Papst veröffentlicht Laudato si-Update

„Laudate deum – Lobt Gott für all seine Geschöpfe“ ist das neue Apostolische Schreiben von Papst Franziskus über die Klimakrise. Darin fasst er Altbekanntes über die globale Klimakrise noch einmal kurz zusammen und kritisiert die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, dass sie nicht konsequenter mit entsprechenden Entscheidungen gegen den Klimawandel vorgehen. Acht Jahre nach seiner Umweltenzyklika „Laudato si“ sei ihm klar, „dass wir nicht genügend reagieren, während die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt und vielleicht vor einem tiefen Einschnitt steht“. Er fordert einmal mehr, den Multilateralismus neu zu gestalten, denn niemand rette sich allein. Als Grundproblem sieht er ein falsches „technokratisches Paradigma“ sowie ein falsches Verständnis von Macht. Außer den üblichen Forderungen wie die Abkehr von fossilen Brennstoffen oder eine „umfassende Veränderung des unverantwortlichen Lebensstils, der mit dem westlichen Lebensstil verbunden ist“, finden sich in dem 73 Abschnitte umfassenden Papier keine neuen Impulse. So dürfte das Papier eher ein Zwischenruf sein, um dem Anliegen der Bewahrung der Schöpfung noch einmal Nachdruck zu verleihen und zu einer Relecture von Laudato si zu ermuntern.

Ein Tag vieler Ereignisse im Vatikan. Nicht nur Laudate deum wurde veröffentlicht, sondern auch die Weltsynode mit einem Gottesdienst eröffnet. (Quelle: VaticanMedia)

Falsche Prioritäten

Die Sorge um das „Gemeinsame Haus“ gehört zu den zentralen Anliegen von Papst Franziskus. Umso mehr ließ es aufhorchen, als er vor einigen Wochen ein Update zur ersten Umweltenzyklika der katholischen Kirche ankündigte. Mit „Laudato si“ sorgte er im Sommer 2015 für Aufsehen. Damals forderte er einen radikalen Wandel des Lebensstils vor allem der Menschen in den Industrienationen, sprach von einer ökologischen Schuld des Nordens gegenüber dem Süden und betonte, dass Umweltpolitik auch Sozialpolitik sei. Das kurze Update bringt kaum neue Impulse. Es ist eher eine scharfe Kritik an den Vertretern aus Politik und Wirtschaft, die aus Sicht des Papstes nicht konsequent genug handeln. Außer Zweifel stehen für ihn in Übereinstimmung mit der „überwältigen Mehrheit der Klimawissenschaftler“ die wissenschaftlichen Befunde zur Erderwärmung, ihre Folgen und die Mitverantwortung des Menschen.

Als Grund sieht Franziskus einmal mehr falsche Koordinaten, die das Handeln des Menschen bestimmten. Dazu gehören aus seiner Sicht etwa die „Logik des maximalen Profits zu den niedrigsten Kosten“ oder die Vorstellung, „die menschliche Macht über alles Vorstellbare hinaus zu steigern, für die die nicht-menschliche Wirklichkeit nur eine Ressource zu ihren Diensten ist“. Der Mensch sei aber kein Außenstehender, sondern er müsse als Teil der Natur betrachtet werden. „Wir müssen alle gemeinsam die Frage nach der menschlichen Macht, nach ihrem Sinn und nach ihren Grenzen neu bedenken.“ Es brauche Klarheit und Ehrlichkeit, „um rechtzeitig zu erkennen, dass unsere Macht und der Fortschritt, den wir erzeugen, sich gegen uns selbst richten“.

Politik gefordert

Franziskus sieht die Politik gefordert. Dabei braucht der Multilateralismus aus Sicht des Papstes andere Formen. Er müsse unter Berücksichtigung der neuen Weltlage neu gestaltet werden. „Die Welt ist im Begriff, so multipolar und zugleich so komplex zu werden, dass ein anderer Rahmen für eine effektive Zusammenarbeit erforderlich wird. Es reicht nicht, über Machtgleichgewichte nachzudenken, sondern es ist auch notwendig, auf neue Herausforderungen zu antworten und mit globalen Mechanismen auf ökologische, gesundheitliche, kulturelle und soziale Herausforderungen zu reagieren.“ Dabei baut Franziskus auf Veränderung von unten. Das ist nicht neu und zeigt sich etwa auch in seinem besonderen Engagement für Volksbewegungen, wenn es um soziale aber auch ökologische Fragen geht.

„Die Forderungen, die überall auf der Welt von unten kommen, wo sich engagierte Personen aus den unterschiedlichsten Ländern gegenseitig helfen und begleiten, können letztlich Druck auf die Machtverhältnisse ausüben“, schreibt der Papst in „Laudate deum“. Zwar solidarisiert sich der Papst nicht mit „radikalisierten“ Gruppen. Doch er zeigt eine gewisse Sympathie für ihren Einsatz. Denn: „In Wirklichkeit füllen sie jedoch eine Lücke in der Gesellschaft als Ganzer, die einen gesunden ‚Druck‘ ausüben müsste, denn es liegt an jeder Familie, zu bedenken, dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht.“ Aus seiner Sicht können Transformationsprozesse „aus der Tiefe der Gesellschaft heraus“ durchaus etwas bewirken, etwa wenn private Haushalte nachhaltig zu leben versuchen. Die wirksamsten Lösungen kommen aber aus seiner Sicht, „nicht allein von individuellen Bemühungen, sondern vor allem von bedeutenden Entscheidungen in der nationalen und internationalen Politik“. Diese dürften nicht „in einer Logik des Ausbesserns, des Flickens“ gefangen bleiben. Wiederholt hatte Franziskus in den vergangenen Jahren entschiedenes Handeln gefordert. Er kritisiert, dass der Übergang von fossilen Brennstoffen zu sauberen Energiequellen zu langsam gehe.

Debatte anstoßen

Zur Vorstellung des neuen Schreibens hat der Vatikan für Donnerstag verschiedene Klimaaktivisten zu einer Pressekonferenz eingeladen. Teils sind sie in Rom vor Ort, teils aus der ganzen Welt zugeschaltet. Neben dem italienischen Physik-Nobelpreisträger Giorgio Parisi und der indischen Umweltschutz-Aktivistin Ridhima Pandey wird auch Luisa Neubauer von der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung an dem Pressegespräch teilnehmen. Die Auswahl der Gäste zeigt, dass der Vatikan möglichst weltweit ein Echo erzielen will. Auch wenn das Papier nicht viel Neues bietet, lässt einmal mehr aufhorchen, dass ein Papst die Welt dazu auffordert, dem Ruf der Wissenschaft zu folgen. Vor nicht allzu langer Zeit war es gerade die katholische Kirche, die nicht gut auf die Naturwissenschaften zu sprechen war. Und sieht man andere Felder, ist das bis heute so, etwa wenn es um den Menschen selbst geht. Auf jeden Fall dürfte das Schreiben innerhalb der katholischen Kirche der Debatte um den Klimawandel noch einmal neuen Drive geben.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

2 Kommentare

  • Ralf Philipp Stern
    04.10.2023, 19:36 Uhr.

    Es ist sehr wohl fundamental Neues in „Laudate Deum“ gegenueber 2015. Was heisst hier nichts „neues“. Die realen Fakten die in den letzten 8 Jahren sich real realisiert haben strafen alle „Kleinredner“ – meist aus neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftskreisen – Luegen. Deshalb ist es im Kontext der Realitaet in 2023 ein vielfaeltig Neues. Besonders als Beweis das alle offiziellen und inoffiziellen [„verdeckt agierende Gegner von Laudato si seit 2015“] Gegner von Laudato si zu 100 % im Unrecht sind mit Ihren damals vorgebrachten „Gegenbeweisen“ die oft das „Laecherlich machen der Befuerworter von Laudato si beinhaltete“ weil mit verkuerzenten Aussagen hunderte Millionen Mitbuerger dazu animiert wurden diese Aussagen in Laudato si zu missachten oder sogar ins laecherliche zu ziehen. Hiermit raeumt Papst Franziskus in 2023 knall hart auf und dreht die Sache um. Da nur so das ganze endlich auf den Fuessen steht – anstatt auf dem Kopf – wie es „Verleumder weltweit taten und noch tun“ und nur so von allen erkannt werden kann was es schon 2015 war aber 80-99 % aller Mitmenschen zu sehr leugneten oder ignorierten das wir die Generationen sind die aus zu grossem Eigen-Egoismus heraus dutzenden bis 100 ten Generationen ein gutes Leben versagen. All das ist eben deshalb etwas voellig anderes wie vor 8 Jahren weil die realen Kontexte nun das bezeugen was damals noch nicht Realitaet war wie Heute. [obwohl klar war das es so kommt – aber nur bei denen die bei klarem Verstand schon 2015 waren. Und das war kleine Minderheit. Nun muss Mehrheit anerkennen – durch Realitaeten in 2023 – das die Minderheit in 2015 recht hatte und die Mehrheit nicht erst seit dem im Unrecht! Und das ist etwas ganz anderes als 2015!

  • Zufälliger Gastleser
    05.10.2023, 15:41 Uhr.

    Ein aus der Feder eines Papstes verstörender Text, gradezu ein Dokument der papalen SelbstNGOisierung. Darin unsauber formulierte Sätze wie folgender: „Sie führen vermeintlich wissenschaftlich fundierte Daten an, wie die Tatsache, dass der Planet schon immer Phasen der Abkühlung und Erwärmung hatte und haben wird.“ Seit wann sind „Tatsachen“ denn „vermeintlich“? – Das Problem, daß zu viele Menschen gleichzeitig auf dieser Erde leben, wird mit einer versimpelnden Parteinahme für „die Armen“ weggewischt. Bei hyper-optimistischen Aussagen wie folgender, daß „alle Bemühungen zur Anpassung an die Schäden des Klimawandels unzählige Arbeitsplätze in verschiedenen Sektoren schaffen (können). Dies erfordert, dass Politiker und Unternehmer sich umgehend mit diesem Thema befassen“, bedauert man fast, daß die vatikanische Kompetenz nicht vollends in globale Politikberatung übergeht. Der Satz „dass die Covid-19-Pandemie die enge Verbindung zwischen dem menschlichen Leben und dem anderer Lebewesen und der Umwelt bestätigt hat“, vereinnahmt sich gegen die durchaus nicht nur von Verschwörungserzählern vorgebrachte Labor-Hypothese. Aus dem Munde des Chinafreunds Bergoglio („auf der anderen Seite gewinnen die aufstrebenden Mächte zunehmend an Bedeutung und sind in der Tat in der Lage, wichtige Ergebnisse bei der Lösung konkreter Probleme zu erzielen, wie einige von ihnen während der Pandemie gezeigt haben“) nimmt es nicht Wunder. Der Text müsste nicht grundweg falsch sein, folgt aber in der Diktion völlig einem säkularen Framing, Fundierung in christlicher Tradition und Anthropologie bleiben beinahe durchweg hintergründig, bestenfalls. Solowjew würde sich seine Anführung sicher verbeten. Eritis sicut Deus? Pseudospirituelle Girlanden um eine weltliche Kollapsosophie. Dann die übernommene Phrasen, Worte wie „Chancengleichheit“ und „Transformation“oder „jüdisch-christliche Weltanschauung“. „Weltanschauung“, nicht Offenbarung? – Die Covid Krise als Chance für „heilsame Veränderungen“ läßt aufmerken. Sympathie mit „radikalisierten“ Gruppen (entsprechend Langstrecken-Luisa, die Invektive ist hypokritisch verdient, auf einer vatikanischen Pressekonferenz) wird ausgesprochen und sogar Donna Haraway angeführt; fehlt nur noch das „Chthuluzän“. Indigene Kulturen gegen das „westliche Modell“, Süden gegen Norden; das ist kein pontifikaler, brückenschlagender Text, sondern in seinen undifferenziert polemischen Entgegensetzungen, eingetönt von ressentimental erscheinender Ideologie, das Gegenteil. – Indem er die Machteliten dabei vorgeblich geisselt, bedient er sich ihrer Sprache.

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