Papst: Kurie als Vorreiter der Synodalität

Der Synodale Prozess auf Weltebene bestimmt die Debatten in der katholischen Kirche in den kommenden zwei Jahren. Papst Franziskus will, dass die Römische Kurie zur Vorreiterin für eine synodale Arbeitsweise wird. Das machte er am Donnerstag beim traditionellen Weihnachtsempfang für die Spitzen der Zentralverwaltung deutlich. Wichtige Stichworte sind für ihn dabei Demut, Transparenz, Nüchternheit und Zusammenarbeit. „Nur wenn wir dienen und unsere Arbeit als Dienst verstehen, können wir wirklich für alle nützlich sein“, betonte Franziskus. Zugleich kritisierte er einmal mehr Begünstigungen und Seilschaften. Weihnachten sei die Zeit, „in der jeder von uns den Mut haben muss, seine Rüstung abzulegen, die Kleider seiner Rolle, seiner gesellschaftlichen Anerkennung, des Glanzes dieser Welt abzulegen und die Haltung der Demut und Bescheidenheit einzunehmen“.

Pandemiebedingt fand die Begegnung mit den Spitzen der Römischen Kurie in diesem Jahr erneut in der Benediktionsaula statt. Kardinaldekan Giovanni Battista Re überbrachte die Weihnachtsgrüße der Kardinäle und Bischöfe. (Quelle: VaticanMedia/epa)

Haltung der Demut einüben

Mit Spannung erwarten jedes Jahr Kardinäle wie Journalisten den Weihnachtsempfang des Papstes für die Kurienspitzen. Während früher die Päpste bei dieser Gelegenheit einen Rückblick auf das vergangene Jahr gaben, nutzt Franziskus diesen Termin regelmäßig, um seine Sicht auf die Römische Kurie kundzutun. Dabei fiel in den vergangenen Jahren sein Fazit oft hart aus. Für so manchen Kardinal wirkte das Treffen kurz vor dem Fest gar nicht so weihnachtlich, sondern eher wie ein Termin mit Gardinenpredigt. Etwa als Franziskus 2014 der Kurie eine Reihe von Krankheiten attestierte, darunter Schizophrenie, Größenwahn und Geschwätzigkeit. Um Letzteres ging es in diesem Jahr zumindest in einem der Geschenke, die Franziskus seinem Führungspersonal übergab. Es ist ein Werk von Erzbischof Fortunatus Nwachukwu. Der aus Nigeria stammende Vatikandiplomat beschäftigt sich in seinem Werk „Parola Abusata“ mit dem Geschwätz und dessen Folgen für die Identität. Ihm gefalle dieses Buch, so Franziskus.

In der Rede an die Kurienchefs klangen viele Lieblingsthemen des Papstes an: seine Kritik an Ruhmsucht und Stolz, seine Aufforderung zu Demut und Dienen. „Der bescheidene Mensch bringt hervor, lädt ein und drängt auf das Unbekannte zu. Der Stolze hingegen wiederholt, erstarrt und verschließt sich in seiner Wiederholung, er fühlt sich sicher in dem, was er kennt, und fürchtet das Neue, weil er es nicht kontrollieren kann, er fühlt sich dadurch aus dem Gleichgewicht gebracht, denn er hat sein Gedächtnis verloren“, erklärte das Kirchenoberhaupt. „Erinnern“ und „Neues hervorbringen“ seien die Kategorien, von denen sich der demütige Mensch leiten lasse. Da er wisse, „dass weder seine Verdienste noch seine „guten Gewohnheiten“ der Anfang und die Grundlage seiner Existenz sind“, könne er vertrauen und Neues wagen.

Synodalität für die römische Zentrale

Mit Blick auf den Synodalen Prozess warnte er vor einer Engführung der in der Kirche Handelnden. Alle seien Kinder Gottes. „Der Klerikalismus, der sich als Versuchung täglich unter uns schleicht, lässt uns immer an einen Gott denken, der nur zu einigen wenigen spricht, während die anderen nur zuhören und ausführen müssen.“ Die Synode sei die Erfahrung, dass alle Glieder eines größeren Volkes seien. Er forderte, dass die Kurie zum Vorbild für eine synodale Kirche werde. „Die Kurie ist nicht nur ein logistisches und bürokratisches Werkzeug für die Bedürfnisse der Weltkirche, sondern sie ist der erste Organismus, der zum Zeugnis berufen ist, und gerade deshalb gewinnt sie immer mehr an Maßgeblichkeit und Wirksamkeit, wenn sie die Herausforderungen der synodalen Umkehr, zu der auch sie berufen ist, selbst annimmt.“ Diese müsse sich an der biblischen Botschaft orientieren.

Wenn das Wort Gottes an den Wert der Armut erinnere, müssten die Mitarbeitenden in der Kurie „die Ersten sein, die sich zu einer Umkehr zur Nüchternheit verpflichten. Wenn das Evangelium Gerechtigkeit verkündet, müssen wir als Erste versuchen, transparent zu leben, ohne Begünstigungen und Seilschaften. Wenn die Kirche den Weg der Synodalität einschlägt, müssen wir die Ersten sein, die sich auf einen anderen Arbeitsstil, auf Zusammenarbeit, auf Gemeinschaft umstellen“, so der Papst. Komplizenschaft schaffe Spaltungen, Parteiungen und Feinde, mahnte Franziskus. Zusammenarbeit erfordere daher die Größe, „die eigene Unvollständigkeit zu akzeptieren und offen zu sein für Teamarbeit, auch mit denen, die nicht so denken wie wir“. Eine solche Perspektive der Gemeinschaft bringe dann auch „die Anerkennung der Vielfalt mit sich“, ist der Papst überzeugt.

Mega-Baustelle Kurie

Die Themen sind für Franziskus nicht neu. Gebetsmühlenartig predigt er seinen engsten Mitarbeitern, wie er sich eine Verwaltung vorstellt. Allerdings liegt es auch an ihm, wenn die Dinge nicht umgesetzt werden, etwa die von ihm beschworene Teamarbeit und Gemeinschaft. Noch immer gibt es keinen institutionalisierten Austausch zwischen den Dikasterien. Regelmäßige Treffen der Leiter oder der Sekretäre der Dikasterien – einmal im Monat oder alle 14 Tage – könnten schon viel bewirken. Interdikasterielle Abstimmungen gründen oft in er persönlichen Initiative einzelner Kurialer. Das ist nur ein Beispiel, wo gehandelt werden könnte und müsste. Dafür braucht es noch nicht einmal eine große Kurienreform. Die lässt weiter auf sich warten. Die neue Konstitution liegt bereits seit Monaten zur abschließenden Begutachtung auf dem Schreibtisch des Papstes. Vielleicht liegt die Verzögerung auch daran, dass sich erste Reformen bereits als problematisch herausstellen und die Konstitution nochmal verändert werden muss.

Vor fünf Jahren startete das neue Superministerium für „ganzheitliche Entwicklung des Menschen“, das in sich vier Päpstliche Räte vereinte: Justitia et Pax, Entwicklungshilfe, Krankenpastoral sowie Migranten und Menschen unterwegs. Vor wenigen Monaten ordnete Franziskus eine Visitation des Dikasteriums an, um dieses „Experiment“ zu evaluieren. Die Ergebnisse wurden nicht veröffentlicht. Auffallend ist, dass bereits im vergangenen Sommer zwei Personen das Leitungsgremium des Dikasteriums verlassen haben. Der Vatikan gab gestern offiziell bekanntgab, dass Kardinal Peter Turkson als Präfekt nach Ablauf des Quinqueniums zum Jahresende nicht verlängert wird.

Übergangsweise leitet Kardinal Michael Czerny SJ die Behörde, bis ein neues Präsidium ernannt wird. Turksons Name wurde in der Vergangenheit immer wieder genannt, wenn es um einen möglichen Papabile aus Afrika ging. Dass er jetzt aus dem Amt ausscheidet, überrascht viele. Allerdings gab es immer wieder Hinweise auf Kritik an seinem Führungsstil. Nachdem im Frühjahr bereits Kardinal Robert Sarah als Chef der Gottesdienstkongregation in den Ruhestand ging, gibt es nach der Pensionierung Turksons keinen Kurienchef mehr, der aus Afrika stammt. Die Kurie bleibt für Franziskus eine große Baustelle: personell, strukturell und auch was den Habitus, also das Auftreten der Kurialen gegenüber den Gläubigen und Kirchenvertretern in den Ortskirchen anbetrifft.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

2 Kommentare

  • Wanda
    24.12.2021, 15:21 Uhr.

    Kirche und Bescheidenheit ? Man vergleiche nur den armen Wanderprediger Jesus in seinen staubigen Sandalen mit den herausgeputzten weihrauchumnebelten geistlichen Würdenträgern in Pomp und Gloria, die sich groteskerweise auf ihn berufen. Da erledigt sich das Thema Bescheidenheit im Klerus gleich von selbst…

  • Erasmus
    01.01.2022, 15:29 Uhr.

    Franziskus predigt „seinen engsten Mitarbeitern, wie er sich eine Verwaltung vorstellt. Allerdings liegt es auch an ihm, wenn die Dinge nicht umgesetzt werden, etwa die von ihm beschworene Teamarbeit und Gemeinschaft. Noch immer gibt es keinen institutionalisierten Austausch zwischen den Dikasterien.“ (ERBACHER)
    Es ist ein Problem, wenn Franziskus im Vatikan wie ein WANDERPREDIGER auftritt, statt als uneingeschränkter Monarch Strukturen für eine bessere Zusammenarbeit innerhalb der Kurie vorzugeben. Das allerdings würde bedeuten, sich selbst an die Kandare zu nehmen, weil ein institutionalisiertes KURIALES SPITZENGREMIUM koordiniert und geführt werden müsste und dem Papst dauerhaften Austausch und Abstimmung abverlangen würde.
    Gegenwärtig gilt das Prinzip „TEILE UND HERRSCHE“. Wenn zum Beispiel im Sommer 2020 die Kongregation für den Klerus die deutsche katholische Kirche mit einer Instruktion zur „pastoralen Umkehr der Pfarrgemeinde“ konsternierte, dann durfte die Öffentlichkeit darüber rätseln, wie weit Franziskus – der das Papier zwar nicht unterschrieben, aber approbiert hatte – dafür die Verantwortung trägt. In der aktuellen Ausgestaltung der Papstrolle, steht es Franziskus frei, sich dazu zu äußern oder auch nicht.
    So wie es sich die Kurie leistet, Briefe und Anfragen aus den Ortskirchen nicht oder irgendwann zu beantworten, und so wie das Kirchenrecht in Rom nach GUTDÜNKEN angewendet wird, so leistet es sich der Papst – wenn nicht in brisanten Fragen gezwungen – die Dinge mehr oder weniger laufen zu lassen, um dann – verantwortungsbefreit – als moralisch-ethisches Gewissen von Kirche und Welt aufzutreten zu können.

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