Der Papst und die „wahren Helden“
Ungewöhnliche Bilder kommen in den Kar- und Ostertagen 2020 auch aus dem Vatikan. Papst Franziskus feierte am Morgen den Palmsonntagsgottesdienst nicht mit zehntausenden Gläubigen auf dem Petersplatz, sondern mit wenigen Mitwirkenden im Petersdom, nicht am großen Papstaltar, sondern am Kathedra-Altar. Die Corona-Pandemie bedeutet für Christen weltweit, den Höhepunkt des Kirchenjahres in ungewohnter Form zu feiern. Auch die Juden müssen für das anstehende Pessachfest neue Formen des Feierns finden und für die Muslime beginnt Ende April der Ramadan. Corona fordert die Religionen heraus.
Gewissenserforschung und Trost
Inspiriert durch die Bibeltexte des Palmsonntag, die den Einzug Jesu in Jerusalem sowie seine Leidensgeschichte schildern, sieht Papst Franziskus zu Beginn der Karwoche in diesem Jahr eine doppelte Perspektive. Das eine ist die Erfahrung des Verrats und des Verleugnens, die Jesus gemacht hat. Hier fordert Franziskus jeden einzelnen zur Gewissenserforschung auf, denn am schmerzlichsten sei es, von denen verraten zu werden, die versprochen haben, uns loyal und nahe zu sein. „Wie viel Unaufrichtigkeit, Heuchelei und Doppelzüngigkeit da doch ist! Wie viele gute Absichten wir verraten haben! Wie viele gebrochene Versprechen! Wie viele Vorsätze haben wir aufgegeben!“
Zugleich, so Franziskus, könne die Erfahrung des Leidens Jesu, der die „äußerste Trostlosigkeit“ und die „totale Verlassenheit“ erfahren habe, auch Botschaft der Hoffnung und Zuversicht sein. „In dieser dramatischen Situation der Pandemie, angesichts so vieler Gewissheiten, die zerbröckeln, angesichts so vieler enttäuschter Erwartungen, in diesem Gefühl bedrückender Verlassenheit, sagt Jesus zu einem jeden: ‚Nur Mut! Öffne dein Herz meiner Liebe. Du wirst den Trost Gottes spüren, der dir beisteht.‘“ Eigentliche Bestimmung des Menschen sei es, Gott und seine Mitmenschen zu lieben, erklärte der Papst. „Das Drama, das wir gerade durchleben, drängt uns, die ernsten Dinge ernst zu nehmen und uns nicht in Belanglosigkeiten zu verlieren; wiederzuentdecken, dass das Leben zu nichts dient, wenn man nicht dient.“
Papst ermutigt Jugendliche, „wahre Helden“ zu werden
Der Weg des Dienens sei der Weg des Sieges, ist Franziskus überzeugt, auch wenn er bisweilen wie ein Kreuzweg erscheine. „Sicherlich, zu lieben, beten, vergeben und sich um andere zu kümmern, in der Familie wie auch in der Gesellschaft, kann einiges kosten.“ Am Ende seiner Predigt wandte sich Franziskus an die jungen Menschen: „Liebe Freunde, schaut auf die wahren Helden, die in diesen Tagen zum Vorschein kommen. Es sind nicht diejenigen, die Ruhm, Geld und Erfolg haben, sondern diejenigen, die in Selbsthingabe anderen dienen.“
Traditionell ist der Palmsonntag der Tag, an dem in den Diözesen der Welt dezentral der Weltjugendtag gefeiert wird. Eigentlicht wollten beim Gottesdienst auf dem Petersplatz heute Jugendliche aus Panama, wo 2019 der letzte internationale katholische Weltjugendtag stattfand, das Weltjugendtagskreuz an Jugendliche aus Lissabon übergeben, wo 2022 das nächste internationale katholische Weltjugendtreffen stattfinden soll. Der Papst kündigte an, dass die Übergabe auf den 22. November verschoben wurde.
Videobotchaft zur Karwoche
Am vergangenen Freitag hatte der Papst sich in einer eigenen Videobotschaft zu Beginn der Karwoche an die Familien in aller Welt gewendet. Es sei ein schwerer Moment für alle Menschen, so Franziskus. Er erinnerte besonders an die Menschen, die alleine sind, und an die vom Coronavirus Betroffenen, an die Obdachlosen und jene, die um ihren Arbeitsplatz fürchten. „Versuchen wir, wo es möglich ist, diese Zeit so gut wie möglich zu nutzen: seien wir großzügig; helfen wir denen, die Hilfe bedürfen in unserer Nachbarschaft; suchen wir über Telefon oder die sozialen Netzwerke die, die allein sind.“ Es sei jetzt die „Kreativität in der Liebe“ gefordert. „Ich bin mir der Selbstlosigkeit all jener bewusst, die sich für die Heilung dieser Pandemie Gefahren aussetzen oder um wichtige Dienste für die Gesellschaft zu garantieren. Wie viele Heldinnen und Helden, täglich, stündlich!“
Der Papst möchte zu Beginn der Karwoche in aller Trostlosigkeit der Gegenwart eine positive Haltung vermitteln. Beim Gottesdienst am Palmsonntag im Petersdom erklärte er: „Versuchen wir, mit denen Kontakt zu halten, die leiden, die allein sind und bedürftig. Denken wir nicht nur an das, was uns fehlt, sondern auch an das Gute, das wir tun können.“ Das ist aus seiner Sicht das Gebot der Stunde.
P.S. Am Karfreitag übertragen wir im Livestream auf ZDFheute.de um 21 Uhr den Kreuzweg mit Papst Franziskus vom Petersplatz in Rom. Am Karsamstag gibt es um 23 Uhr live im ZDF die Osternacht mit Bischof Peter Kohlgraf aus dem Mainzer Dom, am Ostersonntag dann um 9.30 Uhr im ZDF den evangelischen Ostergottesdienst und um 11 Uhr bei ZDFheute.de im Livestream die Ostermesse und den Segen Urbi et orbi mit Papst Franziskus aus Rom.
P.P.S. „Glaube in Zeiten der Pandemie“ – die Sendung „sonntags“ von heute zum Nachsehen hier.
8 Kommentare
Nun, ob der am Beatmungsgeraet nach Luft ringende CoVid19-Patient den Trost Gottes spuert, wage ich doch mit Verlaub zu bezweifeln…
Warum nicht der Trost einer allgegenwärtigen höheren Dimension, als Ursprungsquelle wie Empfangsort allen Lebens, die diesen Trost in jeder Situation vermittelt wenn die Stunde naht. Oder sollte an dessen Stelle besser das banale irdische, wie destruktive Verständnis von Atheisten wie Nihilisten treten, die das eigene Licht alsbald für immer und ewig nur ausgeknipst sehen?
Silberdistel 10.04. 01:07
– Nun ja, barmherzig, allgegenwärtig und auch allmächtig ?
Wie schon erklärt: ein Arzt, der mit seinen schwachen Mitteln einem Patienten vor Zeugen die Hilfe verweigert, muss vor Gericht und darf mit Recht eine heftige Strafe, vermutlich sogar Berufsverbot erwarten.
Und der als so barmherzig, allmächtig und allgegenwärtig gepriesene Gott ? Dem wird von seinen Gläubigen ein Persilschein ausgestellt.
– Und zum Ihrem Vorwurf gegen Atheisten und Nihilisten: Ich habe die unwiderlegbare Gewissheit, dass all das was mich als physisch und geistig-charakterliches Wesen ausgemacht hat, definitiv endet und über die Zeit in seine kleinsten Bestandteile, Substanzen und Urstoffe zerfällt und wieder im Ganzen aufgeht, wo alle menschliche Befindlichkeit endet. Dieses simple Wissen ist mir genug. Es verleiht mir tiefe Ruhe und Befriedigung und nimmt mir jede Art der absurden Besorgnis: wie mag es weitergehen, was kommt danach ? Gleichzeitig vermittelt mir diese Gewissheit um die eigene Endlichkeit Sicherheit und auch die Fähigkeit loszulassen. Meine einzige Besorgnis dreht sich um ein selbst bestimmtes Abschiednehmen in Würde und um das Wohlergehen jener, die ich zurücklassen muss.
– Übrigens zeigt sich gerade jetzt sehr deutlich, welche Bedeutung Religion und Kirche überhaupt noch haben. Einzig die Medien räumen ihnen noch den traditionell saisonbedingten publizistischen Raum ein (zu Weihnachten und Ostern), der sich in erster Linie wohl nur noch aus den arbeits- bzw. schulfreien Tagen speist.
Sehr geehrter Herr Erbacher,
warum um alles in der Welt überträgt man diesen Kreuzweg und nicht die viel wichtigere Feier vom Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus?
„Wie viel Unaufrichtigkeit, Heuchelei und Doppelzüngigkeit da doch ist! Wie viele gute Absichten wir verraten haben! Wie viele gebrochene Versprechen! Wie viele Vorsätze haben wir aufgegeben!“
Ob sich da Joseph Ratzinger mit seinem vielfach gebrochenen Schweigeversprechen angesprochen fühlt?
Es ist gefährlich für diejenigen, die das leuchtende Feuer des Lebens aus dem Christus allen voran tragen, der neuen Angst nachzugeben. Desjenigen, der als einer der Ersten den Tod überwandt.
Es gibt immer andere Wege, Möglichkeiten im Leben. Ohne das man deshalb ein Tor sein müßte, diese auch abseits, zu begehen. Wer schlau ist, nutzt sie! Um der neuen Angst so wenig als möglich Raum zu bieten.
Warum nicht Abstände einhalten, Desinfektionsmöglichkeiten anbieten und in vernünftiger Weise mit Rücksicht aufeinander zu gebrauchen? Um trotzdem zu ehren, zu feiern und damit letztlich die Stirn zu bieten, wie es einmal das Vorbild vorgelebt hatte.
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