Appell für Reformen

Papst Franziskus hat zum Auftakt der Amazonassynode zu mutigen und klugen Reformen aufgerufen. In seiner Predigt beim Eröffnungsgottesdienst warnte er am Morgen, Benedikt XVI. zitierend: „Die Kirche darf sich keinesfalls auf eine Pastoral der ‚Aufrechterhaltung‘ beschränken, die auf jene ausgerichtet ist, die das Evangelium Christi bereits kennen.“ Klugheit dürfe, so Franziskus weiter mit Verweis auf den Katechismus, weder mit Ängstlichkeit noch mit Schüchternheit verwechselt werden. Vielmehr gehe es um eine „wagemutige Klugheit“. Damit weckt Franziskus weitere Hoffnungen auf Veränderung und Reformen bei den bevorstehenden Beratungen.

Papst Franziskus rief zu mutigen Reformen auf. (Quelle: Erbacher)

Steriler Gottesdienst zur Eröffnung

Größer konnte die Diskrepanz kaum sein. Nichts deutete beim Gottesdienst heute Morgen im Petersdom darauf hin, dass es sich um die Eröffnungsliturgie für die Amazonassynode handelte. Immerhin durften Indigene bei der Gabenprozession mitwirken. Doch es wurde weder getanzt noch waren Lieder aus der Region zu hören. Dabei hätte die Volksfrömmigkeit und Spiritualität der Indigenen vieles geboten. Es spricht nicht gerade für die Sensibilität der Organisatoren, einen rein auf Latein gehaltenen Gottesdienst, von den Lesungstexten, Predigt und Fürbitten abgesehen, an den Anfang einer Synode zu stellen, die über Inkulturation, Interkulturalität und die Vielfalt des katholischen Glaubens diskutieren soll.

Auch wenn Franziskus in seiner Ansprache das Wort Reform nicht in den Mund nahm, war die Intention seiner Rede deutlich. Es war ein klarer Appell an die Synodenväter zu mutigen und klugen Entscheidungen, die nicht darin bestehen können, den Status quo bewahren zu wollen. Denn dann laufe man Gefahr, die Gnadengabe Gottes, die dieser den Hirten anvertraut habe, „unter der Asche der Sorgen und Ängste“ zu ersticken. Er mahnte mit Verweis auf den Apostel Paulus zur Klugheit im Handeln. Der Apostel habe selbst darauf verwiesen, dass Gott den Menschen nicht den Geist der Verzagtheit, sondern der Klugheit gegeben habe.

Mutige Klugheit gefordert

„Manche denken, Klugheit ist die Tugend des Grenzpostens: alles anhalten, um nichts falsch zu machen. Nein; die Klugheit ist christliche Tugend, Lebenstugend, ja, Regierungstugend. Und Gott hat uns diesen Geist der Klugheit gegeben“, erklärte Franziskus. „Sie ist die Tugend des Hirten, der, um mit Weisheit zu dienen, im Stande ist, sich in Feinfühligkeit für die Neuheit des Geistes zu entscheiden.“ Franziskus verwies sogar eigens auf den Katechismus, der lehre, dass Klugheit nicht mit Schüchternheit oder Ängstlichkeit zu verwechseln sei. Gerade die Verweise auf den Katechismus und auf Benedikt XVI. sind interessant. Es könnte einerseits eine Brücke sein für die Konservativen, andererseits aber auch eine Mahnung an diese, dass er mit seiner Forderung nach Veränderung in Kontinuität mit seinen Vorgängern und der Lehre steht.

Der Papst erinnerte in der Predigt daran, „dass oft die Gabe Gottes nicht angeboten, sondern aufgezwängt“ worden war, dass es oft „Kolonisierung statt Evangelisierung“ gegeben habe. „Gott bewahre uns vor der Gier neuer Kolonialismen“, mahnte Franziskus. Scharf geißelte er „zerstörerische Interessen“ in der Region. „Das von zerstörerischen Interessen gelegte Feuer wie jenes, das kürzlich das Amazonasgebiet verwüstet hat, ist nicht das aus dem Evangelium“, erklärte das Kirchenoberhaupt. Dieses Feuer des Evangeliusm nähre sich durch Teilen, nicht durch Gewinne. „Das verschlingende Feuer hingegen lodert auf, wenn man nur die eigenen Ideen voranbringen, die eigene Gruppe bilden, die Verschiedenheiten verbrennen will, um alles und alle zu vereinheitlichen.“

Hohe Erwartungen an Beratungen

Franziskus hat mit seiner Predigt die Hoffnungen auf Veränderungen im Rahmen der Synode noch einmal erhöht. Umso mehr steht für ihn nun auf dem Spiel. Die Erfahrung zeigt, wenn die Mehrheit der Synode sich am Ende der Beratungen für Veränderungen ausspricht, wird er den Weg mitgehen. Sollten sich aber keine Mehrheiten finden, wird es schwierig. Franziskus ist nicht der Typ, der dann eigenmächtig Dinge durchsetzt. Deshalb kommt es sehr darauf an, wie die Beratungen in den nächsten Wochen laufen. Dabei spielt der Generalrelator, Kardinal Claudio Hummes, eine wichtige Rolle. Er wird die inhaltlichen Linien vorgeben und auch die Diskussionen am Ende zusammenfassen. Hummes ist ein enger Vertrauter des Papstes. Beide werden am Montagmorgen mit ihren Statements zur Eröffnung der Beratungen die entscheidenden Impulse setzen.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

8 Kommentare

  • Maria
    06.10.2019, 15:44 Uhr.

    Ganz herzlichen Dank für diesen Artikel und auch für die letzten. Sie sind wohltuend sachlich und helfen so, dass man sich ein klares Bild machen kann von den Anliegen der Synode und auch um den synodalen Weg in Deutschland.
    Noch eine kleine Anmerkung zur Ermahnung des Papstes, dass die Kardinäle ihm gegenüber zu Gehorsam verpflichtet sind: für mich ist ein deutliches „es reicht mit den Querschüssen“ herauszuhören.
    Es ist für mich auch nicht nachvollziehbar, dass Kardinäle, die eigentlich Berater des Papstes sein sollen, ihre Position dazu nützen, ihn zu kritisieren und anzugreifen, um ihre eigenen (theologischen) Positionen zu verteidigen bzw. durchzusetzen. Pastoral: unbekannt.

  • neuhamsterdam
    10.10.2019, 23:59 Uhr.

    „Ob es wirklich keine Reformen geben wird?
    Allein schon das was Herr Erbacher jetzt schon von der Amazonassynode schreibt wäre vor 10 Jahren noch unvorstellbar gewesen.“
    Schon Machiavelli rät den Herrschern, als gütig zu gelten.
    „Und immerhin GIBT es die Tatsache, daß am Amazonas Frauen ganz selbstverständlich Gemeinden leiten.“
    Wenn eine Frau aus Niederbayern als Ordensschwester in den Amazonas geht um dort zu wirken, dann wird sie sich normalerweise ihrer dortigen Glaubensgeschwister annehmen, da kein Priester vorhanden ist. Wenn nun ein Amazonasbischof dazu hinreißen läßt, einen Missionar aus Niederbayern in seinem Bistum zu dulden, dann wird sich die niederbayerische Ordenschwester weiter selbstverständlich um diese Gemeindemitglieder kümmern, die Leitung der Gemeinde wird sie aber selbstverständlich dem Priester überlassen. Host mi?
    Die gemachte Botschaft geht doch zurück nach dem reichen Europa und ist wie jede Werbung: geschönt und gedreht und absichtlich.
    Man sucht und findet Statisten für die Statistik. Und natürlich ist Kolonialismus und Ausbeutung doof. Das muß bekämpft werden.
    Man könnte Missionare in den Amazonas schicken. Dann müßte man aber auf die wertvollen Bilder und spirituellen Leidensnachrichten verzichten, die in der Ersten Welt hoch gehandelt werden, um Progressive vom Kirchenaustritt abzuhalten.
    Wem nützt das ganze? Jenen, die das lesen können.
    Und früher? Jenen, die lesen konnten.
    In der Bibel steht schon, selbst Diktatoren wollen als barmherzig gelten.
    Für jede Zeit gilt: Große Fehler wurden in der Vergangenheit gemacht, die Gegenwart mag schwierig oder kastastrophal sein, aber in Zukunft soll alles besser werden – versprochen!
    Mit dieser Schablone sieht man die Leute, die sich über dieses oder jenes aufregen, im Zustand eine organisierten Rituals. Denn die Welt wird sich nicht ändern und wenn sie sich ändert, wird sie wieder wie vorher.
    Wie es der Papst ausdrückte: Weihnachten ist ein Zirkus.
    Die Leute wollen glauben, daß sich was ändert. Das ist biologisch bedingt und erzeugt erheblich Wohlbefinden.

  • Wanda
    12.10.2019, 17:57 Uhr.

    Frage mich warum man überhaupt die Indigenen missionieren muss ? Die geschichtliche Erfahrung zeigt, dass damit unweigerlich deren (sowieso unaufhaltsamer) Niedergang inklusive ihrer Kultur und Existenz nur beschleunigt wird. In Abwandlung einer bekannten Phrase: am (ausgerechnet) christlichen Wesen sollen Indigene genesen?
    Wohl kaum und ausserdem eine geradezu Pervertierung des Heilgedankens…

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