Wo bleibt der Frieden?

Mit der Vigilfeier auf einem großen Feld am Atlantik ist der Weltjugendtag am Samstag in die finale Phase eingetreten. Papst Franziskus forderte die Jugendlichen auf, zur Missionaren der Freude zu werden. Die Jugendlichen sollten „Wurzeln der Freude“ für andere sein. Wie schon am Morgen in Fatima sorgte der Pontifex mit seiner Ansprache auch am Abend für Irritationen. Bereits zum vierten Mal in Folge las er nicht die vorbereitete Rede, sprach weitestgehend frei. Am Morgen ließ er ein Gebet an Maria, in dem es unter anderem um den Frieden in der Welt ging, weg. Schnell kam unter den mitgereisten Journalisten die Frage auf, ob Franziskus ein gesundheitliches Problem habe. Vatikansprecher Matteo Bruni verneinte das und erklärte, der Papst entscheide je nach Situation, ob er den vorgefertigten Text nehme oder frei spreche und Worte finde, die aus seiner Sicht für den Augenblick besser passten. Die 1,5 Millionen Jugendlichen am Abend schienen mit der improvisierten Kurzpredigt zufrieden.

Stimmungsvoll war die Feier am Abend im Tejo-Park. (Quelle: Erbacher)

Der Kurs des Lebens

Es war wie erwartet eine stimmungsvolle Feier am Samstagabend im Tejo-Park von Lissabon. Die Sonne war untergegangen, die vielen Jugendlichen den Tag über schwer zu schaffen machte. Knapp unter 40 Grad war es heiß und viele mussten lange Wege zu Fuß zu dem Park am Atlantik zurücklegen. Mit Tanz und Gesang wurden die drei Haltungen „begegnen“, „aufstehen“, „losgehen“ dargeboten. Sie konkretisieren das Thema des Weltjugendtags: „Maria machte sich auf und ging eilends“ aus dem Lukasevangelium (Lk 1,39). Es sind Haltungen, die auch Papst Franziskus immer wieder in diesen Tagen aufgegriffen hatte. Bei der Predigt am Abend improvisierte er wieder. Es gebe keinen Kurs fürs Leben, so Franziskus, außer das Leben selbst. Wichtig sei, dass man wieder aufstehe, wenn man falle. Nichts im Leben sei gratis, außer die Liebe Jesu.

„Habt keine Angst. Grazie, Ciao“, beendete er nach wenigen Minuten seine Ansprache. Davor war er mehrfach mit den offiziell 1,5 Millionen in Interaktion getreten – eigentlich typisch für Franziskus. Er wirkte auch sehr agil und präsent. Vatikansprecher Bruni wies am Nachmittag darauf hin, dass Franziskus auch schon bei vielen anderen Gelegenheiten improvisiert habe. Anders war damals aber, dass er oft trotzdem lange sprach und nicht – wie bei den Auftritten seit gestern – zwar am Anfang die Gedanken des Manuskripts aufgreift, dann zu Improvisieren beginnt und schließlich sehr schnell zu einem Ende kommt. Vielleicht ist das Ganze doch der Anstrengung geschuldet, die diese Reise dem 86-Jährigen abverlangt.

Einmal mehr: Kirche für alle

Schon in Rom war es die letzten Wochen sehr heiß gewesen. In Lissabon wurde es zum Wochenende hin immer wärmer. Dazu kommt, dass Franziskus am Mittwoch und Donnerstag in der Vatikanbotschaft noch eine ganze Reihe von Zusatzterminen hatte. Er traf unter anderem eine Jugendgruppe aus der Ukraine und eine aus der Türkei. Letztere war vom Erdbeben vor einem Jahr betroffen. Auch gab es eine Begegnung mit Vertretern anderer Kirchen und Religionen. Das strengt an. Den Jugendlichen kommt es sicherlich entgegen, dass der Papst nicht immer 20 Minuten oder mehr predigt. Zumal Franziskus zu Beginn seines Pontifikats immer wieder sagte, eine gute Predigt dauere zehn Minuten. Er selbst predigte dann aber meist länger.

Beim Besuch in Fatima war nicht nur die Predigt kürzer, sondern das Gebet unter anderem für Frieden fiel völlig aus. Vatikansprecher Bruni erklärte, der Papst habe im Stillen „mit tiefem Schmerz“ für den Frieden gebetet. Außerdem meditiere der Rosenkranz ja auch das Thema Frieden, der gebetet wurde. Am Nachmittag veröffentlichte der Vatikan auf seinen Social-Media-Kanälen ein Bild des Papstes in Fatima mit einem Friedensgebet. Dies gebe die Gedanken des Papstes im stillen Gebet wieder, erklärte Bruni. Immerhin hielt sich Franziskus am Anfang noch an seinen Redetext am Morgen, als es einmal mehr um die Kirche ging. „Die kleine Kapelle, in der wir uns befinden, ist wie ein schönes Bild der Kirche: Sie ist einladend und hat keine Türen. Die Kirche hat keine Türen, damit alle eintreten können.“ Es sei das Haus der Mutter, die immer ein offenes Herz habe für alle Kinder, „alle, alle, alle, ohne Ausgrenzung“. Danach begann er dann frei zu improvisieren.

Am Sonntag bei der Pressekonferenz auf dem Rückflug wird Franziskus sein Verhalten erklären können. Für die Jugendlichen bleibt nun eine Nacht im Tejo-Park, bevor dann am Sonntag mit der Messe der Weltjugendtag zu Ende geht. Für die Jugendlichen geht ein anstrengender Tag zu Ende, für die Journalisten ein Tag mit vielen offenen Fragen.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

Ein Kommentar

  • Silvia
    06.08.2023, 14:36 Uhr.

    Ich denke, es war richtig, dass der Papst das Thema Frieden im Rahmen des Weltjugendtages nicht angesprochen hat.

    Bisher wurde jede päpstliche Äußerung zum Thema Frieden im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine von der Ukraine kritisiert, weil der Papst aus guten Gründen nicht bereit ist, Russland explizit zu verurteilen. Sogar das gemeinsame Gebet einer Ukrainerin und einer Russin am Karfreitag 2022 und 2023 wurde kritisiert.

    Vor diesem Hintergrund und anlässlich der Gespräche von Kardinal Zuppi mit den Kriegsparteien und Washington wäre es äußerst unklug gewesen, ausgerechnet bei einem internationalen Jugendtreffen Öl ins Feuer zu gießen.

    Manchmal ist weniger mehr.

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.