Der Papst in Südostasien – Tag 3
Es war ein Tag ganz nach dem Geschmack des Papstes. Am Morgen das interreligiöse Treffen auf dem Gelände der größten Moschee Südostasiens, am Nachmittag ein Gottesdienst mit zehntausenden Gläubigen. Die kleine Herde stärken und den Dialog mit den anderen Religionen ausbauen: Das sind zwei der Hauptziele dieser Reise, des gesamten Pontifikats von Papst Franziskus. Dabei stellte der Pontifex grundlegende Prinzipien des interreligiösen Dialogs auf den Kopf. Die Suche nach Gemeinsamkeiten in der Lehre könne eher hinderlich sein, stellte der Pontifex fest und betonte stattdessen: „Was uns einander wirklich näherbringt, ist eine Verbindung zwischen unseren Unterschieden zu schaffen, darauf zu achten, Bande der Freundschaft, der Aufmerksamkeit und der Gegenseitigkeit zu pflegen.“ Beim Gottesdienst am Nachmittag mahnte er die Zehntausenden, dass der Glaube nicht nur Wort und Idee bleiben dürfe, sondern sich im Leben konkret zeigen müsse. Es gehe darum, „das Risiko einzugehen, die Liebe zu leben, die er [Christus,] zuvorderst uns gelehrt und vorgelebt hat.
Keine Gewalt im Namen der Religion
Es ist die größte Moschee Südostasiens, die Franziskus am Donnerstagmorgen in Jakarta besuchte. Allerdings betrat er das bis zu 125.000 Gläubige fassende Gebäude nicht. Das interreligiöse Treffen fand in einem Zelt auf dem Gelände der Moschee statt. Warum der Pontifex nicht wenigstens einen kurzen Blick in das beeindruckende und in vielen architektonischen Elementen symbolhafte Gebäude warf, lies der Vatikan offen. Auch besuchte er den „Tunnel der Freundschaft“ nicht, der die Moschee mit der benachbarten katholischen Kathedrale verbindet. Hier war aus Delegationskreisen zu hören, dass Sicherheitsgründe dagegensprachen. Immerhin segnete Franziskus den Gang und der vatikanischen Tageszeitung L’Osservatore Romano war er die Schlagzeile wert: „Vom Tunnel des Kriegs zu dem der Freundschaft“.
Herzlich, beinahe zärtlich, war die Begrüßung von Papst und Großimam der Istiqlal-Moschee, Nasaruddin Umar. Franziskus weiß um die Macht der Bilder. Deshalb sind ihm solche Momente vertrauten Miteinanders unter Religionsführern wichtig. Das sind die Bilder, die er in die Welt schicken möchte: trotz Unterschiede ist ein respektvoller Umgang möglich. Der Großimam betonte dann auch, dass die Istiqlal-Moschee ein Ort sei, um die religiöse Toleranz und die moderaten Kräfte in Indonesien zu fördern. Papst und Groß-Imam unterzeichneten eine Erklärung, die die Vertreter der verschiedenen Religionen in Indonesien gemeinsam ausgearbeitet hatten. Darin bezeichnen sie die zunehmende Gewalt und den Klimawandel als aktuell größte Herausforderungen. Sie kritisieren, dass weltweit bei Konflikten häufig die Religion instrumentalisiert werde.
Fundamentalismus widerstehen
Franziskus mahnte in seiner Ansprache: „Möge niemand den Verlockungen des Fundamentalismus und der Gewalt erliegen, stattdessen sollen alle vom Traum einer freien, geschwisterlichen und friedlichen Gesellschaft und Menschheit fasziniert sein!“ Zwei Gedanken des Papstes sind interessant. Anknüpfend an das Bild des „Tunnels der Freundschaft“ unterscheidet er zwischen dem Religiösen an der Oberfläche, den Riten, Praktiken, Gewohnheiten, die je nach Religion unterschiedlich sind und geschützt sowie respektiert werden müssten. Hier klingt das Thema Religionsfreiheit an. Dann gebe es aber auch etwas unter der Oberfläche und hier sieht Franziskus eine große Gemeinsamkeit: die Suche nach dem Göttlichen, nach dem Unendlichen. „Wenn wir in die Tiefe gehen und erfassen, was im Innersten unseres Lebens vor sich geht, wenn wir das Verlangen nach Fülle wahrnehmen, das in der Tiefe unseres Herzens wohnt, dann entdecken wir, dass wir alle Geschwister sind, alle Pilger, alle auf dem Weg zu Gott, jenseits dessen, was uns unterscheidet.“
Und schließlich der Gedanke, dass beim interreligiösen Dialog nicht unbedingt die Suche nach Gemeinsamkeiten in Lehre und Tradition weiterhelfen kann. Die könne sogar dazu führen, ist Franziskus überzeugt, „dass ein solcher Ansatz uns am Ende auseinander bringt, weil die Lehren und Dogmen einer jeden Religion unterschiedlich sind“. Was die Religionen einander wirklich näherbringe, „ist eine Verbindung zwischen unseren Unterschieden zu schaffen, darauf zu achten, Bande der Freundschaft, der Aufmerksamkeit und der Gegenseitigkeit zu pflegen“. Franziskus setzt auf das Miteinander in der Praxis, das aus seiner Sicht helfen kann, Vorurteile abzubauen und gemeinsam an einer geschwisterlichen Zukunft zu arbeiten. Ein konkretes Beispiel sind die Projekte von „Scholas occurentes“. Am Mittwoch hatte sich der Papst mit Jugendlichen getroffen, die hier engagiert sind.
Großes Glaubensfest
Der Besuch in Indonesien endete am Donnerstagabend mit einem großen Bad in der Menge. Die Strapazen der Reise schienen vergessen, als Franziskus mit dem Papamobil durch zwei Sportstadien fuhr und auf 100.000 begeisterte Menschen traf. Die Katholiken sind mit drei Prozent eine kleine Minderheit in Indonesien. Die Botschaft des Pontifex: das Wort hören und das Wort leben. Offen sein für die Botschaft Gottes und dann das eigene Leben entsprechend gestalten. Dabei gehe es nicht darum, „das Gewand einer äußerlich perfekten Religiosität anzulegen, außergewöhnliche Dinge zu tun oder großartige Heldentaten zu vollbringen“. Franziskus ermutigte die Gläubigen, sich durch Rückschläge nicht entmutigen zu lassen. „Wir können es immer wagen, aufs Meer hinauszufahren und unsere Netze erneut auszuwerfen, auch wenn wir eine Nacht des Scheiterns durchgemacht haben, eine Zeit der Enttäuschung, in der wir nichts gefangen haben.“
Mit dem interreligiösen Treffen am Morgen hat Franziskus einmal mehr ein deutliches Zeichen gesetzt. Für ihn gibt es keine Alternative zum Dialog auf Augenhöhe.
2 Kommentare
Kernig hat es unser Papst einmal zusammengefasst: Das Leben kommt vor der Lehre – und es gibt die Anekdote, dass er mit Mühe davon abgebracht worden ist, Amoris laetitia nicht „Dilige et, quod vis, fac“ (Liebe und tu, was du willst – ein Augustinuszitat) zu nennen.
In der Tat, zum friedlichen Dialog auf Augenhöhe gibt es keine Alternative. Sogar kleinere Geister wussten das schon. So hat J. Ratzinger auf die Frage, wieviele Wege zu Gott es gebe, schon wahrheitsgemäß geantwortet, soviele, wie es Menschen gebe.
„die Liebe zu leben, die er Christus zuvorderst uns gelehrt und vorgelebt hat“ – braucht es mehr, um Christ*in zu sein?
„Sogar kleinere Geister wussten das schon“ Kürzlich habe ich in einem Buch den interessanten Begriff „Mikroaggression“ gelesen. neuhamsterdam ist entschieden gegen Mikroaggressionen, man fühlt sich dadurch irgendwie niedergeschlagen und kann es nicht wirklich einordnen. Habe ich nahe am Thema geschrieben? Kann sein, dass es genau der zentral Punkt ist bei der ganzen Diskussion um Toleranz und Vielfalt. Die einen verhalten sich unterbewusst ablehnend, wenn sie sich durch diese Moderne überfordert fühlen. Die anderen aber weil sie es gelernt haben, wie subtile Abwertung anzuwenden ist und den überforderten „Intoleranten“ zeigen wollen, wie sie auf diejenigen wirken, die Vielfalt und Toleranz einfordern. Interessant, das heißt, dahinter steht ein pädagogisch wertvolles Bedürfnis. Selbst wenn ein Niederbayer diese hinterkünftige Vorgehensweise durchschauen würde, was er gar nicht will und wohl auch nicht kann, dann würde er nach langem Nachdenken zum Schluss kommen und sagen, auf solche gefühlsmathematischen Spinnereien können auch nur de Breissn kommen, denen, als sie in Straubing über die Brücke gingen, da Wind af oamol an Huat owagrissn hod. Eines muss ich noch schreiben: Es ist schon schlimm genug 24/7 von allen Seiten subtil belehrt zu werden, was ich aber weder akzeptiere noch verstehe ist, warum das durchschaubar vorsätzlich geschieht. Ja, werde ich denn an Toleranz und Verstand minderbemittelt wahrgenommen, dass man mir Lektionen meint erteilen zu müssen? Das werde ich erst grad extra nicht kapieren.
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