Synodale sind keine PCs
Seit einer Woche beraten die knapp 370 Synodalen im Vatikan und kaum etwas dringt nach außen. Entsprechend ruhig ist es in der allgemeinen Medienlandschaft. In kirchlichen Kreisen werden die wenigen Infos, die es gibt, aufmerksam verfolgt. Während viele Medienschaffende noch immer mit der restriktiven Informationspolitik hadern, wittern vor allem die Medienleute, die sehr konservativen katholischen Kreisen nahestehen, allenthalben eine geheime Agenda, die der Papst und seine Getreuen versuchten durchzudrücken. In der Aula kommt unterdessen die ganze Bandbreite der Positionen zum Ausdruck, die es bei einzelnen Themen gibt. Dabei wird in allen offiziellen Briefings und auch inoffiziellen Gesprächen am Rande der Synode deutlich, es geht nicht um die Lehrfragen, sondern darum, wie diese künftig diskutiert werden können. Ein Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die vernehmbaren Äußerungen – und das scheint das zentrale Anliegen des Papstes zu sein: Die katholische Kirche muss lernen, dass eine Vielfalt möglich ist, ohne dass dadurch die Einheit verloren geht.
Konservative wittern Manipulation
Diese Synode ist anders als alle bisherigen. Das fängt bei der Sitzordnung an, die nicht mehr streng hierarchisch von Kardinälen über Bischöfe bis zu den Laien organisiert ist. Die Synodalen sitzen gemischt an runden Tischen. Hierarchie spielt hier keine Rolle. Alle sind gleich. Darauf hatte Kardinal Jean-Claude Hollerich, der Generalrelator der Synode, bei der Eröffnung hingewiesen. Im Verlauf der Veranstaltung ändern sich die Kleingruppen mehrfach, so dass die Einzelnen sich immer wieder mit neuen Stimmen, Kontexten sowie Positionen auseinandersetzen müssen und diese kennenlernen können. Die Ergebnisse aus den Kleingruppen, die dort mit Mehrheit verabschiedet wurden, werden anschließend im Plenum vorgestellt. Auffallend oft sind dem Vernehmen nach Frauen die Berichterstatter aus den Circoli minori. Einzelvoten als Ergänzung sind jederzeit möglich und müssen auch berichtet werden.
Die Kleingruppen sind entlang von Sprachen organisiert sowie anhand von thematischen Präferenzen, die die einzelnen Synodalen im Vorfeld angeben mussten. Das Instrumentum laboris ist in viele Unterkapitel aufgeteilt und die Synodalen haben ausgewählt, bei welchen Fragen sie mitarbeiten möchten. Die Einteilung wurde anschließend vom Synodensekretariat vorgenommen. Hier witterten die sehr konservativen Kreise ein Einfallstor für Manipulation. Doch laut Synodensekretariat wurde jede und jeder den Kleingruppen zugeteilt, die sie selbst gewählt hatten. Außerdem kann jede und jeder Synodale im Plenum noch einmal frei sprechen zu jedem Thema. Bis Mittwochmittag hatten knapp 150 Synodale davon Gebrauch gemacht.
Diverse Meinungen, keine Polarisierung
Nachdem es in den ersten Tagen vor allem darum ging, dieses Verfahren einzuüben anhand von sehr allgemeinen Fragen zum bisherigen Verlauf des weltweiten Synodalen Prozesses zur „Synodalität“, wird seit Montag das Thema „Gemeinschaft“ bearbeitet. Was sich wie ein einfaches Thema anhört, birgt dann doch Zündstoff. Die Frage ist, wer gehört dazu? Und was bedeutet es, wenn Papst Franziskus eine „Kirche für alle“ will. Da wird im Plenum deutlich, dass es etwa rund um den LGBTQ+-Komplex sehr unterschiedliche Positionen gibt. Nach den Worten des vatikanischen Medienministers, Paolo Ruffini, gebe es aber keine Polarisierung der Synode. Auch andere Mitglieder der Versammlung berichten, dass trotz gegensätzlicher Positionen das Gesprächsklima von der so viel propagierten „Haltung des Zuhörens“ geprägt sei. Zudem betonen die leitenden Köpfe der Synode, wie etwa Kardinal Mario Grech, der Generalsekretär der Synode, dass unterschiedliche Positionen nichts Schlimmes seien.
Immer wieder fiel in der Synodenaula der Vergleich mit der Familie. Auch dort gebe es unterschiedliche Ideen oder Vorstellungen und dennoch gehöre man zusammen. Vereinzelt wurde vorgeschlagen, statt des schwer verständlichen und eher technischen Begriffs der Synodalität für das neue Miteinander zwischen Hierarchie und Volk Gottes das Bild der Familie zu benutzen. Dieses neue Miteinander einzuüben, brauche Zeit, erklärte der Erzbischof von Québec, Kardinal Gérald Cyprien Lacroix, bei einem Pressebriefing. Die Synodalen seien keine PCs, bei denen man über Nacht ein Update machen könne. Jeder habe selbst Widerstand, es gebe bei anderen Widerstand und deshalb brauche es Zeit. Lacroix schilderte beim Briefing eine Erfahrung, die auch andere Synodale berichten. In der Aula sprechen Menschen aus der ganzen Welt, jede und jeder authentisch über die eigene Situation der Gesellschaft und der Kirche in seiner Heimat. Das sei etwas anderes, als wenn über Medien vermittelt Erfahrungen geteilt würden.
Kein Zurück mehr
Am Ende der ersten Woche ist noch völlig offen, wohin die Reise geht. Es handelt sich um einen Prozess mit mehr oder weniger offenem Ausgang. Es ist einzig klar, der Papst möchte einen anderen Modus bei der Beratung und Entscheidungsfindung in der katholischen Kirche. Wie dieser genau aussieht, ist offen. Offen ist auch, ob Franziskus bei denen, die am Ende wirklich entscheiden, etwas ändern möchte. In seinen Reflektionen zur Synodalität in den vergangenen Jahren findet sich die Idee, dass möglichst viele gehört werden und sich an den Beratungen beteiligen sollen, am Ende aber der Papst, der Bischof oder der Priester entscheidet. Ob sich das durchhalten lässt, muss sich zeigen. Eines machte Franziskus in einem spontanen Redebeitrag am Samstag deutlich: er möchte nicht hinter das zurück, was mit dem aktuellen synodalen Prozess erreicht ist. Das hörte sich beinahe so an, als hätte die Bischofssynode in ihrer klassischen Form keine Zukunft mehr. Ob das so kommt, bleibt abzuwarten. Eines ist nach der ersten Woche aber nach wie vor sicher: alle zittern, die einen, weil sie weitgehende Veränderungen befürchten, die anderen, weil sie Angst haben, dass die Veränderungen nicht weit genug gehen.
4 Kommentare
Bischof Mayer aus Augsburg kann wegen Corona bis auf Weiteres nicht an der Synode teilnehmen.
Auch drei weitere Synodale fallen aus demselben Grund aus.
ENTWICKLUNG UND ERPROBUNG EINER KIRCHENSYNODE
„… hörte sich beinahe so an, als hätte die Bischofssynode in ihrer klassischen Form keine Zukunft mehr.“ (Erbacher)
Franziskus hat die klassische Bischofssynode revolutioniert. War diese unter Johannes Paul II. noch eine Art Claqueur-Veranstaltung, so gab Franziskus zur Eröffnung der Bischofssynode 2014 als Maxime vor, alles zu sagen, „wozu man sich im Herrn zu sprechen gedrängt fühlt: ohne menschliche Rücksichten, ohne Furcht!“
Der nächste große Schritt passierte im März 2020 als der Papst die lokale römische Bischofssynode dezentralisierte und globalisierte. Alle sollten gehört werden, und aus der stationären Bischofssynode wurde ein 3-stufiger WELTKIRCHLICHER SYNODALER KOMMUNIKATIONSPROZESS, der auf drei Jahre angelegt war. Nach der teilkirchlichen Phase begann ab September 2022 die kontinentale Etappe, die in der aktuell stattfindenden Weltsynode in Rom gipfelt und ein Jahr später zu synodal errungenen Ergebnissen führen soll.
Die neuen päpstlichen Richtlinien für Bischofssynoden von 2018 ermöglichten, dass an den teilkirchlichen und kontinentalen Beratschlagungen auch Nicht-Bischöfe – Priester, Diakone, Ordensleute, weibliche und männliche Laien – teilnahmen. (Episcopalis communio, Nr. 8) Es war nur konsequent, dass Franziskus die Einbindung von Lai:innen auf nationaler und kontinentaler Ebene auf die römische Weltsynode ausdehnte. So verfügte er im April 2023, dass bei der synodalen Versammlung im Oktober bis zu 25 Prozent der stimmberechtigten Mitglieder Nicht-Bischöfe sein werden, die Hälfte davon Frauen.
Im Vorbereitungsdokument der Bischofssynode „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission“ hatte Franziskus 2021 die Fragen aufgeworfen: „Welche Formen einer breiten Beteiligung engagierter Gläubiger gibt es in unserer Kirche? Welche sollte es geben? … Wie und von wem sollte Leitung wahrgenommen und beauftragt werden?“
(bistum-muenster.de/weltsynode)
Mit seinen Entscheidungen vom März 2020 und April 2023 hat der Papst einen Teil dieser Fragen bereits definitiv beantwortet. Durch die Öffnung für Nicht-Bischöfe ist die Bischofssynode zur KIRCHENSYNODE geworden. Mit Spannung wurde erwartet, wie die Reaktion der konservativ-traditionalistischen Kreise der katholischen Kirche ausfallen würde.
Am 10. Juli konfrontierten fünf Kardinäle im Durchschnittsalter von fast 86 Jahren den Pontifex mit fünf sogenannten DUBIA, deren dritte lautete: „Zweifel an der Behauptung, die Synodalität sei eine ‚konstitutive Dimension der Kirche‘ (Const.Ap. Episcopalis Communio 6), so dass die Kirche von Natur aus synodal sei.“ Das läuft auf den Verdacht hinaus, dass Franziskus‘ Synodalitätsvorstellungen häretisch seien.
Franziskus parierte innerhalb seiner 7-seitigen Antwort glänzend: Die Dubuiisten würden doch dadurch, dass sie sich beteiligten und ihn herausforderten, selbst einen MODUS VON SYNODALITÄT in Anspruch nehmen. Als die fünf Kardinäle weiter insistierten, wurden sie vom neuen Glaubenspräfekten, Kardinal Víctor Manuel Fernández, zurechtgewiesen: „… als ob der Papst ihr Laufbursche wäre.“
Die Attacke im Vorfeld war abgewehrt, aber wie würden sich die SYNODALITÄTSGEGNER in der Synodenaula vor Ort verhalten? Der vom Papst als Synodaler berufene erzkonservative Kurienkardinal GERHARD LUDWIG MÜLLER hat sich nach dem ersten Synodentag erstaunlich positiv geäußert: Die Erfahrung an dem runden Synoden-Tisch, an dem er saß, sei „sehr gut“ gewesen, und er habe er einen „gewissen Optimismus“. Das bestätigte sich am 9.Oktober, als Professor Thomas Söding bei einer Online-Veranstaltung der Domakademie kundtat, dass er überrascht war, „dass der Widerstand gegen die Synode nicht sehr ausgeprägt ist.“
Resümierend kann man sagen, dass die vom Franziskus verordnete neue Synodenstruktur ihre Feuertaufe bestanden hat. Das katholische ZWEI-KLASSENSYSTEM KLERIKER-LAIEN ist durchbrochen und ein Zurück kann es – aus meiner Sicht – nicht geben.
Zu Ihrer letzten Bemerkung einige grundsätzliche Überlegungen – es wäre schön, wenn Sie mit dieser Erwartung recht behalten würden.Ein Blick in die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte lässt da allerdings (leider durchaus berechtigte) Zweifel aufkommen. So ist es doch eine Tatsache, dass der von Vaticanum II angestoßene Aufbruch unter den Pontifikaten von JP II und B XVI definitiv zum Stillstand kam. Seit einem Jahrzehnt bemüht sich Franziskus, das Erbe des Konzils umzusetzen und wird dabei mit Schwierigkeiten jeglicher Art konfrontiert.
Tatsächlich blieb er trotz so mancher enttäuschenden (und wohl zuweilen erzwungenen) Zurückhaltung bei seinen Reformplänen der grundsätzlichen Haltung treu. Nun wird er in zwei Monaten 87 und es stellt sich die durchaus berechtigte Frage, wie lange er noch auf der römischen cathedra bleiben wird. Was aber folgt dann: Wird sein Nachfolger diesen seinen Weg fortsetzen können und vor allem – will er das auch.
Franziskus ist in einer ähnlichen Lage wie Johannes XXIII, der eine neue Entwicklung in Gang setzte, sie jedoch nicht zu Ende führen konnte; es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass den Papst und sein Werk ein ähnliches Schicksal ereilen könnte. Denn Widerstand gibt es nach wie vor aus den Reihen der hohen und höchsten Amtsträger, auch wenn die Mehrheit den von Franziskus gesteuerten Kurs mitzutragen scheint. Im Grunde ist die freimütige Haltung der „Dubia-Kardinäle“, abgesehen von ihrer „Ideologie“ zu begrüßen: Sie scheuen sich nicht, ihre Abneigung gegenüber den derzeitigen Entwicklungen deutlich zu machen, weil sie sicher sein können, dass ein maßgeblicher Teil der Hierarchie ihre Ansichten teilt.
Das gilt in besonderer Weise im Blick auf die nächste Papstwahl: Natürlich ist von der Mehrzahl der im kommenden Konklave stimmberechtigten Kardinäle zu erwarten, dass sie generell den von Franziskus eingeschlagenen Weg fortführen wollen. Andererseits findet man unter den „pensionierten“ Kardinälen einen unübersehbaren Anti-Bergoglio-Anteil, der sich in der Vorbereitungsphase der Wahl ohne Zweifel entsprechend Gehör verschaffen wird. Ob und wie der neue Papst dann den Kurs weiterführen kann ist mehr als unsicher – wie das Beispiel Paul VI zeigt, der reformbereit war, aber letztendlich vor dem System kapitulierte.
Ich frage mich auch, ob Papst Franziskus die Weltsynode, deren 2. und wohl wichtigste Phase im Oktober 2024 beginnt, noch zu Ende führen kann.
Auch mir, Jahrgang 1951, steigen z.Zt. immer öfter Erinnerungen an den Tod Johannes des XXIII. bereits nach der 1. Phase des Konzils auf.
Eine persönliche Erinnerung: Mein Opa, der damals über Pfingsten bei uns zu Besuch war, saß mit mir, damals 12 Jahre alt, zusammen vor dem Fernseher und war völlig fertig über die Nachrichten aus Rom, weil er große Hoffnungen auf Papst Johannes und das Konzil gesetzt hatte.
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