Synode öffnet viele Türen

Alles liegt auf dem Tisch am Ende der ersten Synodenversammlung zur „Synodalität“. Das Abschlussdokument zeigt, dass es nicht nur um Strukturfragen ging bei den Beratungen in den vergangenen vier Wochen. Auf den 37 Seiten finden sich die Anfrage an den Pflichtzölibat genauso wie das Frauendiakonat, Fragen zu Anthropologie und Sexualität, eine stärkere Regionalisierung der Kirche bei Entscheidungen, eine Rechenschaftspflicht für Bischöfe und immer wieder die Stichworte „Partizipation“ und „Mitverantwortung“ von Laien. Wiederholt wird auf den Missbrauchsskandal Bezug genommen und dabei auch von „strukturellen Bedingungen, die diese Missstände ermöglicht haben“, gesprochen. Alle Punkte haben die Hürde der Zweidrittelmehrheit der Versammlung genommen. Das Papier eröffnet viele Möglichkeiten, entschieden ist noch nichts. Das passiert frühestens nach der nächsten Synode im Oktober 2024. An vielen Stellen gibt die Synode aber Aufträge an Theologen und Kirchenrechtler, entsprechende Änderungen vorzubereiten.

Zum Abschluss kam ein Abstimmungsmarathon – alle Punkte kamen ins Ziel. (Quelle: Erbacher)

Aufträge an Theologen und Kirchenrechtler

Mit Spannung waren die Abstimmungen am Samstagnachmittag erwartet worden. Insgesamt gab es rund 270 Einzelpunkte abzustimmen, die in 20 Themen gegliedert waren. Notwendig war, wie schon bei früheren Synoden, eine Zweidrittelmehrheit der Synodalen. Neu war, dass erstmals 80 Nicht-Bischöfe mit abstimmen durften. Das sorgte während der Synode immer wieder für Unruhe in der Synodenaula. Vor allem konservative Bischöfe sahen dadurch den Charakter der Versammlung als Bischofssynode gefährdet und zweifelten die Legitimität an. Doch der Papst und sein Staff machten wiederholt deutlich, dass alles mit rechten Dingen zugehe. Hier erteilt die Synode im Abschlusspapier den Auftrag für kirchenrechtliche Studien und Veränderungen, um die Idee der Synodalität mit der traditionell hierarchisch verfassten Kirche in Einklang zu bringen.

Dass die Synode sich den Fakt von strukturellen Ursachen für Missbrauch und Verletzungen in der Kirche mit 340 Ja- und nur vier Nein-Stimmen zu eigen macht, ist ein wichtiger Punkt. Denn hier handelt es sich um ein Gremium bestehend aus Vertretern aus der ganzen katholischen Weltkirche, nicht nur der Papst, nicht nur eine Bischofskonferenz. Auch wenn das Papier keine juristische Validität besitzt, ist das ein starkes Zeichen. Synodale berichten, dass der Missbrauch in seinen unterschiedlichen Formen in den vier Wochen sehr oft thematisiert wurde von Vertretern aller Kontinente. Im Abschlussdokument wird er mehrfach erwähnt. Dabei ist die Perspektive immer die, dass die Kirche hier bei der Aufarbeitung längst nicht am Ziel ist. „Sexueller, machtpolitischer und wirtschaftlicher Missbrauch verlangt nach wie vor nach Gerechtigkeit, Heilung und Versöhnung.“ (9f) Die Kirche habe „noch einen weiten Weg zu Versöhnung und Gerechtigkeit vor [sich], der es erforderlich macht, die strukturellen Bedingungen, die diese Missstände ermöglicht haben, anzugehen und konkrete Gesten der Buße zu setzen.“ (1e)

Mehrfach wird die Änderung des Kirchenrechts gefordert. An mehr als einem Dutzend Stellen verweist das Dokument darauf, dass Theologen und Kirchenrechtler nun vertiefte Studien anstellen müssten. Dazu zählen etwa die Themen eucharistische Gastfreundschaft (7i) oder die Bedeutung des „sensus fidei“ sowie des „consensus fidelium“. Letzterer sei ein sicheres Kriterium, „um festzustellen, ob eine bestimmte Lehre oder Praxis zum apostolischen Glauben gehört“ (3c). Spannend wird es auch bei Fragen wie der Rechenschaftspflicht von Bischöfen (12j) oder wie das Verhältnis von Kollegialität im Bischofsamt einerseits und Diversität in Fragen von Theologie und Pastoral zusammenpassen können (12h). Dies ist ein Beispiel, bei dem die Frage der Vielheit in der katholischen Kirche zur Sprache kommt und die an vielen Stellen mit Stichworten wie Dezentralisierung oder einem möglichen Zusammenschluss von Bischofskonferenzen auf regionaler oder kontinentaler Ebene mit Inhalt gefüllt wird. Die Versammlung zeigt sich zuversichtlich, dass die Gefahr der Uniformität und des Zentralismus in der Kirchenleitung auf diese Weise [der stärkeren Regionalisierung] vermieden werden kann.“ (19d) An anderer Stelle wird inhaltlich argumentiert. „Die Bedeutung und die Prioritäten variieren von Kontext zu Kontext, und dies erfordert die Identifizierung und Förderung von Formen der Dezentralisierung und zwischengeschalteten Instanzen.“ (5g)

Votum für Frauendiakonat

Beim Thema Frauen gab es zu einzelnen Passagen die meisten Gegenstimmen bei der Abstimmung am Abend – speziell beim Thema Frauendiakonat. Mehr als Zweidrittel der Synodalen stehen positiv dazu, knapp 70 der Anwesenden nicht. Das Frauenpriestertum findet keine Erwähnung im Abschlussdokument, obwohl es mehrfach in den Debatten thematisiert wurde. Wurde es in dieser Frage versteckt: „Wie kann die Kirche mehr Frauen in bestehende Rollen und Ämter einbeziehen?“ (9i) Mit Blick auf das Frauendiakonat baut man auch schon vor und stellt die Frage: „Wenn neue Ämter benötigt werden, wer ist für die Entscheidungsfindung verantwortlich, auf welcher Ebene und in welcher Weise?“ (9i) Könnte es dazu also regionale Lösungen geben, wie beim Ständigen Diakonat der Männer? Diesen gibt es nur auf Antrag einzelner Bischofskonferenzen in dem jeweiligen Land.

Die Synode stellt fest, „wenn Würde und Gerechtigkeit in den Beziehungen zwischen Männern und Frauen in der Kirche verletzt werden, wird die Glaubwürdigkeit der Verkündigung, die wir an die Welt richten, geschwächt“. (9g) Es sei dringend notwendig, dass die Frauen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden und „verantwortlich Aufgaben in der Pastoral und Amt übernehmen“. (9m) Frauen müssten stärker in die Ausbildung des Klerus eingebunden werden und sollten in allen juristischen Prozessen der Kirche Richter sein können. Mit Blick auf Frauen allgemein, dann aber noch einmal auf Ordensfrauen im Besonderen, wird ein entschiedenes Handeln gegen Missbrauch gefordert.

Sexualität – schwieriges Thema

Am schwersten tat sich die Synode beim Thema Homosexualität und LGBTQ+. Beide Themen wurden wiederholt diskutiert. Beide finden sich aber wörtlich nicht im Abschlussdokument. Verklausuliert kommen sie im Kapitel „Kirchliche Unterscheidung und offene Fragen“ vor. Da ist von „Themen im Zusammenhang mit Körperlichkeit und Sexualität“ die Rede, die kontrovers innerhalb der Kirche seien. Hier sei es notwendig, „im Lichte des Wortes Gottes und des Lehramtes“ eine breitere Diskussion zu führen. „Um zu vermeiden, dass man sich in die Bequemlichkeit konventioneller Formeln flüchtet, muss ein Vergleich mit der Sichtweise der Human- und Sozialwissenschaften, der philosophischen Reflexion und der theologischen Ausarbeitung angestellt werden.“ (15c) Die Synode schlägt vor, gerade diese Themen, die mit Blick auf Lehre, Pastoral und Ethik umstritten sind, jetzt zu bearbeiten. (15k)

Auch mit Blick auf eine „Kirche, die hört und begleitet“ werden zum einen die Betroffenen von Missbrauch, aber auch die Personen, die sich von der Kirche marginalisiert oder ausgegrenzt fühlen aufgrund ihrer Ehesituation, der Identität oder Sexualität noch einmal eigens erwähnt. „Ihre Würde muss verteidigt werden“. (16h) Die Betroffenen werden damit nicht zufrieden sein, wollen sie zwar durchaus gehört, aber eben nicht nur begleitet werden, sondern voll anerkanntes Mitglied der Kirche sein. Und dafür braucht es eine Anerkennung ihrer Lebenssituation, nicht ein mitfühlendes Begleiten.

Regionalisierung kommt

Mit am stärksten sind die Passagen, in denen es um Mitbestimmung und Mitverantwortung durch Laien geht sowie Fragen der Dezentralisierung. Wie zu hören ist, gab es am Rande der Synode ein Treffen der Vorsitzenden der Bischofskonferenzen, die bei der Versammlung anwesend waren. Dort wurde das Thema Regionalisierung diskutiert. Es könnte durchaus sein, dass parallel zum allgemeinen Synodalen Prozess auf diesem Feld bereits sehr konkrete Vorarbeiten geleistet werden, um nach der nächsten Synode sehr schnell Fakten schaffen zu können. Dabei denkt man im Umfeld des Papstes nicht nur an kontinentale Zusammenschlüsse der Bischofskonferenzen, sondern eine noch stärkere Regionalisierung. So könnte es in Europa einen west- und einen osteuropäischen Zusammenschluss geben vergleichbar mit der Situation in Afrika, wo es ebenfalls auf kontinentaler Ebene mehrere Verbünde gibt. In Gesprächen wurde in den vergangenen Wochen zudem immer wieder auf das Instrument der „Kirchenversammlung“ verwiesen, das jüngst auf Betreiben von Papst Franziskus für das Amazonasgebiet geschaffen wurde. Dort sind Laien und Bischöfe vertreten. Das könnte eine Blaupause sein für andere kontinentale, partizipative Versammlungen.

Interessant ist, dass die Frage, ob im Lichte des II. Vatikanischen Konzils die Prälaten in der Römischen Kurie wirklich zu Bischöfen geweiht werden sollten, 44 Gegenstimmen bekam. Das ist einer der höchsten Werte. Abgesehen davon steckt in dem Papier viel Potential. Der Generalrelator der Synode, Kardinal Jean-Claude Hollerich, stellte nach der Abstimmung fest, die Voten zeigten, dass es weniger Widerstand gebe als angenommen. Allerdings ist es noch ein weiter Weg bis zu wirklichen Veränderungen. Jetzt müssen die Inhalte diskutiert und theologisch fundiert werden. Viele Punkte sind so offen formuliert, dass in der Detailarbeit noch große Hürden auftauchen können. Die Grundrichtung, in die der Papst möchte, ist klar. Vieles ist möglich nach dieser Synode. Entscheidend wird sein, wie die einzelnen Player damit umgehen. Es gibt die Möglichkeit, Kritik zu üben, weil der Papst und die Versammlung nicht durch die vielen offenen Türen gegangen sind, die das Papier aufzeigt. Doch das war nicht Ziel des Treffens. Es gibt aber auch die Möglichkeit, an der Gestaltung der offenen Räume konstruktiv mitzuarbeiten und so Veränderungen den Weg zu bereiten.

P.S. Die Zahlen in Klammer verweisen auf die Abschnitte im Schlussdokument.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

2 Kommentare

  • Silvia
    29.10.2023, 16:29 Uhr.

    Lieber Herr Erbacher,
    auf katholisch.de habe ich gelesen, dass es vor dem 2. Synodenteil im Oktober 2024 wohl noch einmal Treffen auf kontinentaler Ebene geben soll. Wissen Sie darüber Näheres?

    Interessant, dass ausgerechnet ein mögliches Frauendiakonat die meisten Gegenstimmen bekommen hat. Das lässt tief blicken. Zumindest habe ich das auf katholisch.de gelesen.

    • Jürgen Erbacher
      Jürgen Erbacher
      30.10.2023, 6:24 Uhr.

      Aktuell ist noch nicht klar, ob es kontinentale Versammlungen in der Zwischenzeit geben wird. Das ist u.a. auch eine logistische und finanzielle Herausforderung und Frage. Für Afrika ist wohl ein Treffen der Delegierten vorgesehen. Für Europa gibt es noch keine Entscheidung.

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