Die Ungeduld wächst

Sie wollen nicht länger warten, die christlichen Laien mit ihrem Aufruf „Ökumene-jetzt!“, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Und ich kann es verstehen. Denn wenn es bisher Bewegung in der Ökumene gibt, geht es eher in die falsche Richtung. Es wird allerdings nicht viel nutzen, denn der Papst hat bei seinem Besuch in Erfurt im Augustiner-Kloster letztes Jahr sehr deutlich gemacht, dass er Luther zwar schätzt, aber ökumenische „Gastgeschenke“ nicht an der Zeit sind. Einem Druck der Straße – und sei sie noch so prominent – wird sich weder der Vatikan noch der Rat der Evangelischen Kirchen beugen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) spricht bei der Pressekonferenz "Ökumene jetzt!" neben Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker (r.) und Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU, l.).

Zeit für eine gesellschaftliche Debatte

Bundestagspräsident Norbert Lammert will mit seiner Initiative aufrütteln. Es ist keine Aufforderung zum Ungehorsam, aber er ermutigt doch, mehr als bisher gemeinsam zu tun. „In den Gemeinden ist vieles möglich, ohne dass es dafür die ausdrückliche Zustimmung der Kirchenleitungen geben muss“, heißt es in dem Text, der eine gesellschaftliche Debatte lostreten will. Wenn alle Gläubigen tatsächlich mehr Interesse an der Begegnung mit anderen Konfessionen hätten, wäre es insgesamt besser um die Ökumene bestellt.

Meine Erfahrung in den Gemeinden zeigt jedoch, dass es einige Engagierte gibt, denen alles zu langsam geht und die lieber heute als morgen gemeinsam Abendmahl feiern, das Gros der Gläubigen aber die theologischen Argumente für die Trennung ohnehin nicht versteht bzw. sich nicht dafür interessiert. Die Trennlinien laufen vor Ort nicht zwischen den Konfessionen, sondern zwischen Menschen, denen ihr Glaube etwas bedeutet, egal ob katholisch oder evangelisch, und denen, die nur Taufschein- oder Weihnachtschristen sind.

Verhaltene Reaktionen

Erste Reaktionen auf den Ökumene-Aufruf sind kirchlicherseits erwartungsgemäß eher verhalten. Immerhin hat auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch in seiner Erklärung ein Bekenntnis zu ökumenischen Bemühungen abgelegt, er sieht als Weg einen Dialog, der „die Unterschiede in Glaubensfragen in den Blick nehmen, überprüfen und überwinden helfen soll, damit die Sehnsucht der Christen nach Einheit zur Erfüllung kommt“.

Im Vatikan wurde derweil im Schülerkreis von Prof. Josef Ratzinger, heute Benedikt XVI. auch über Ökumene diskutiert. Erörtert wurde u.a. die Frage, ob ein gegenseitiges Schuldbekenntnis geeignet wäre, die Wunden zwischen den beiden Konfessionen zu heilen – eine Idee, die in Hinblick auf das Lutherjahr 2017 vom vatikanischen „Ökumeneminister“ Kardinal Kurt Koch eingebracht wurde. Ob der Papst sich diesem Vorschlag anschließen konnte, ist nicht bekannt – ein symbolisches Zeichen wäre es. Und bis dahin ist es meiner Meinung nach durchaus sinnvoll, der Ungeduld und der Sehnsucht durch eine Unterstützung des Aufrufs Ausdruck zu verleihen.

Weitere Infos zu“ Ökumene jetzt“ auf http://kreuz-und-quer.de/

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Michaela Pilters

Ich leite seit 1985 die ZDF-Redaktion „Kirche und Leben/kath“. Bevor ich zum ZDF kam, war ich bei der Katholischen Nachrichtenagentur in Bonn und beim Hessischen Rundfunk in der Kirchenredaktion - also viele Jahre Erfahrung mit kirchlichen Themen. Mein Studium der katholischen Theologie (Diplom) habe ich in München gemacht.