Heißer Herbst im Vatikan

Im Vatikan haben spannende Wochen begonnen. Von Montag bis Mittwoch tagte die K9 und beriet über die Kurienreform. Fünf Kardinäle haben ein Buch veröffentlicht, in dem sie jegliche Bewegung beim Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene ausschließen. Unter den Kardinälen sind auch die Deutschen Brandmüller und Müller. Kurz vor Beginn der Sondersynode zur Familie bringen sich die verschiedenen Parteien in Position. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, die Synode im Oktober ist eine weitere Etappe auf dem „synodalen Prozess“ zu Ehe und Familie. Entscheidungen wird es frühestens bei der zweiten Synode zum Thema im Herbst 2015 oder gar erst Anfang 2016 geben.

Erste Entwürfe für Kurienreform

Schneller wird es bei der Kurienreform gehen. Hier wurden bei den Beratungen Anfang der Woche bereits erste Schemata für die Veränderungen diskutiert. Dabei fokussierte sich das Gespräch einerseits rund um das Thema Laien und Familie. Hier könnten die bisher bestehenden gleichnamigen Päpstlichen Räte zu einer neuen Kongregation verschmolzen werden. Zweiter Kristallisationspunkt waren die Themen Gerechtigkeit und Frieden, Caritas, Migranten und Gesundheit. Bisher gibt es hier vier eigenständige Päpstliche Räte, die zu einer zweiten neuen Kongregation zusammengefasst werden könnten. Diskutiert wurde bereits der Entwurf einer Einführung einer neuen Konstitution über die Kurie. Vatikansprecher Federico Lombardi stellte in Aussicht, dass nach den nächsten beiden K9-Treffen vom 9. bis 11. Dezember und 9. bis 11. Februar bereits ein kompletter Entwurf für die neue Konstitution über die Kurie vorliegen könnte.

Neben den bereits erwähnten Päpstlichen Räten gibt es noch drei „Dialogräte“ (Kultur, Ökumene, Interreligiöser Dialog) sowie den Rat zur Förderung der Neuevangelisierung, den Justizrat und den Medienrat. Zu den Vatikanmedien soll eine Expertengruppe ja bis zum Jahresende Reformvorschläge machen. Die Gruppe trifft sich kommende Woche erstmals. Papst Franziskus hat auch dieses Mal nahezu die ganze Zeit an den Beratungen der K9 teilgenommen. Vatikansprecher Lombardi kündigte an, dass Franziskus die Reformvorschläge mit den Leitern der Dikasterien beraten werde.

Kardinäle zu wiederverheiratete Geschiedene

Brandmüller, Burke, Caffarra, De Paolis und Müller lauten die Namen der „Kardinalsautoren“, die kurz vor der Synode in einem Buch zusammen mit mehreren Theologen ausführlich darlegen, warum sich an der bisherigen Praxis des Verbots des Sakramentenempfangs für wiederverheiratete Geschiedene nichts ändern kann. Das Buch mit dem Titel „In der Wahrheit Christi bleiben – Ehe und Gemeinschaft in der katholischen Kirche“ liegt bisher nur auf Englisch vor. Am 1. Oktober soll die italienische Version auf den Markt kommen. Eine deutsche Ausgabe wird es ebenfalls ab Anfang Oktober geben. Obwohl die Details des Buches noch nicht bekannt sind, wird in Italien bereits heftigst darüber diskutiert. Kardinal Walter Kasper warnt laut der italienischen Zeitung „Il Mattino“ heute bereits vor einem „theologischen Krieg“ auf der Synode. Die Kritiker seiner Position wollten letztendlich Papst Franziskus treffen, zitiert die Zeitung den deutschen Kardinal.

Kasper hatte auf Wunsch von Papst Franziskus beim Treffen der Kardinäle Ende Februar das Einführungsreferat zum Thema Ehe und Familie gehalten. Darin hat er auch Chancen für eine Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre in Bezug auf wiederverheiratete Geschiedene gesehen. Zwar hält auch Kasper an der Unauflöslichkeit der Ehe fest. Eine zweite Ehe zu Lebzeiten des Partners aus erster Ehe lehnt er ab. Dennoch sieht er Möglichkeiten der Anerkennung einer zweiten Beziehung. Man müsse Lehre und Disziplin unterscheiden. Die Kirchendoktrin sei offen und keine „zu Kristall erstarrte Wahrheit“, so Kasper.

Parallel zu den fünf Kardinälen hat in diesen Tagen auch der Mailänder Erzbischof, Kardinal Angelo Scola einen Artikel zum Thema Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene veröffentlicht. Auch er kommt zu dem Ergebnis, dass keine Änderungen möglich sind. Er empfiehlt, die Ehenichtigkeitsverfahren neu zu ordnen. Ähnlich äußerte sich in diesen Tagen auch der vatikanische Finanzminister, Kardinal George Pell.

Synode muss über mehr Themen diskutieren

Interessant ist, dass gerade die Vertreter, die beim Thema wiederverheiratete Geschiedene den Status quo beibehalten wollen und den Reformen bisher stets vorgeworfen haben, die Synode auf dieses Thema zu fokussieren, jetzt plötzlich mit ihren Beiträgen genau diese Fokussierung verstärken. Als ginge es bei Ehe und Familie nur um dieses eine Thema. Es ist sicherlich ein wichtiges Thema. Doch zeigen das Instrumentum Laboris  und die Ergebnisse der Umfrage, soweit sie bekannt sind, dass es noch ganz andere Aspekte zu diskutieren gilt, wenn es um die Herausforderung der Familienpastoral heute geht. Dazu gehören die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Phänomene wie Migration, die zunehmende Globalisierung und Individualisierung genauso wie die große Zahl der Alleinerziehenden, die zunehmende Zahl der Ehen ohne Trauschein sowie die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften; ganz zu schweigen von dem großen Problem, das das Instrumentum deutlich benennt, dass in der heutigen Zeit nicht mehr klar sei, was „natürlich“ ist. Was ist aber dann mit dem Naturrecht, das für das katholische Lehrgebäude fundamental ist? Hier zeigt sich, es geht auch ganz entscheidend um anthropologische Fragen. Die lassen sich in zwei Wochen im Oktober bei der Sondersynode nicht lösen.

Die Diskussionen dieser Tage unter den Kardinälen sind also nur ein weiterer Schritt auf dem Weg. Auch nach dem 19. Oktober 2014 werden sie weiter gehen. Die Synode wird sich darauf konzentrieren, den Status Quo festzuhalten gleichsam als eine Art Ausgangspunkt für den weiteren Weg. Das wird spannend.

Kommt der Chinas Präsident in den Vatikan?

P.S. Spannend wird übrigens auch,  ob der chinesische Staatspräsident Xi Jinping die Einladung von Papst Franziskus zu Gesprächen in den Vatikan annimmt. Argentinische Medien berichteten in dieser Woche, der Papst habe über argentinische Mittelsmänner Xi ein persönliches Schreiben zukommen lassen. Diese Initiative soll nach der Reise nach Südkorea Anfang September gestartet worden sein. In Seoul hatte Franziskus seine Dialogbereitschaft erklärt und auch seinen Willen bekundet, gerne nach China reisen zu wollen. Ihm gehe es in seinem Bemühen darum, dass die Christen in der Volksrepublik frei ihren Glauben ausüben dürften. Sonst gebe es keine Forderungen, so Franziskus damals. Zu China gibt es keine diplomatischen Beziehungen. Zum einen gibt es immer wieder Streit um die Kompetenzen bei Bischofsernennungen. Zum anderen fordert China, dass der Vatikan seine Diplomatischen Beziehungen zu Taiwan aufgeben müsse. Franziskus lässt sich bei der Chinafrage von seinem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin beraten. Der war im Vatikan über viele Jahre für die schwierigen – mehr oder weniger – inoffiziellen Kontakte zu China verantwortlich und gilt als Experte für das Thema.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.