Woche der Reform
Diese Woche steht der Vatikan einmal mehr im Zeichen der Kurienreform. Seit Montag (bis Mittwoch) berät sich Papst Franziskus mit dem Kardinalsrat K9. Am Donnerstag und Freitag will Franziskus dann die bisherige Arbeit der K9 sowie die anstehende Kurienreform mit allen Kardinälen diskutieren. Über die Beratungen der K9 dringt bisher wenig nach außen. Wie die beiden Beratungstage mit dem Kardinalskollegium ablaufen werden, ist noch offen. Eine detaillierte Tagesordnung gibt es nicht. Vorab haben die Kardinäle ein etwa 30-seitiges Papier (Din A5)geschickt bekommen, in dem der Kardinalsrat seine Arbeit zusammenfasst und erste konkrete Vorschläge macht. Dabei wird deutlich, dass das Gesamtprojekt der Kurienreform noch lange Zeit dauern wird; dass aber einige Überlegungen schon sehr konkret sind und schon in naher Zukunft erste Veränderungen umgesetzt werden könnten.
Was wird aus dem Kulturrat?
Vatikansprecher Federico Lombardi fasste sich kurz beim K9-Briefing: Papst Franziskus hat an allen Sitzungen seit Montagmorgen teilgenommen, und das dürfte auch – mit Ausnahme der Generalaudienz am Mittwochmorgen – für die übrigen Sitzungsteile gelten. Montagmorgen berieten die neun Kardinäle über den „Rechenschaftsbericht“, den K9-Sekretär Bischof Marcello Semeraro am Donnerstag zum Auftakt der Kardinalsversammlung vortragen wird. Montagmittag war der Chef des Päpstlichen Kulturrats, Kardinal Gianfranco Ravasi, zu Gast in der K9. Dabei ging es um die Frage, was bei der anstehenden Kurienreform aus dem Kulturrat werden wird.
Das ist nicht ganz einfach. Während die Fusion einer ganzen Reihe von vatikanischen Dikasterien naheliegend scheint, mehr dazu später, gibt es bei einigen Behörden durchaus große Fragezeichen. Dazu gehört der Kulturrat. Er ist mit seinen zahlreichen Initiativen auf höchst unterschiedlichen Feldern präsent, die Schnittmengen mit verschiedensten Dikasterien aufweisen. Grundsätzlich geht es um den Dialog zwischen Kirche und säkularer Welt, zwischen Kirche und den Nichtglaubenden. Beim Blick auf die verschiedenen Abteilungen des Rats wird aber deutlich, wie schwierig die Abgrenzung ist: Kunst und Glaube, Atheismus (Veranstaltungsreihe „Vorhof der Völker“), Kulturgüter, Kommunikation und Sprache, Kultur, Wirtschaft, Musik, Wissenschaft und Glauben, Kultur und Sport. So gibt es etwa Überschneidungen mit dem Päpstlichen Medienrat und dem Laienrat; für den Dialog mit den Wissenschaften gibt es eigene Päpstliche Akademien. Zugleich sind die Initiativen des Kulturrats in einer Epoche zunehmender Säkularisierung wichtig. Und der Chef, Kardinal Ravasi, ist rührig. Das darf man in Zeiten der Veränderungen und Reformen nicht unterschätzen.
So gehört der Kulturrat zu den komplexeren Themen in der K9. Wenig ist bisher bekannt, was mit den Räten für den Interreligiösen Dialog und der Ökumene sowie dem Justizrat geschehen soll. Am Ende könnten sie als eigenständige Räte erhalten bleiben. Zwar gibt es immer wieder Überlegungen, ein großes Dialogministerium zu schaffen, unter dessen Dach dann die Religionen, die Ökumene und der Dialog mit den Nichtglaubenden zusammengefasst werden könnte. Doch vor allem die Religionen und die Ökumene scheinen doch so disparat zu sein, dass hier die Eigenständigkeit erhalten bleiben dürfte. Auch die zwischenzeitlich einmal angedachte Fusion der drei Gerichte (Rota Romana, Apostolische Signatur und Pönitentiarie) mit dem Justizrat scheint vom Tisch.
Zwei neue Kongregationen
Von den im letzten Abschnitt genannten Räten ist in dem Papier, das den Kardinälen als Vorbereitung für die Beratungen geschickt wurde, keine Rede. Das konzentriert sich auf die Gründung der beiden neuen Dikasterien für „Laien, Familie und Leben“ sowie „Caritas, Justitia et Pax“, Überlegungen zum Staatssekretariat sowie einigen allgemeinen Verfahrensregeln über die Koordination und Kooperation innerhalb der Kurie beziehungsweise Überlegungen zu Personalfragen. Gerade die Planungen zu den beiden neuen Dikasterien, die aus der Fusion von einem halben Dutzend Vatikanbehörden hervorgehen, sind sehr weit fortgeschritten. Wie zu hören ist, wurde in einer Sitzung des Papstes mit den Dikasterienchefs bereits statutenähnliche Ausarbeitungen diskutiert. Auch theologische Profile für die beiden neuen Kongregationen liegen schon vor.
So werden in der Kongregation für Laien, Familie und Leben die bisherigen Päpstlichen Räte für Laien und für Familie aufgehen sowie eventuell die Päpstliche Akademie für das Leben. Die neue Kongregation Caritas, Justitia et Pax sieht zunächst die Vereinigung der beiden Räte Justitia et Pax, dem Sozialministerium, und Cor Unum, dem Entwicklungshilfeministerium, sowie von Caritas Internationalis vor. In einem zweiten Schritt könnten hier später noch der Päpstliche Rat für die Migranten sowie der Rat für die Krankenpastoral mit aufgenommen werden. Innerhalb der neuen Kongregationen gibt es Sekretariate, die für die einzelnen Bereiche wie Entwicklungshilfe, Soziales etc. zuständig sind. Hier könnte beispielsweise auch eine neue Abteilung für Ökologie entstehen, die es bisher als eigenständige Größe in der Kurie noch nicht gibt.
Staatssekretariat oder Papstsekretariat?
Spannend wird es dann bei der Frage, was mit dem vatikanischen Staatssekretariat passiert. Das vereint bisher in sich die Funktionen einer Staatskanzlei, eines Innenministeriums sowie eines Außenministeriums. Hier wird diskutiert, ob einige Kompetenzen aus dem Bereich der 2. Sektion des Staatssekretariats, also des Außenministeriums, wieder in die Veranstwortung einzelner Dikasterien verlagert werden, etwa was die Kontakte zu internationalen Organisationen betrifft. Entscheidender aber dürfte sein, dass das Staatssekretariat, so der Vorschlag der K9 an die Kardinäle, künftig stärker koordinierende Funktion innerhalb der Kurie wahrnehmen soll. Das ist eine Forderung, die seit langer Zeit sowohl aus der Weltkirche aber auch von vielen Mitarbeitern der Kurie selbst angemahnt wird. Man liebäugelt sogar mit einer Namensänderung von Staatssekretariat in Papstsekretariat.
Hier muss man allerdings feststellen, dass es für eine bessere Koordination und Kooperation innerhalb der Kurie streng genommen keine umfassende Kurienreform braucht. Denn bereits die Konstitution Pastor Bonus aus dem Jahr 1988 sieht solche Koordinationsstrukturen vor. Die Frage ist, warum sie von den Päpsten bisher nicht eingefordert und umgesetzt wurden – inklusive Franziskus. In seiner Amtszeit fanden bisher erst drei Kabinettssitzungen statt. Warum organisieren Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin oder der Substitut/Innenminister, Erzbischof Giovanni Angelo Becciu, der nach der Vorstellung der K9 künftig eine Art „moderazione“ in der Kurie übernehmen könnte, nicht längst solche Treffen? Manches von dem, was jetzt in achter Runde in der K9 diskutiert wird und den Kardinälen zum Ende der Woche zur Diskussion vorgelegt wird, könnte schon längst umgesetzt sein. Es wird Zeit zu handeln. Was im vergangenen Jahr nach dem Konsistorium im Februar 2014 mit der Neuorganisation des Finanzwesens angestoßen wurde, muss jetzt auch für andere Bereiche sukzessive folgen. Sonst lähmt der ganze Prozess den Apparat, weil alle auf die große Reform warten, die dann in einigen Jahren mit einem Paukenschlag kommen soll.
P.S. Allerdings kommt auch die Reform der Finanzarchitektur nur mühsam voran. Doch dazu bei Gelegenheit mehr.