Der Papst in Belgien – Tag 2
„Wo ist der Platz der Frauen in Ihrer Enzyklika Laudato si?“ Auch am zweiten Tag seines Besuchs in Belgien musste sich Papst Franziskus kritischen Fragen. Begann der Samstag noch eher ruhig mit einem spontanen Frühstück des Papstes mit Bedürftigen in einer Brüsseler Kirche und der anschließenden obligatorischen Begegnung mit dem Klerus, Ordensleuten sowie pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wurde es am Nachmittag beim Treffen mit Studierenden an der Universität Louvain konfrontativer. Diese hatten sich kritisch mit der wohl wichtigsten Enzyklika des Pontifikats auseinandergesetzt und in einem vierseitigen Brief viele Fragen an den Pontifex zusammengetragen. Franziskus ging in seiner Antwort vor allem auf die Fragen zur Rolle der Frau und den Wesensunterschieden von Mann und Frau ein. Die Studierenden applaudierten zwar, doch mehr als die traditionelle Lehre zum Thema hatte Franziskus nicht als Antwort zu bieten. Die Universität distanzierte sich am Abend von den Äußerungen des Papstes.
Frau soll nicht Mann sein
„Gewalt und Ungerechtigkeit wiegen hier schwer, ebenso wie ideologische Vorurteile“, stellte Franziskus mit Blick auf die Rolle der Frau in der Kirche fest. „Die Kirche ist das Volk Gottes, kein multinationaler Konzern. Im Volk Gottes ist die Frau Tochter, Schwester und Mutter. So wie ich Sohn, Bruder und Vater bin. Das sind Beziehungen, die unsere Gottesebenbildlichkeit zum Ausdruck bringen, Mann und Frau, zusammen, nicht getrennt!“ Was für die Frau charakteristisch sei, werde nicht durch Konsens oder Ideologien festgelegt. Die Würde sei durch ein ursprüngliches Gesetz gesichert, „das nicht auf Papier geschrieben, sondern dem Leib eingeschrieben ist“, führte Franziskus weiter aus. Die christliche Kultur entfalte ausgehend von dieser Würde in verschiedenen Kontexten immer wieder aus Neue die Berufung und Sendung des Mannes und der Frau.
Die Frau, so Franziskus, stehe im Mittelpunkt des Heilsgeschehens. Aus dem „Ja“ Marias sei Gott selbst in die Welt gekommen. „Die Frau ist fruchtbare Annahme, Fürsorge, lebendige Hingabe. Deshalb ist die Frau wichtiger als der Mann, aber es ist schlecht, wenn die Frau ein Mann sein will. Nein, sie ist eine Frau, und das wiegt „schwer“, das ist wichtig“, erläuterte Franziskus seine Position. Auf die Frage der Studierenden, warum in der Kirche die Frauen dennoch meist in der zweiten Reihe stehen, ging er nicht ein. Sie hatten in ihrem Brief an den Papst kritisiert, dass er in seiner Enzyklika die Rolle der Frauen völlig vernachlässige, dass diese auch mit Blick auf soziale Gerechtigkeit oft hintanstehen müssten. Das habe am Ende große Auswirkungen auf die Zukunft und die von Franziskus gewünschte nachhaltige Entwicklung: „Die Unsichtbarkeit von Frauen in den sich überschneidenden Dimensionen der kirchlichen Dienste, der sozialen Gerechtigkeit und des Denkens hat Konsequenzen für die Art und Weise, wie wir den ökologischen Wandel leben.“
Mut zur kirchlichen Umkehr
Am Vormittag traf Franziskus in der Brüsseler Herz-Jesu-Basilika, einer der größten Kirchen der Welt, Vertreter des Klerus, der Ordensleute und der pastoralen Dienste. Dabei stellte er fest, die Glaubenskrise des Westens habe dazu geführt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, auf das Evangelium. „Wir haben uns von einem Christentum, das in einem gastlichen gesellschaftlichen Rahmen angesiedelt war, zu einem ‚Minderheitschristentum‘, oder besser, zu einem Christentum des Zeugnisses entwickelt.“ Dies erfordere Mut zu einer kirchlichen Umkehr, „um jene pastoralen Transformationsprozesse in Gang zu setzen, die auch die Gewohnheiten, die Stile, die Ausdrucksweisen des Glaubens betreffen, damit sie wirklich im Dienst der Evangelisierung stehen“. Dieser Mut werde auch von den Priestern gefordert, „nicht einfach ein Erbe aus der Vergangenheit zu bewahren oder zu verwalten“. Sie sollten vielmehr Seelsorger sein und mit dem Volk Gottes gehen. Franziskus betonte, dass in der Kirche Platz für alle sei. Keiner müsse eine Kopie des anderen sein. „Die Einheit in der Kirche ist nicht Gleichförmigkeit, sondern sie besteht darin, Harmonie in der Vielfalt zu finden“, betonte das Kirchenoberhaupt.
Bei dieser Begegnung war auch der Missbrauch noch einmal Thema. Franziskus bedankte sich für das Engagement der Kirche in Belgien. „Missbrauch verursacht furchtbares Leid und Wunden und bedroht auch den Glaubensweg“, stellte er fest. Es brauche sehr viel Barmherzigkeit, um nicht mit einem Herzen aus Stein vor den Opfern zu verharren. Es müsse jede mögliche Hilfe den Opfern angeboten werden. Von den Betroffenen müsse die Kirche lernen, sich zu Dienern aller zu machen. „denn eine Wurzel der Gewalt liegt im Missbrauch von Macht, wenn wir die Funktionen, die wir innehaben, dazu benutzen, andere zu erdrücken oder zu manipulieren“, erklärte der Papst.
Franziskus will Dialog. Doch mit Blick auf die Studierenden in Brüssel ist das am Samstag nur zum Teil gelungen. Der Papst ist nicht wirklich auf deren Fragen eingegangen. Vielleicht müsste der Vatikan ein anderes Format finden, um wirklich eine Diskussion zu ermöglichen. Nichtsdestotrotz bieten solche Termine die Möglichkeit, dem Papst zu zeigen, dass längst nicht mehr überall plausibel ist, was die Kirche lehrt und ein Kirchenoberhaupt schreibt.
3 Kommentare
Als ich die Antworten gelesen habe, die der Papst zur Rolle der Frau in der Kirche (und seiner Meinung nach wohl auch in der Zivilgesellschaft) gelesen habe, ist mir endgültig der Kragen geplatzt. Wir Europäer und besonders Europäerinnen werden wohl mit diesem Papst nicht mehr warm werden und umgekehrt.
Nur gut, dass sich die Universität noch am selben Abend von diesen inakzeptablen Äußerungen distanziert hat. Aber was sagt das über den Zustand der Kirche in Belgien und auch anderen europäischen Ländern aus? Es zeigt deutlich das gestörte Verhältnis der rk Kirche in Europa mit Rom.
Wieso? Sie sind doch sonst so dafür, dass Frauen Frauen und Männer Männer sind und dass Schwule wenn dann ihr Schwulsein zu Hause zeigen und nicht öffentlich und sagen, dass Gender bekloppt ist – das was der Papst da sagt, ist exakt das, was Sie hier im Forum auch immer vertreten.
Frauen und Kirche, ein ewig „neues“ Diskussionsthema. Dabei ist die Kirche schon fast 2000 Jahre alt und es hat sich diese Form der Hierarchie bewährt und ist schon durch viele Stürme gegangen und es gibt diese Struktur immer noch. Wieso soll jetzt vieles plötzlich anders werden, angesichts der Krise der Gleichgültigkeit? Wo sind denn die Modelle, die zeigen, dass das sichtbare Bekenntnis zu Kirche und Glaube durch mehr Frauen in Ämtern zunimmt? Bei den Evangelischen gibt es Pfarrerinnen und diese Konfession beklagt sogar einen prozentuell höheren Prozentsatz an Austritten. Auch die vielstimmigen Evangelikalen sind wohl kein Vorbild für synodal Bewegte, weil die sehr viel konservativeres Gedankengut vertreten. Diese mit Vehemenz geforderten Veränderungen bringen nichts und wenn man meint sie würden was bringen, dann solle das doch endlich vorgelebt werden und nicht nur immer gefordert, damit man sich ein Bild davon machen kann. Ich habe den starken Verdacht, die wissen selber, dass geforderten die Verschlimmbesserungen der Lebenswirklichkeit diametral widersprechen.
Ein Priester, der mir sicher zustimmen würde, ist der Zelebrant des am Sonntag aus Balderschwang übertragenen Gottesdienstes. Nachdem ich zu sehr ins Kreuzworträtsel der Zeitung vertieft war, habe ich mich plötzlich daran erinnert, ich wollte doch die Sonntagsmesse mitfeiern und bekam nur noch den Schluss der Predigt vom passenderweise „eifersüchtigen Gott“ mit. Ich war mir erst nicht sicher, ob das nicht K-TV war, denn die Stimme kam mir sehr bekannt vor (Bildschirm=kaputt=Du sollst dir kein Bild machen) und es war tatsächlich die Stimme von Pfarrer Richard Kocher. Es ist ein engagierter Priester, der seine Überzeugungen glaubwürdig vertritt. Wenn die Kirche mit den Gläubigen zusammen in dieser Form auftritt, dann hat sie eine Zukunft. Ich habe mit gefreut, dass die Messe aus Balderschwang übertragen wurde.
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