Papst redet Machthabern im Südsudan ins Gewissen

Papst Franziskus hat am Freitag mit offenen und direkten Worten gegenüber dem Präsidenten und den Verantwortungsträgern des Südsudan seinen Besuch in dem afrikanischen Land begonnen. „Der Friedens- und Versöhnungsprozess braucht einen neuen Ruck“, erklärte er beim Treffen mit Vertretern aus Politik, Zivilgesellschaft und Diplomatischem Korps in der Hauptstadt Juba. Er sparte nicht mit Kritik am schleppenden Aufbau des Landes, bisweilen konnte man die Ungeduld und das Unverständnis aus den Worten heraushören, als Franziskus aufzählte, was alles schieflaufe und wo aus seiner Sicht überall Handlungsbedarf bestehe. Seine ökumenische Pilgerreise des Friedens sei eine Antwort auf den „Schrei eines ganzen Volkes“, „das mit großer Würde die Gewalt beklagt, die es erleidet, den ständigen Mangel an Sicherheit, die Armut, von der es betroffen ist, und die Naturkatastrophen, die wüten“. Franziskus ist bis Sonntag im Südsudan unterwegs, gemeinsam mit dem Primas der Anglikaner, Erzbischof Justin Welby, und dem Moderator der Generalversammlung der Kirche von Schottland, Iain Greenshields.

Klartext zum Auftakt des Besuchs. Papst Franziskus am Freitagabend in Juba. (Quelle: epa)

Klare Worte

Eine solche ökumenische Pilgerreise ist ein Novum und den besonderen Umständen im Südsudan geschuldet. Der Fakt ist bereits eine Botschaft. „Denn im Frieden sind wir, wie auch im Leben, gemeinsam unterwegs“, erklärte Franziskus. Wie schon bei der ersten Station seiner Afrikareise, der Demokratischen Republik Kongo, stellen auch im Südsudan die Konflikte zwischen unterschiedlichen Gruppen eine der größten Herausforderungen für den Frieden dar. Die Kirchen gehen gemeinsam, lautet die Botschaft der Reise. Im Gegensatz zum muslimisch geprägten Sudan, leben im Südsudan mehrheitlich Christen. Allein der katholischen Kirche gehören rund 40 Prozent der elf Millionen Einwohner an. Für Freitagabend ist in Juba ein großes ökumenisches Friedensgebet geplant.

Zum Auftakt las Franziskus allerdings den politisch Verantwortlichen die Leviten. „Väter, nicht Herren; stabile Entwicklungsschritte, nicht ständige Rückfälle“ brauche das Land. Die Geschichte werde sich nur an sie erinnern, wenn sie Gutes vollbracht hätten. „Die künftigen Generationen werden die Erinnerung an eure Namen auf der Grundlage dessen, was ihr jetzt tut, ehren oder auslöschen, denn so wie der Fluss seine Quellen hinter sich lässt, um seinen Lauf zu beginnen, so wird der Lauf der Geschichte die Feinde des Friedens zurücklassen und denen Glanz verleihen, die sich für den Frieden einsetzen.“ Gewalt werfe den Lauf der Geschichte immer zurück, erklärte Franziskus. „Damit dieses Land nicht zu einem Friedhof verkommt“, bitte der inständig: „Es ist an der Zeit, ‚nicht weiter‘ zu sagen, ohne ‚wenn‘ und ‚aber‘. Es sei an der Zeit, Worten Taten folgen zu lassen. Es brauche einen Tempowechsel beim Versöhnungs- und Friedensprozess, einen „Dialog ohne Doppelzüngigkeit und Opportunismus“.

Mehr Demokratie

Es gehe darum, sich gegenseitig zu respektieren und sich kennenzulernen. „Denn wenn sich hinter jeder Gewalt Wut und Groll befinden, und hinter jeder Wut und jedem Groll die ungeheilte Erinnerung an Wunden, Demütigungen und Unrecht stehen, dann ist der einzige Ausweg daraus nur jener der Begegnung: Die anderen als Geschwister anzunehmen und ihnen Raum zu geben, auch indem man einen Schritt zurückzumachen vermag.“ Da das Land von ethnischen Konflikten „zerfleischt sei“, müsse es das „Geheimnis der Begegnung, die Gnade des Zusammenlebens“ wiederentdecken. Von der „Unzivilisiertheit der Konfrontation“ müsse man zu einer „Kultur der Begegnung“ kommen.

Den politisch Verantwortlichen schrieb er noch einige andere Punkte ins Stammbuch. Zweck der Macht sei es, sich in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen. Zudem reiche es nicht aus, „sich Republik zu nennen, man muss es auch sein“, mahnte er. Dazu brauche es eine „heilsame Gewaltenteilung“ und die Achtung der Menschenrechte. Frauen müssten stärker einbezogen werden, auch in politische Entscheidungsprozesse und die Jugend brauche Freiräume, wo sie sich „treffen und debattieren“ kann. Bildung müsse für alle Kinder zugänglich sein. „Sie haben, wie alle Kinder dieses Kontinents und der Welt, das Recht, mit Heften und Spielzeug in den Händen aufzuwachsen und nicht mit Arbeitswerkzeugen und Waffen.“ Schließlich müsse die Korruption bekämpft werden. „Unlautere Geldgeschäfte, versteckte Intrigen, um sich zu bereichern, klientelistische Machenschaften, mangelnde Transparenz: Das ist der verseuchte Boden der menschlichen Gesellschaft, der die nötigen Mittel für das Notwendige fehlen lässt.“ Ausdrücklich dankte Franziskus den Hilfsorganisationen, die im Südsudan arbeiten, und forderte Sicherheit für deren Mitarbeitende.

Dialog mit Rebellen fortsetzen

Am Ende seiner Ansprache entschuldigte er sich, dass die Worte so „offen und direkt“ gewesen seien. Aber er bitte darum, ihm zu glauben, „dass dies nur aus Zuneigung und Sorge entspringt, mit der ich eure Anliegen verfolge“. Unter Franziskus gilt, wer den Papst zu sich einlädt, muss damit rechnen, dass er Klartext spricht. Das war auch bei den beiden letzten Reisen nach Kasachstan und Bahrain so gewesen. Die Deutlichkeit des ersten Auftritts im Südsudan geht allerdings doch etwas über das Normale hinaus. Franziskus sieht offenbar keine andere Chance, die Gewissen wachzurütteln, als den Verantwortlichen einen Spiegel vorzuhalten ohne Weichzeichner. Auch der Primas der Anglikaner fand deutliche Worte. Welby erinnerte an die Tage des Gebets für den Südsudan 2019 im Vatikan, an dem fast alle wichtigen politischen Führer des Landes teilgenommen hatten und Papst Franziskus in einem spektakulären Akt diesen die Füße küsste verbunden mit der Bitte, endlich für Frieden im Land zu sorgen. Passiert ist seitdem wenig, stellte Welby fest. Wir hatten mehr erwartet.

Immerhin kündigte Präsident Salva Kiir heute offiziell an, dass die „Rom-Gespräche“ wieder aufgenommen werden sollen mit den Rebellengruppen, die das Friedensabkommen von 2018 bisher nicht anerkannt haben. Die Gespräche kamen im Nachgang zu dem Gebetstreffen in Gang und werden von der römischen Basisgemeinschaft Sant’Egidio moderiert. Die Gespräche waren vor einigen Monaten vom Präsidenten ausgesetzt worden. Er warf den Rebellen vor, sie bereiteten einen Krieg vor. Mit der Rückkehr an den Gesprächstisch können die drei Kirchenmänner bereits einen ersten kleinen Erfolg ihrer Friedens-Pilgerreise verzeichnen. Ob noch mehr dazukommt, müssen die nächsten beiden Tage zeigen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.