Der Papst als „Sämann des Friedens“
Einmal mehr war Franziskus auf Friedensmission unterwegs. Seine 39. Auslandsreise nach Bahrain stand ganz im Zeichen des Dialogs, des Brückenbauens zwischen Kulturen und Religionen. Technischer Fortschritt allein bringt der Welt keine Gerechtigkeit und keinen Frieden. Die Geschwisterlichkeit aller Menschen ist für Franziskus der Schlüssel: „Fratelli tutti“. Das bedeutet für ihn aber auch, dass alle auf Augenhöhe miteinander sprechen. Dafür müssen alle die gleichen Rechte haben – überall. Entsprechend wagte er sich weit vor mit seinen Forderungen nach Religionsfreiheit und „vollwertigen Bürgerrechten“ für alle, die nicht nur auf dem Papier bestehen dürfen, sondern „Menschenrechte für alle“ in Wort und Tat seien. Dass Franziskus so deutlich sprechen würde als Gast auf der Arabischen Halbinsel, hat viele Beobachter überrascht. Für die rund 3,5 Millionen Katholiken in der Region war der Besuch eine Stärkung. Für sie waren gerade die Aussagen zur Religionsfreiheit, die nicht nur auf dem Papier bestehen dürfe, sondern jede Diskriminierung verhindern müsse, wichtig in ihrem oft beschwerlichen Alltag als Minderheit.
Umfassende Religionsfreiheit
Acht Reden hielt Papst Franziskus während der knapp vier Tage in Bahrain. Von der Politik über die Religionen, die Jugend und den Klerus am letzten Tag war ein Dreh und Angelpunkt der Gedanke der Geschwisterlichkeit. Auch bei starkem Gegenwind sollten die Katholikinnen und Katholiken ein Beispiel eines friedlichen und freundschaftlichen Miteinanders sein, die „Spirale des Bösen durchbrechen“. „Um im Dialog mit anderen glaubwürdig zu sein, sollten wir geschwisterlich miteinander umgehen“, gab er bei seinem letzten Termin am Sonntag den Klerikern, Ordensleuten und pastoralen Mitarbeitern mit auf den Weg. Beim Treffen mit den Jugendlichen am Samstagabend bezeichnete er die Schule, in der unterschiedliche Religionen zusammenkommen als den „guten Sauerteig, der dazu bestimmt ist, zu wachsen, viele soziale und kulturelle Schranken zu überwinden und Keime der Geschwisterlichkeit und des Neuen zu fördern“.
Zwar benannte Franziskus als positives Beispiel immer wieder die Situation in Bahrain. Hier lebten unterschiedlichste Kulturen, Religionen und Traditionen gut zusammen. Dass es damit aber vielleicht doch nicht ganz so gut bestellt ist, zeigten seine wiederholten Appelle, dass die Religionsfreiheit nicht nur die Ausübung der Religion, also den Kult, betreffen dürfe, sondern umfassend sein müsse. So fällt auf, dass es in Bahrain keine caritative Einrichtung der katholischen Kirche gibt, obwohl die Diakonie neben der Liturgie und Verkündigung zu den Grunddimensionen kirchlichen Handelns gehört. Sozialarbeit steht immer wieder im Verruf, Menschen zum Übertritt zum Christentum zu bewegen. Da nützt es auch nichts, dass der Papst gebetsmühlenartig betont, dass die katholische Kirche keinen Proselytismus betreibe. Auch wenn er das in den vergangenen Tagen nicht eigens benannte, gehört es für ihn konstitutiv zum kirchlichen Handeln dazu. Es würde auch seiner Idee von „Fratelli tutti“ widersprechen.
Dialog mit Islam gefestigt
„Sie waren heute mutig, als Sie von einem innerislamischen Dialog gesprochen haben.“ So begrüßte Papst Franziskus den Großscheich der Al-Azhar, Ahmed Al-Tayyeb, am Freitagnachmittag bei einem privaten Treffen. Der einflussreiche sunnitische Geistliche hatte am Morgen bei der Religionskonferenz von Bahrain vorgeschlagen, dass die verschiedenen islamischen Strömungen, allen voran Sunniten und Schiiten, in einen Dialog eintreten sollten. Der Pontifex hörte das sicher mit Genugtuung, arbeitet der Vatikan seit langer Zeit dezent daran, Initiativen für einen innerislamischen Dialog voranzubringen.
Auch die klaren Bekenntnisse Al-Tayyebs, dass Gott nach dem Koran die Menschen unterschiedlich geschaffen habe und frei, ihre Religion zu wählen, wurden auf vatikanischer Seite mit Wohlwollen vernommen. „Wenn man weiß, dass der Koran die beiden vorangegangenen Prinzipien festlegt, dass die Menschen unterschiedlich sind und dass sie Glaubensfreiheit besitzen, wie sieht dann die Beziehung zwischen den Menschen nach der Philosophie des Korans aus?“, fragte A-Tayyb schließlich. Die Antwort: durch Bekanntschaft und gegenseitiges Kennenlernen. Diese Regeln des Korans ließen „keinen Raum für Neuinterpretationen oder Verzerrungen“. Natürliche Unterschiede erforderten Glaubensfreiheit, die wiederum eine friedliche Beziehung zwischen den Völkern zur Folge hat, erklärte der sunnitische Geistliche.
Damit hat Franziskus ein wichtiges Ziel erreicht. Im Dialog mit dem Islam kommt es Stück für Stück zu Klärungen der Positionen. Dazu gehört auch, dass sich Franziskus, der bei solchen Gelegenheiten offenbar als Vertreter „des Westens“ angesehen wird, sich die Positionen „des Ostens“ anhört. Dazu gehören die harschen Worte Al-Tayyebs zu Homosexualität und Genderfragen. Dazu gehört seine scharfe Kritik an einem aus seiner Sicht kolonialistischen Verhalten des Westens gegenüber dem Osten. Zum Dialog gehört dazu, diese unterschiedlichen Positionen auszusprechen, um zu verstehen, warum das Gegenüber denkt, wie es denkt, handelt, wie es handelt. Ein nächster Schritt wäre dann, nach Verständigung und Veränderung zu suchen. Doch dazu braucht es ein Grundvertrauen in das Gegenüber. Dieses scheint bei Papst Franziskus und dem Großscheich in den vergangenen Jahren gewachsen zu sein.
Von Barmherzigkeit zu Geschwisterlichkeit
Der zentrale Begriff der ersten Phase des Pontifikats „Barmherzigkeit“ findet sich in den acht Reden des Papstes in Bahrain nur vier Mal, während er 28-mal den Gedanken der Geschwisterlichkeit aufgreift. Franziskus ist als Brückenbauer unterwegs in einer Zeit, die von zunehmenden Spannungen weltweit geprägt ist. Mit Bahrain hat er einen Ort im Herzen der islamischen Welt gewählt, an dem auch offene und klare Worte möglich sind. Als „Sämann des Friedens“ sei er gekommen, sagte er zum Auftakt des viertägigen Besuchs. Ob und wie die Saat aufgeht, steht nicht in seiner Macht. Dieser Papst ist aber von der Vision getrieben, dass er nichts unversucht lassen darf. Entsprechend zielt er mit seiner nächsten Reise, die für Anfang Februar geplant ist, die Konfliktregionen Südsudan und die Demokratische Republik Kongo an. Auch dort werden Brückenbauer gebraucht.
5 Kommentare
Wenn das Medien-Echo (bei all angebrachter Skepsis) die Bedeutung der Papstreise wiederspiegelt, dann darf man wohl von einer weiter fortschreitenden Erosion zumindest der Bedeutung Amtskirche, Vatikan und Papst, vielleicht sogar der christlichen Religion generell ausgehen. Die Gründe sind bekannt vielfältig und größtenteils hausgemacht. Jedenfalls sollte der Anspruch „allein seligmachend“ aufgegeben werden und da muß man wohl an das Wort „Meines Vaters Haus hat viele Wohnungen“ erinnern. Leider ist auch in diesem Blog das sinkende Interesse sogar der gläubigen Kommentatoren festzustellen.
Als Nichtgläubiger (ex-Katholik) bedauere ich die nachlassende Bedeutung der röm.-kath. Kirche schon deshalb, weil sie bis dato immer noch als ein politisch neutraler Vermittler für Verhandlungen galt, die von Kontrahenten akzeptiert, gesucht und durchaus geschätzt wurde. Es wäre ein Verlust…
„Leider ist auch in diesem Blog das sinkende Interesse sogar der gläubigen Kommentatoren festzustellen.“
Von welchen Fakten ausgehend Sie auf ein sinkendes Interesse schließen, ist mir unbekannt.Ich lese diesen Blog nach wie vor mit großem Interesse und freue mich über jeden (immer informativen und objektiven) Beitrag. Und ich denke, dass es vielen anderen Lesern so geht.
Allerdings beziehen sich manche – und in der Regel Ihre – Kommentare nicht den dazugehörenden Text, sondern nutzen das Forum, um irgendwelche negativen Ansichten (über Kirche und Papst und allem was dazugehört) zu verbreiten. Eine sachdienliche und weiterführende Diskussion ist dadurch mehr als erschwert und es macht auch keine Lust, sich daran zu beteiligen.
Könnte das sein Grund für die nachlassenden Meldungen sein?
@Maria:
– Merkwürdige Frage „Von welchen Fakten“ ? Vergleichen Sie das kritische Interesse, die Beteiligung und Anzahl der Kommentatoren von ehemals und jetzt. Da finden Sie die Antwort. Und es ging dabei durchaus zur Sache. Recht viele, sehr kritisch aber fast immer konstruktiv mit dem Finger in der Wunde und nur dann negativ, wenn berechtigt. Finden Sie das falsch oder verlangen Sie Nibelungentreue ? Mein Eindruck: Resignation bei vielen Katholiken was die Amtskirche und den Klerus anbetrifft, sich aber nicht auf deren Glauben auswirkt.
Sehr geehrter Herr Erbacher,
-passiert mir zum wiederholten Male, daß meine Reaktion auf den Vorwurf eines Mitkommentatoren nicht angenommen wurde, obwohl der Blog noch nicht geschlossen war. Beziehe mich auf Ihren Bericht vom 03. November und der Kritik einer Frau König. Die Netiquette war übrigens nicht berührt. Damit möchte ich mich nun auch endgültig verabschieden. Bedanke mich.
Sehr geehrter Wanda, Ihr Kommentar kam am Freitagabend in das Tool und wurde heute Morgen freigeschaltet wie alle Kommentare, die übers Wochenende aufgelaufen sind.
Kommentare geschlossen
Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.