Beten für Benedikt XVI.

Papst Franziskus hat am Morgen am Ende der Generalaudienz alle überrascht, als er zum Gebet für seinen Vorgänger Benedikt XVI. aufrief. Dieser sei „sehr krank“, so der Pontifex. Später erklärte der Vatikan, dass sich der Gesundheitszustand des 95-Jährigen in den vergangenen Stunden verschlechtert habe, er unter ärztlicher Aufsicht sei. Im Verlauf des Tages meldeten italienische Medien, dass er seit einigen Tagen unter Atemproblemen leide. Weltweit schlossen sich Bischöfe dem Gebetsaufruf von Franziskus an. Wenn in den vergangenen Monaten Fotos des Emeritus in Sozialen Medien erschienen, wirkte Benedikt XVI. eingefallen und schwach. Doch die Besucher berichteten von einem dem Alter entsprechend guten Gesundheitszustand und klarem Verstand. Jetzt lassen die Kräfte offenbar weiter nach.

Benedikt XVI. und Papst Franziskus am Rande des Konsistoriums Ende August 2022. (Quelle: epa)

Es war ruhig geworden

In den vergangenen Monaten ist nicht mehr viel aus dem Kloster „Mater ecclesiae“ nach außen gedrungen. Gelegentlich gab es Fotos von Besuchern, doch keine inhaltlichen Positionierungen des Emeritus. Im Umfeld des 95. Geburtstags von Joseph Ratzinger im April fanden einige Veranstaltungen statt, die sich der Theologie und dem Wirken des Jubilars widmeten. Im November ließ er erklären, dass er sich in einem Gerichtsprozess vor dem Landgericht Traunstein im Kontext des Missbrauchsskandals verteidigen werde. Anfang des Jahres war Benedikt XVI. in die Schlagzeilen geraten, nachdem das Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München-Freising vorgestellt worden war. Dabei ging es unter anderem um seine Rolle als Erzbischof zwischen 1977 und 1981.

Viele Kritiker, aber auch viele Verehrer

An vielen Stellen beginnen bereits die Würdigungen, Bilanzierungen und auch Abrechnungen. Manches ist sicher aus der kurzen Distanz bewertbar, viele Dinge brauchen allerdings zeitlichen Abstand, um sie richtig einordnen zu können. Hier sind in einigen Jahren die Historiker gefragt. In Rom beginnt zugleich eine Zeit der Ungewissheit. Wie wird das Prozedere beim Tod eines emeritierten Papstes sein? Es dürfte eine Mischung aus dem Vorgehen bei einem emeritierten Bischof und einem ehemaligen Staatsoberhaupt werden. Bisher gibt es dafür keine Vorgaben. In der Regel weiß der Vatikan, solche Ereignisse zu inszenieren.

Viele Gläubige blicken in diesen Stunden mit Sorge nach Rom. Weltweit hat Benedikt XVI. viele Kritiker, doch es gibt auch eine große Zahl von Unterstützern und Verehrern. Zeitlebens hat Joseph Ratzinger polarisiert. Das werden auch die nächsten Tage zeigen, wenn sein Wirken bilanziert werden wird.

Autorenbild

Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

4 Kommentare

  • Zufälliger Gastleser
    29.12.2022, 10:49 Uhr.

    „Zeitlebens hat Joseph Ratzinger polarisiert.“ – Ein hartes Urteil, würde es eher so formulieren, daß ihm über weite Strecken seines Wirkens Polarisierung widerfahren ist, ihm Polarisierung gradezu angetan wurde, in der bundesdeutschen Medien- und Kirchenöffentlichkeit nicht selten „sprungbereite“.

    • Novalis
      30.12.2022, 1:27 Uhr.

      Das ist natürlich schon deswegen unwahr, weil Ratzinger von sprungbereitem Hass, nicht von sprungbereiter Polarisierung sprach. Davon abgesehen kann man niemandem Polarisierung antun. Joseph Ratzinger war ein m.E. ziemlich bösartiger Schreibtischtäter, wenn ich nur z. B. an seine zutiefst verabscheuungswürdige, niederträchtige Bemerkung über den Moraltheologen Böckle denke. Ich zitiere Joseph Ratzinger 2019: „Unvergessen bleibt mir, wie der damals führende deutsche Moraltheologe Franz Böckle, nach seiner Emeritierung in seine Schweizer Heimat zurückgekehrt, im Blick auf die möglichen Entscheidungen der Enzyklika ‚Veritatis splendor‘ erklärte, wenn die Enzyklika entscheiden sollte, daß es Handlungen gebe, die immer und unter allen Umständen als schlecht einzustufen seien, wolle er dagegen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften seine Stimme erheben. Der gütige Gott hat ihm die Ausführung dieses Entschlusses erspart; Böckle starb am 8. Juli 1991.“ Böckle ist an Krebs erstickt. So etwas zu schreiben, wie Ratzinger es getan hat, ist ein geradezu klassischer Fall von erbärmlicher Niedertracht.

      Ratzinger hat z.B. bei der Piusbruderaffäre schlicht die Mimosa gespielt, weil man ihn dabei ertappte, wie er mit üblen Rechten, die sich regelmäßig und mit großer innerer Überzeugung antisemitisch äußern, sympathisierte und dazu noch log, er habe von all dem nichts gewusst. Dabei hatte er SPÄTESTENS seit der ungültigen Bischofsweihe, die Marcel Lefebvre spendete, regelmäßig Kontakt zu den Piusbrüdern und kannte deren Anschauungen genau. Bis dahin perlte jegliche Dummheit von der weißen Soutane ab wie von Teflon. Aber Braun tut das halt nicht. Gottlob.

      Seit 1982 liefen alle – ALLE – Missbrauchsakten über den Tisch des Präfekten der Glaubenskongregation. Aber auf seiner Irlandreise spielte er den Unwissenden und Unschuldigen, der nicht wusste, welches Ausmaß sexueller Missbrauch von Kindern durch Priester hatte. Und empfahl als Heilmittel die ewige Anbetung. Er hat das vielleicht nicht wissen WOLLEN. Gewusst hat er das alles schon.

      Allen Ratzingerverehrern sei die Beschäftigung mit der Affaire Murphy empfohlen. Der Vatikan hat nie den Bericht der amerikanischen Presse dementiert – er ist schlicht durch offen zugängliche Dokumente belegt: P. Murphy hat in einer Gehörlosenschule 400 (!) gehörlose Buben missbraucht. Murphy war schon suspendiert, wandte sich wegen der harten Bestrafung an Ratzinger und Ratzinger hob die Suspendierung aus Mitleid auf.

      Und im ablaufenden Jahr hat er es ja mit Schwindelei probiert. Aber auch ein ehemaliger Papst, der immerhin von sich selber sagt, er sei für das Amt nicht geeignet gewesen, darf nicht lügen. Zweimal hat man ihn halt dabei ertappt.

      Obwohl er selber offenkundig homosexuell ist und sich mit homosexuellen Klerikern umgab, war er besonders bigott beim Thema Schwule.

  • Erasmus
    29.12.2022, 18:02 Uhr.

    ERZBISCHOF RATZINGER IM ZWIELICHT
    Eine BILANZIERUNG von Benedikts Lebenswerk ist insofern ein schwieriges Unterfangen, als dieses durch die Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachten am 20. Januar 2022 und der daran anschließenden Diskussion von Ungereimtheiten überschattet ist. Für den 28. März hat das Landgericht Traunstein einen Termin angesetzt, bei dem JOSEPH RATZINGER in seiner Funktion als Erzbischof von München und Freising (1977 bis 1982) ANGEKLAGT ist. Eingereicht hat die Klage der 38-jährige Andreas Perr, der von dem pädokriminellen Priester H.* missbraucht wurde, den das Erzbistum im Februar 1980 auf Bitten der Diözese Essen in Dienst genommen und in der Folgezeit an mehreren Pfarrstellen eingesetzt hatte.
    Ratzinger will mit dem Fall H.* nichts zu tun gehabt haben. Dem steht entgegen, was in einem Dekret zu lesen ist, das der Offizial der Erzdiözese, Lorenz Wolf, 2016 für die Glaubenskongregation anfertigte. „Der damalige Erzbischof Joseph Kardinal Ratzinger und sein Ordinariatsrat WAREN IN KENNTNIS DER SACHLAGE zur Aufnahme des Priesters H.* bereit.“ (Sondergutachten S. 70) Unmissverständlich ist – darüber hinaus -, was der im Jahr 1980 amtierende Generalvikar, Gerhard Gruber, den Gutachtern im Herbst 2021 zu Protokoll gab: „Die veröffentlichte Zuschreibung der alleinigen Schuld für die Einsetzung von (H.*) an mich erfolgte letztlich im Ordinariat mit dem Hinweis, dass ich ZUM SCHUTZ DES PAPSTES jetzt die alleinige Verantwortung zu übernehmen habe.“ ((Sondergutachten S. 71)
    Ratzingers Umgang mit der WAHRHEIT steht in deutlichem Kontrast zu seinem bischöflichen Wahlspruch „Cooperatores veritatis.“ Ein Beispiel: In den 60er Jahren wurde der Pfarrer von Unterwössen, T.*, wegen Sexualstraftaten verurteilt. Er verbrachte dann viele Jahre in einem ausländischen Erzbistum. Nachfolger von T.* wurde 1963 ein alter Studienfreund Joseph Ratzingers, der als „Volksmusikpfarrer“ bekannte Franz Niegel. In den 70er und 80er Jahren war Ratzinger nachgewiesenermaßen häufig mit seinem Bruder Georg zum Wanderurlaub in Unterwössen. Merkwürdigerweise sagt Benedikt XVI. gegenüber den Münchner Gutachtern aus, dass „er seinen Urlaub nur einmal im Raum der Erzdiözese München und Freising, nämlich im August 1982, und nicht am früheren Tätigkeitsort des Priesters verbracht habe.“ (Gutachten, S. 692) Hat die „DISTANZIERUNG“ VON UNTERWÖSSEN damit zu tun, dass Ratzinger Ende der 70er Jahre T.* den Titel Pfarrer wieder zuerkannte?

    *Beitrag aus rechtlichen Gründen überarbeitet.

  • Wanda
    02.01.2023, 19:47 Uhr.

    Ohne auf all die bekannten Probleme und Schwierigkeiten der Amtskirche einzugehen, Josef Ratzinger hat in all seine Funktionen der röm.-kath. Kirche nicht gut getan. Das zu leugnen hieße die Augen verschließen..

Kommentare geschlossen

Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.