung vieler Entscheidungen. Franziskus nimmt die Ortsbischöfe verstärkt in die Pflicht und betont, dass längst nicht alles in Rom entschieden werden muss. Hier muss sich erst noch eine neue Balance finden. Dazu sind vier Jahre zu kurz.
Franziskus hat in vier Jahren viel in Bewegung gebracht. Für grundlegende Reformen ist das Pontifikat allerdings noch zu jung, vor allem weil es Franziskus nicht nur um kleinere kosmetische Veränderungen geht. Sein Anliegen ist eine grundlegende Neuausrichtung der katholischen Kirche, die sich an den Vorgaben des II. Vatikanischen Konzils orientiert.
18 Kommentare
vier gute jahre – denen noch viele folgen mögen.
ad multos annos, papa franzisce!
Doch, Papst Franziskus versucht ähnliches wie der katholische Theologieprofessor Martin Luther 1517. Kein Wunder, hatte man neben der ursprünglich in den Evangelien überlieferten Botschaft, in der rk-Kirche einen ganz eigenen Sonderweg in der Perfektionierung des christlichen Glaubens ´kultiviert´. Der Inhalt von Dostojewski´s Roman „Der Großinquisitor“ drückt das besonders gelungen aus.
Nach 500 Jahren ist ja auch mal ein zweiter Anlauf denkbar, auch nur so mal für Spass und aus Langeweile. Immerhin hatten die Erleuchtungen, das Galileo Galilei mit seiner Aussage das die Erde nicht flach sei, oder der Fall Giordano Bruno, in dieser Konfession fast ebensolange gebraucht.
das gesamte mittelalter hat gewusst, dass die erde eine kugel ist. da haben nämlich alle gelehrte das 6. buch de re publica von cicero gelesen – und dort steht, dass die erde eine kugel ist und das haben die dann brav geglaubt.
o sancta simplicitas.
Frage mich, wie weit Gesprächsbereitschaft zum Dialog akzeptabel ist:
– wenn Franziskus erneut den Grossmufti der Al-Azhar brüderlich umarmt, sollte er daran denken, dass führende Mitglieder dieser Universität Todesfatwas gegen in Deutschland lebende muslimische Wissenschaftler und Journalisten ausgesprochen haben und al-Tayyib als deren vorgesetzter Rektor bis heute nichts dagegen unternommen hat…
– der gleiche Gross-Sheikh hat noch 2002 Selbstmord-Attentate gegen Israel gerechtfertig und vertritt aktuell die abenteuerliche These der IS sei Produkt einer zionistischen(!), also jüdischen Verschwörung, um eine Militärinvasion der USA in Nahost zu rechtfertigen…
– gleichzeitig ist er der ultra-orthodoxen Überzeugung, die Religion stehe über dem Staat, d.h. er redet einer Theokratie wie im IRAN das Wort.
– Fazit: man kann sich vielleicht seine Familie nicht aussuchen, seine Gesprächspartner allerdings schon…
„Was das konkret bedeutet, kann man vielleicht schon in wenigen Wochen sehen, wenn Franziskus nach Ägypten reisen wird und dort mit dem Großscheich der islamischen Al-Azhar-Universität, Ahmed Mohammed al-Tayyeb, zusammentreffen wird.“
Dann kann er ja bei Gelegenheit die Ermordung und Vertreibung von ägyptischen Christen auf der Sinaihalbinsel ansprechen.
Was auffällt, ist, dass der Papst kaum die Länder besucht, in denen viele Katholiken leben. Sein Heimatland hat er gar nicht besucht, und er scheint auch keine Absicht zu haben, es zu besuchen. Manche Beobachter meinen, es hänge mit der konservativ-liberalen Regierung von Präsident Macri zusammen. Wenn das so wäre, wäre es traurig, da ein Papst immer super partes zu sein hat.
Franziskus hat auch unter Präsidentin Kirchner sein Heimatland nicht besucht und da hätte er knapp zwei Jahre Zeit gehabt. Die Situation in Bergoglios Heimat ist sehr verfahren. Das gilt sowohl für die politische als auch die kirchliche. Das konnte ich gerade bei einem mehrwöchigen Aufenthalt in Buenos Aires selbst erleben und in vielen Gesprächen erfahren. Viele Bischöfe sind nicht auf Bergoglios Linie. Immer wieder versuchen Politiker, den Papst für sich zu vereinnahmen. Allerdings gab es Anfang dieser Woche Berichte, dass es vielleicht 2018 mit einem Besuch klappen könnte.
Mit Brasilien, Mexiko, Ecuador, Bolivien, Paraguay und den Philippinen hat Franziskus durchaus schon Länder mit großem Katholikenanteil besucht. Auch in Kenia und Uganda gibt es viele Katholiken. Im Herbst fährt der Papst nach Kolumbien. Von seinem Vorgänger unterscheidet er sich aber ganz klar dadurch, dass er sich nicht auf Europa konzentriert.
Danke für die Antwort, Herr Erbacher.
„Die Situation in Bergoglios Heimat ist sehr verfahren. Das gilt sowohl für die politische als auch die kirchliche. Das konnte ich gerade bei einem mehrwöchigen Aufenthalt in Buenos Aires selbst erleben und in vielen Gesprächen erfahren. Viele Bischöfe sind nicht auf Bergoglios Linie. Immer wieder versuchen Politiker, den Papst für sich zu vereinnahmen.“
Dann wäre ja gerade seine Anwesenheit nötig. Natürlich bedarf es eines Fingerspitzengefühls, sich einerseits gegen Vereinnahmungen zu verwahren und andererseits auf die Bischöfe zuzugehen, die nicht mit ihm auf einer Linie sind. Und natürlich hat sich der Papst aus politischen Fragen, etwa bzgl. der Wirtschaftspolitik der Regierung Macri herauszuhalten. Christentum und Peronismus sind verschiedene Dinge…
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