Kein Platz für Frieden!

Es sollte eine Solidaritätsgeste werden; doch angesichts der jüngsten Gewalt in Syrien und im Libanon fällt die für diese Woche geplante Reise einer Vatikan-Delegation in die syrische Hauptstadt Damaskus bis auf Weiteres aus. Zwar dauerten die Vorbereitungen laut Kardinalstaatsekretär Tarcisio Bertone weiter an, doch gebe es derzeit kein Datum für die Reise. Am vergangenen Dienstag hatte Bertone angekündigt, dass auf Wunsch des Papstes eine hochrangige Delegation nach Damaskus reisen werde. Angesichts der Tragödie in dem Nahoststaat und dem Leiden der Bevölkerung wolle die Kirche ein Zeichen der Verbundenheit setzen, so die Begründung. Genauere Informationen gab es nicht. Wen sollte oder soll die Delegation treffen? Hat sie ein politisches Mandat oder handelt es sich um eine reine Solidaritätsreise?

Nach den jüngsten Attentaten vom Wochenende muss der Vatikan die Lage erst neu sondieren. Am Sonntag waren bei einem Anschlag in einem christlichen Viertel der syrischen Hauptstadt Damaskus mindestens 13 Menschen getötet worden. Seit dem Anschlag auf den libanesischen Geheimdienstchef in einem christlichen Viertel von Beirut am Freitag ist die Lage auch im Libanon äußerst angespannt. Droht dort auch ein Bürgerkrieg? Versucht Syrien, das Nachbarland zu destabilisieren?

Benedikt XVI. am 16. September 2012 in Beirut

Es ist erst vier Wochen her, dass Papst Benedikt XVI. dort mit dem Papamobil fuhr, wo jetzt in Beirut Panzer stehen. Was ist geblieben von seiner Friedensbotschaft? Noch klingen seine Worte nach vom Libanon als dem Vorbild für das Zusammenleben von Religionen und Konfessionen, Christen und Muslime. Werden sie jetzt von Gefechtslärm endgültig übertönt? Obwohl auch dem Papst bekannt ist, wie fragil die Machtbalance im Libanon und damit auch der Frieden dort ist, setzt er große Hoffnung in den Zedernstaat. Die nächsten Tage werden zeigen, ob das Modell Libanon auch eine solche politische Krise, wie sie aktuell besteht, überlebt oder doch scheitert angesichts politischer Machtinteressen von außen.

Für die katholische Kirche kommt der Syrienkonflikt, wie schon zuvor die Umwälzungen im Kontext des Arabischen Frühlings, einem Drahtseilakt gleich. In den eigenen Reihen gibt es Unterstützer und Gegner des syrischen Machthabers Assad. So hatte etwa der melkitische Patriarch Gregoire III. Laham in der Vergangenheit mehrfach eine zu einseitige Wahrnehmung Assads als „Bösewicht“ kritisiert. Der Vatikan konzentriert sich bisher stets darauf, eine politische Lösung des Konflikts zu fordern. Deutliche Worte gab es von Benedikt XVI. zu Beginn seiner Libanonreise Mitte September, als er sich für einen sofortigen generellen Stopp von Waffenimporten aussprach. Der Vatikan erscheint aktuell etwas ratlos. Wäre nicht gerade angesichts der neuen Gewaltwelle eine Friedensmission angebracht gewesen?

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.