Vatikan: Frische Luft und neuer Glanz
Es weht ein frischer Wind im Herzen des Vatikans, genauer gesagt in der Sixtinischen Kapelle, die zudem in neuem Glanz erstrahlt. „Schuld“ ist dieses Mal nicht Papst Franziskus. Schuld sind eher die jährlich sechs Millionen Menschen, die sich durch die wohl bekannteste Kapelle der Welt drängen. Eine neue Klimaanlage musste her. Das nutzte der Vatikan, um gleichzeitig auch die Beleuchtung der Sistina neu zu gestalten, um die berühmten Werke des Michelangelo sowie der Meister des 15. Jahrhunderts noch besser zu schützen. In der vergangenen Woche wurden im Rahmen eines Kongresses die „neue Luft und das neue Licht“ vorgestellt. Drei Millionen Euro kostete das Projekt, finanziert durch Spenden der beteiligten Firmen sowie EU-Fördermittel.
Alternative: Schließen oder neue Technik
Die Vatikanischen Museen gehören mit jährlich rund sechs Millionen Besuchern zu den meistbesuchten Museen der Welt. Und alle wollen die Sixtinische Kapelle sehen. Dort wurde 1993 von einer US-amerikanischen Spezialfirma eine Belüftungsanlage installiert, die für rund 700 Personen, die sich gleichzeitig in der Kapelle aufhalten, konzipiert war. Derzeit sind es in Spitzenzeiten allerdings zwischen 2000 und 2200 Besucher. Der Kohlendioxitausstoß, die Körperausdünstungen sowie die durch die Menschenmenge ansteigende Temperatur setzten aber den Fresken immer mehr zu. Daher sah sich der Vatikan vor die Alternative gestellt, den Zugang zur Sixtinischen Kapelle zu beschränken oder „aufzurüsten“.
Eine Beschränkung kam für die Verantwortlichen nicht in Frage. Als Gottesdienstort und außergewöhnliches Kulturgut sollte jeder Zugang haben. Also musste eine neue Belüftungsanlage her. Das Anforderungsprofil war hoch: Die Anlage musste automatisch die Zahl der Menschen in der Kapelle erfassen können und sich entsprechend selbst regeln, so dass die Temperatur immer zwischen 20 und 25 Grad sowie die Luftfeuchtigkeit konstant bei 50 bis 60 Prozent ist. Die Luftbewegung an den Wänden darf nicht mehr als 0,5 s/m betragen, um die Fresken nicht zu beschädigen. Vier Jahre lang arbeitete die US-amerikanische Spezialfirma an dem Projekt; machte unzählige Computersimulationen, bis schließlich am 17. Juli dieses Jahres die alte Anlage abgeschaltet und drei Monate später die neue in Betrieb ging.
Energieverbrauch gesenkt
Besondere Herausforderung war dabei, dass der Besucherverkehr über die Sommermonate nicht beeinträchtigt werden durfte und natürlich in der Bauphase eine Ersatzanlage verhindern musste, dass dicke Luft in der Sistina herrscht und die Kunstwerke Schaden nehmen. So wurde in den Abendstunden gearbeitet, wenn die Museen für Besucher geschlossen sind. Das gilt auch für den deutschen Hersteller der neuen Beleuchtungsanlage. Mit dieser sollte erreicht werden, dass mit einem geringeren Energieverbrauch, bei einer besseren Ausleuchtung der Fresken diese besser vor Beschädigungen durch das künstliche Licht geschützt werden. Seit den 1980er Jahren wurde die Kapelle durch große Strahler beleuchtet, die außen an den 12 Fenstern der Kapelle angebracht worden waren. Um die Fresken vor ultravioletter Strahlung zu schützen, wurde eine halbtransparente Kunststoffverkleidung vor den Fenstern angebracht, die allerdings auch einen Großteil der Lichtstrahlung abhielt.
Die neue Anlage, die aus rund 7000 LED-Leuchtdioden besteht, spart im „Museumsbetrieb“ 75 Prozent gegenüber der alten Anlage, im sogenannten „Galabetrieb“ sogar 92 Prozent. (Das gilt übrigens auch für die neue Belüftungsanlage, die weit weniger Energie verbraucht als die alte.) Beim Museumsbetrieb werden speziell die Fresken an den Seitenwänden, der Decke sowie Michelangelos „Jüngstes Gericht“ an der Stirnseite beleuchtet. Der Bodenbereich bleibt eher dunkel. Der „Galabetrieb“ ist für Gottesdienste und das Konklave: hier werden auf einem Sims die für die Besucher sonst völlig unsichtbar angebrachten LED-Leuchtkörper automatisch über die Simskante ausgefahren und beleuchten dann den Bodenbereich. Der Vorteil der LED-Leuchten ist, dass es keine ultravioletten und infraroten Strahlungsanteile gibt, so dass ein besserer Schutz der Kunstwerke gewährleistet wird. In einem komplizierten Verfahren werden rote, grüne, blaue sowie warm- und kaltweiße LED-Leuchten gemischt, so dass künftig die Farbvarianzen in den Freskos noch besser zur Geltung kommen sollen als bisher.
Das Beleuchtungsprojekt wurde von der EU mit 1,9 Millionen Euro gefördert aus einem Topf, in dem es um die neuen Möglichkeiten der LED-Technologie in Bezug auf Energieeffizienz und bessere Lichtqualität ging. Der Pressesprecher des deutschen Lichtherstellers bezeichnete das Sixtina-Projekt als „Formel 1-Projekt“. Es sei das wohl bisher anspruchsvollste Projekt für sein Haus gewesen. Doch aus den Erfahrungen lerne man für den künftigen Einsatz der LED-Technologie im Museumsbereich, aber letztendlich auch im Consumerbereich. Entsprechend den Fördervoraussetzungen arbeiteten an dem Projekt Kunst- und Energieexperten aus Ungarn, Spanien und Italien mit dem deutschen Unternehmen zusammen.
Theologisches Programm besser sichtbar
Die Museumsleitung zeigte sich am Ende zufrieden mit den Neuerungen. Professor Arnold Nesselrath, Mitglied im Direktorengremium der Vatikanischen Museen, erklärte gegenüber den Journalisten, dass die neue Technik das theologische Programm der Kunstwerke in der Sixtinischen Kapelle besser zum Ausdruck bringe. Schließlich sei die Sistina nicht nur die Kapelle Michelangelos. Mit der neuen Beleuchtung werde auch der Freskenzyklus an den Seitenwänden ins richtige Licht gerückt. Hier sind Szenen aus dem Leben Mose Szenen aus dem Leben Jesu gegenübergestellt. Damit werde deutlich, dass es sich um ein großes heilsgeschichtliches theologisches Programm in der Sistina handle, so Nesselrath. Die Wandgemälde aus dem 15. Jahrhundert gehören zu den bedeutendsten der Renaissance und sind von den Größten der Zeit geschaffen worden wie Botticelli, Perugino oder Ghirlandaio, geraten aber angesichts der Konzentration auf die Fresken Michelangelos immer gerne in Vergessenheit.
Für die beteiligten Firmen ist das Projekt sicher eine perfekte Werbung für ihre Produkte. Sie nutzten denn auch einen zweitägigen Kongress in der vergangenen Woche in Rom, um ausführlich über die Planungen und die Umsetzung zu berichten. Allerdings dürfte es sich bei dem Projekt wohl um eine Win-Win-Situation für beide Seiten handeln; denn auch der Vatikan sah sich angesichts der großen Besucherzahlen vor die eingangs geschilderte Alternative gestellt. Ein Problem scheint auch durch die neue Technologie nicht gelöst zu sein. Wie im Rahmen des Kongresses deutlich wurde, stellten die Restauratoren der Museen 2010 eine weiße Patina auf den Fresken fest, deren Ursprung bisher noch nicht eindeutig geklärt ist. Dieser Film, der aus Calciumkarbonatablagerungen bestanden haben soll, soll nicht nur durch das Kohlendioxid der Menschenmassen verursacht sein, sondern auch durch die Feuchtigkeit, die durch die Wände der Kapelle nach innen dringt. Die Fresken seien gereinigt worden; doch auch mit der neuen Technik bleibt die Herausforderung, das Weltkulturerbe Sistina für künftige Generationen zu bewahren.