Papst fordert von US-Bischöfen radikale Umkehr
Papst Franziskus hat die US-Bischöfe zu Beginn einer Exerzitienwoche zu Einheit und einer radikalen Haltungsänderung aufgerufen. Das Treffen ist Teil der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in den USA. Der Papst hatte es angeordnet. Er wollte sogar selbst nach Chicago reisen, doch aus „logistischen Gründen“ sei das am Ende doch nicht möglich gewesen, schreibt er in einem Brief an die Bischöfe. Darin spricht Franziskus von Spannungen, Konflikten und Gegensätzen, die es in den ersten Gemeinden gegeben habe, die er aber auch jetzt in der US-Kirche sieht. Diese gelte es zu überwinden, um wieder Glaubwürdigkeit beim Volk zu gewinnen. Diese sei zum einen durch die Missbrauchsfälle verloren gegangen, mehr aber noch durch den Umgang mit dem Skandal sowie einer falschen Haltung der Hirten. Es reichten daher nicht organisatorische Maßnahmen aus, um das Problem in den Griff zu bekommen und um neue Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Vielmehr brauche es daneben „auch eine Konversion unseres Geistes, unserer Art zu beten, die Macht auszuüben und das Geld zu verwalten, die Autorität zu leben und auch wie wir untereinander und mit der Welt in Beziehung stehen“. An Sätzen wie diesen wird deutlich, dass Franziskus den Brief zwar an die US-Bischöfe schreibt, es sich hier aber um einen programmatischen Text handelt, mit dem Franziskus Wege aus einer der schwersten Krisen der katholischen Kirche weltweit aufzeigen will.
Muss die DNA der Kirche verändert werden?
Interessant ist, dass Franziskus seit längerer Zeit schon nicht mehr nur vom sexuellen Missbrauch spricht, sondern meist im Dreiklang vom Missbrauch des Gewissens, der Macht und des sexuellen Missbrauchs. Für ihn hängen die drei zusammen und damit ist zumindest für den Papst klar, dass es bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals um mehr geht als um einige strukturelle Maßnahmen sowie die Verbesserung der Präventionsarbeit. Wenn man Macht- und Gewissensmissbrauch verhindern will, geht es an die DNA der Kirche. Dazu braucht es viel Mut. Das Jahr 2019 wird zeigen, ob Franziskus diesen Mut hat; und selbst wenn er ihn hat, ob er auch die Kraft dazu hat, Veränderungen an der DNA vorzunehmen. Der Streit zwischen dem neuen Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer, nach dessen Ansicht der Missbrauch von Macht „in der DNA der Kirche“ stecke, und dem Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, der dem widerspricht, zeigt schon, dass es längst noch keinen Konsens darüber gibt, welche Konsequenzen angesichts der aktuellen Krise wirklich zu ziehen sind und wie weitreichend die Reformen sein müssen.
Im Mittelpunkt des Briefes an die US-Bischöfe stehen nicht die Opfer. Das kann man kritisieren. Allerdings hat Franziskus in den vergangenen Monaten immer wieder deutlich gemacht, dass er die Betroffenen sehr wohl im Blick hat. Im Zentrum des Briefes stehen die Spannungen innerhalb des Episkopats und die Glaubwürdigkeit, die nachhaltig beschädigt ist und die Kirche daran hindert, ihrer eigentlichen Aufgabe gerecht zu werden. Denn, so stellt Franziskus fest, „jedes Mal, wenn das Wort des Evangeliums stört oder zu einem unbequemen Zeugnis wird, gibt es nicht wenige Stimmen, die es zum Schweigen bringen wollen mit dem Verweis auf die Sünde und die Inkongruenz der Mitglieder der Kirche und besonders ihrer Hirten“.
Wie neue Glaubwürdigkeit gewinnen?
Vom Umgang der Kirche mit dem Missbrauchsskandal – seinen Ursachen und Folgen – hängt die Zukunft der Kirche entscheidend ab. „Die Wunde der Glaubwürdigkeit erfordert eine besondere Herangehensweise, denn man löst sie nicht mit freiwilligen Dekreten oder indem man einfach neue Kommissionen einrichtet oder die Arbeitsorganigramme verbessert als wären wir Chefs einer Agentur für Personalmanagement.“ Die Wunde in der Glaubwürdigkeit gehe viel tiefer und erfordere eben eine neue Haltung. Hier könnte auch ein Schlüssel für das Vorgehen des Vatikans liegen, der im Herbst die US-Bischofskonferenz gebremst hatte, neue Beschlüsse im Aufarbeitungsprozess zu fassen. Unter anderem sollte eine Laien-Kommission zur Aufarbeitung von Vorwürfen gegen Bischöfe eingerichtet und ein Verhaltenskodex für die Bischöfe verabschiedet werden. Der Vatikan hatte damals unter anderem kirchenrechtliche Bedenken geäußert und gebeten, mit weiteren Beschlüssen bis nach dem Sondergipfel zum Thema Missbrauch Ende Februar im Vatikan zu warten. Das hatte unter Betroffenen für Unmut gesorgt. Vor dem Hintergrund des aktuellen Briefs kommt nun eine neue Komponente hinzu, nämlich die auch in anderen Kontexten vom Papst wiederholt vorgetragene Überzeugung: Kommissionen bringen nur etwas, wenn die Bischöfe auch ihre Amtsführung verändern.
Franziskus schreibt von einer „neuen kirchlichen Jahreszeit“, die nicht Verwalter als Hirten brauche, sondern „Meister der Unterscheidung“, denn „Ideen werden debattiert, aber die lebendigen Situationen muss man unterscheiden“. Glaubwürdigkeit wachse aus Vertrauen, Vertrauen entstehe „aus dem ehrlichen und täglichen Dienst, der demütig und frei gegenüber allen ausgeübt“ werde. Da haben aus Sicht des Papstes Intrigen, Diskreditierung der anderen, Uneinigkeit und Gewalt unter Brüdern keinen Platz. Vielmehr sei es Aufgabe, Identität und Mission der Kirche, „unermüdlich für alles zu arbeiten, was zur Einheit unter den Personen und Völker beitragen kann“. Davon sieht Franziskus die US-Bischöfe weit entfernt und deshalb hat er ihnen die Exerzitien verordnet. Beim Treffen der Vorsitzenden der Bischofskonferenzen im Februar im Vatikan hat er vier Tage Zeit, um diese Gedanken dann dem Weltepiskopat mit auf den Weg zu geben. Letztendlich sieht Franziskus als einen Schlüssel zum Erfolg sein von Anfang an vorgetragenes Ideal des Kirchenführers, der nicht herrscht, sondern demütig dient. Worte gibt es auch an dieser Stelle viele, jetzt gilt es, das konkret in Taten umzusetzen und die entsprechenden Strukturen zu schaffen.
Kurienbischof unter Missbrauchsverdacht
Unterdessen gibt es erstmals Missbrauchsvorwürfe gegen einen Kurienbischof, den Assessor in der vatikanischen Güterverwaltung APSA, Gustavo Zanchetta. Seit einigen Wochen gibt es in dessen Heimatland Argentinien Medienberichte, in denen von Machtmissbrauch, sexuellem Missbrauch und wirtschaftlichen Verfehlungen die Rede ist. Vieles ist dabei unklar, auch ob von den angeblichen Übergriffen Minderjährige betroffen sind. Immerhin gibt es kircheninterne Vorermittlungen. Das bestätigte heute der Interims-Pressesprecher des Vatikans, Alessandro Gisotti. Der amtierende Bischof von Oran habe aufgrund der aktuellen Vorwürfe und der jüngsten Medienberichte bereits einige Zeugen angehört. Die Ergebnisse seien noch nicht bei der Bischofskongregation eingegangen. Sollten sich Anhaltspunkte bestätigen, werde der Fall an die betreffende Sonderkommission für Bischöfe übergeben. Zanchetta übe sein Amt für die Zeit der Untersuchungen nicht aus, so der Vatikansprecher.
Die Vorwürfe gegen Zanchetta sind nun ein weiteres Kapitel in einer etwa undurchsichtigen Biografie. Die Ernennung von Zanchetta zum Bischof von Oran im Norden Argentiniens im April 2013 war eine der ersten Personalentscheidungen des damals neu gewählten Papstes. Vier Jahre später bat der heute 54-Jährige Franziskus dann plötzlich um die Entpflichtung, offiziell aus gesundheitlichen Gründen sowie wegen schwieriger Beziehungen zum Klerus in seinem Bistum. Nachdem er mehrere Monate abgetaucht war, berief ihn der Papst Ende 2017 überraschend auf den Posten eines Assessors bei der mächtigen vatikanischen Güterverwaltung APSA. Die Aufgabe wurde eigens für den Argentinier geschaffen.
Vatikansprecher Gisotti betonte heute, dass gegen Zanchetta zum Zeitpunkt der Ernennung auf den Vatikanposten keine Missbrauchsvorwürfe erhoben worden seien. Diese stammten aus dem vergangenen Herbst. Auch habe Franziskus den Bischof seinerzeit nicht abgesetzt, sondern dieser habe selbst um Entpflichtung gebeten. Als Gründe nennt Gisotti das „sehr angespannt Verhältnis zum Klerus“. Die Aufgabe bei der APSA habe er „in Anbetracht seiner Fähigkeit in der Verwaltung“ vom Papst übertragen bekommen, so der Vatikansprecher. Allerdings bleiben die Vorgänge um den plötzlichen Rücktritt und die überraschende Ernennung auf den Vatikanposten bis heute undurchsichtig. Eine abschließende Bewertung der aktuellen Vorwürfe ist erst möglich, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen. Angesichts des Verlusts der Glaubwürdigkeit, von der der Papst in seinem Brief an die US-Bischöfe immer wieder spricht, wäre auch im Falle Zanchettas eine unabhängige Untersuchung hilfreich. Rein kircheninterne Ermittlungen werden immer wieder Zweifel aufkommen lassen, ob nicht doch am Ende der Papst geschützt werden soll, weil die Personalie mit ihm verquickt ist. Auch wenn die katholische Kirche natürlich das Recht hat, ihre internen Angelegenheiten in völliger Eigenregie zu regeln, hat sie sich in eine Situation hineinmanövriert, wo eigentlich nur noch eine unabhängige Instanz oder totale Transparenz helfen können.
15 Kommentare
„Rein kircheninterne Ermittlungen werden immer wieder Zweifel aufkommen lassen, ob nicht doch am Ende der Papst geschützt werden soll, weil die Personalie mit ihm verquickt ist. Auch wenn die katholische Kirche natürlich das Recht hat, ihre internen Angelegenheiten in völliger Eigenregie zu regeln, hat sie sich in eine Situation hineinmanövriert, wo eigentlich nur noch eine unabhängige Instanz oder totale Transparenz helfen können.“
Das ist völlig zutreffend. Wie will man sich in der Welt Gehör verschaffen, wenn es um so wichtige Themen wie unsere kollabierende Umwelt, die Verfolgung der Indigenos in Südamerika, Antisemitismus, Rassismus, Benachteiligung von Frauen, Homosexuellen und Familien geht, man aber den Missbrauch von Macht und Sex nicht auf die Reihe bekommt? Dazu muss wirklich über die in die Tiefenstruktur der Amtstheologie reichende Bösartigkeit nachgedacht werden – und dann diese entschieden bekämpft werden. Seit 40 Jahren hat man sich in der Theologie darüber Gedanken gemacht. Leute wie Eugen Drewermann wurden kaltgestellt. Und ein Kardinal M. aus K. setzte zum Höhenflug an: „In der Kirche gibt es keine Macht, sondern nur Vollmacht“. Das sind die Früchte von 35 Jahren JP2 und B16. Falsche Theologie, schwule Seilschaften besonders gefördert von B16, Machtmissbrauch.
Novalis 06.01. 01:10
– Sie sind total im Irrtum und dem gleichen „Kardinals“fehler (wie passend) verfallen wie der Vatikan:
– wenn es um sexuelle Verfehlungen geht, etwa mit Abhängigen oder Minderjährigen, ist es eben nicht das natürliche und schon gar nicht exklusive Recht der Kirche diese als ihre „internen Angelegenheiten“ in Eigenregie zu lösen, sondern diese und ihre Täter gehören vor die weltliche Justiz, weil es sich um Verbrechen handelt…
Frage mich wirklich welches Rechtsverständnis Sie haben ?
„Denn, so stellt Franziskus fest, „jedes Mal, wenn das Wort des Evangeliums stört oder zu einem unbequemen Zeugnis wird, gibt es nicht wenige Stimmen, die es zum Schweigen bringen wollen mit dem Verweis auf die Sünde und die Inkongruenz der Mitglieder der Kirche und besonders ihrer Hirten“.“
Mit Verlaub, dass ist eine paranoide Wahrnehmung, beruhend auf der narzisstischen Verstörung der Sicht der katholischen Kirche auf sich selbst und der Wirkmacht des von ihr auf spezifische Weise verkündeten Evangeliums über die „Welt“. Die existiert so nicht, längst nicht mehr. Fatal ist hier auch der Begriff Sünde, an dem festgehalten wird, um das Wort Verbrechen zu vermeiden, wobei hier natürlich das katholische Konzept von Verfehlungen deutlich wird und der Anspruch, sie selbst sei Kraft irgendeiner vorgestellten Vollmacht dazu befugt, Sünden zu vergeben und nicht der Staat, Verbrechen zu bestrafen. Dazu passt, das Franziskus die kirchenrechtlichen Folgen für die Täter mildern will und das in der Vergangenheit auch schon getan hat.
Das Spannngsverhältnis, in dem die katholische Kirche heute steht, ist der Verlust von Deutungshoheit in der Gesellschaft, zumindest im Westen und Nordamerika, bei gleichzeitiger Existenz von tief verankerter Pädokriminalität und sexuellem Missbrauch von Abhängigen in ihren Reihen. Franziskus reagiert darauf mit Rezepten, die seine Idee von Kirche durchsetzen sollen auf dem Rücken der Opfer und der verunsicherten Gläubigen. Das ist Klerikalismus pur und hat wenig zu tun mit den Problemen, die bei den Gläubigen auf den Nägeln brennen, vor allem in den USA. Ich halte inzwischen seine Äußerungen, die etwas Anderes vermuten lassen, für zufällig, beliebig und nicht konsistent.
Zufällig, beliebig und nicht konsistent – das ist auch mein Eindruck. Ich weiß, manche Blogger versuchen, mich als hartgesottenen Reaktionär zu zeichnen, der ich nicht bin. Ich versuche auch nicht das schönzureden, was unter seinen Vorgängern geschehen ist, aber dieser Papst erinnert mich an einen schlechten Schauspieler, der versucht, einen guten Papst zu spielen.
Micaela Riepe 05.01 12:35
– Eine an die Wurzel (Radix) gehende, d.h. radikale Situationsbeschreibung, die zu Recht das Wort Krise, die ihrem Charakter nach nur temporär ist, vermeidet. Es geht an und um die Glaubwürdigkeit, dem einzig wirklichen Kapital der Kirche, das in grosser Gefahr ist, verspielt zu werden. Fatal, muss man bemerken…
Ich muss dem Hildesheimer Bischof recht geben, der Machtmissbrauch steckt in der DNA der Kirche. „Power tends to corrupt, and absolute power corrupts absolutly.“ Auch deswegen wäre es wichtig, freiwillig auf Macht, Geld und Privilegien zu verzichten anstatt den leichten Weg zu gehen und einfach eine schlechte Theologie verantwortlich zu machen. Gibt es eigentlich einen Beleg dafür, dass BXVI. schwule Seilschaften gefördert hat oder wird das einfach mal so behauptet? Calumiare audacter..
Calumniare – so schreibt man. Man schaue sich B16 rosarote Entourage doch mal an. Da fragt man sich ja genauso wie bei ihm selber: Wie kommt man eigentlich darauf, dass die hetero sind.
Bischof Wilmer geht es um die Macht die Kleriker innerhab der Kirche ausüben, nicht in Bezug auf Staat und Gesellschaft. Aber wie hieß es gestern schon so schön: Pawlow grüßt.
„Wie kommt man eigentlich darauf, dass die hetero sind.“
das hab ich mir auch schon öfter gedacht.
ansonsten sehr gut die reaktionäre agenda von b. aufgedeckt. erstaunlich, wie wenig reaktionäre ihre eigene haltung reflektieren – oder lügen.
Danke für die Belehrung. Ich hatte eine Smartphone-Tastatur, die nicht besonders praktikabel war. Jetzt bin ich wieder an meinem normalen Rechner und kann calumniare auch richtig schreiebn.
So und jetzt zur Sache: Ich vermute, wenn ich schreiben würde „Man schaue sich B16 rosarote Entourage doch mal an.“, würde man mir wohl – vielleicht zu Recht? – Homophobie vorwerfen. Ich kenne die „rosarote Entourage“ auch nicht; persönlich glaube ich, dass Benedikt nicht homosexuell ist und erst recht nicht, dass er homosexuelle Seilschaften gefördert hat. Wenn Sie Belege (außer ominösen Verdächtigungen) oder Beweise haben: Hic Rhodus, hic salta. (Tastatur funktioniert wieder gut. :-))
Zum zweiten Punkt: Sind Sie noch nicht auf den Gedanken gekommen, dass innen und außen zusammenhängen – so wie sie auch bei Staaten zusammenhängen: Die inneren Verhältnisse bestimmen die auswärtige Politik, und die auswärtige Politik wiederum wirkt auf die inneren Verhältnisse ein. Eine Machtinstitution im Innern wird versuchen, auch nach außen hin Macht auszuüben (die Geschichte des Papsttums bietet bestes Anschauungsmaterial), und die außen akkumulierte Macht dient wiederum dazu, die Macht im Innern abzustützen. Vielleicht denkt Bischof Wilmer ja etwas weiter als Sie, aber er wird sich hüten, solche Gedanken auszusprechen, zumal er in der Bischofskonferenz ziemlich isoliert dastände.
@ Silvia: Sehe ich so wie Sie. (In sehr vielen Fragen übrigens). Ich verstehe nicht die Neigung mancher Religiöser, jede Angelegenheit bis ins Kleinste zu reglementieren. Dilige et quod vis fac – liebe und tue, was du willst, sagt Augustinus. Ich weiß nicht, ob es der Machttrieb ist, ein fehlgeleiteter Schutztrieb oder einfach mangelnde intellektuelle Auslastung.
Bernardo 28.02 23:01
– Nun ja, dass Ratzinger als Chef der Glaubenskongregation und (sagen wir mal) als folgsamer Untergebener seines Papstes die Untersuchungen gegen dessen Protegé Marcial Maciel unterbrochen- und erst wieder nach dem Tod des zum Heiligen erhobenen JPII aufgenommen hat, ist ihnen unbekannt ?
Dabei könnte er doch glatt mit einem Befehlsnotstand argumentieren. Entsprechende Vorbilder gibt’s ja nun genug…
bernardo
05.01.2019, 12:40 Uhr.
Dass der Machtmissbrauch in der DNA der Kirche steckt, betrifft nicht „nur“ den sexuellen Missbrauch sondern auch z.B. den so genannten geistlichen Missbrauch, und diesen Begriff kann man getrost sehr weit fassen.
Ich halte es sogar für einen geistlichen Machtmissbrauch, wenn die Glaubenskongregation sich , wie jetzt geschehen, anmaßt, darüber zu befinden, ob und unter welchen Umständen eine Frau sich die Gebärmutter entfernen lassen darf.
Auf katholisch.de wurde diese Anmaßung im satirischen Wochenrückblick auch entsprechend „durch den Kakao gezogen“.
Was soll das, sich einzig auf die US-Bischöfe einzuschiessen ?
Will man damit etwa suggerieren, dass es ein lediglich nordamerikanisches Problem ist ? Es geht um den gesamten Klerus weltweit. Ausserdem stinkt der Fisch stinkt vom Kopfe her, wo lange Zeit jede Information zum Missbrauch unterdrückt und vertuscht, deren Überbringer als Netzbeschmutzer diskredidiert wurden und Nachteile zu erleiden hatten. Vom Schutz der pädophilen geistlichen Täter ganz zu schweigen, wobei sich ausgerechnet die beiden Vorgängern des aktuellen Papstes, Ratzinger und Wojtyla auszeichneten, deren Nennung beim Namen man aber ganz bewusst und heuchlerisch vermeidet…
Angesichts vielstimmiger Uneinigkeit sollte Franziskus die Empfehlung des von ihm selber als „wie ein Großvater, den man im Haus hat“ bezeichneten Benedikt in Betracht ziehen und die Möglichkeit einer Einheit durch die Ewige Anbetung erwägen.
Die Grundlage von Feldlazarett und Verbeultheit ist doch gerade Streit und Uneinigkeit, jedoch angestrebt scheint ein glattes Ideal von Künstlichkeit zu sein, dazu passt auch das Engagement von Beratungsfirmen im Vatikan auf Veranlassung durch Franziskus. Diese sind in Industrie und Wirtschaft dafür kompetent, Probleme einer Firma oder eines Konzerns zu analysieren und Vorschläge zu unterbreiten, wie Krisen gemeistert und nach aussen hin dabei das Image gewahrt und gepflegt wird. Mancher Chef ist auch nur froh, dass die das mit den Entlassungen regeln. Das hat zur Folge, dass sich bei solchen Beratungsfirmen viel Wissen ansammelt. Wer viel weiss, kann auch dafür sorgen, dass die richtigen Entscheidungen empfohlen werden, welche sowohl Skandale verhindern als auch die passenden Infos zum richtigen Zeitpunkt mit nachdrücklicher Betroffenheitsprosa veröffentlicht werden.
Wie komme ich jetzt darauf, das ist doch Alltag in Politik und Wirtschaft.
Deswegen, weil ich den Eindruck habe, dass die Kirche aktuell genau in diesem Koordinatensystem agiert. Da wird ein nur schwer zu messender Glaubwürdigkeitsverlust konstatiert und im Gepäck gleich dazu Massnahmen präsentiert, wie dem abzuhelfen wäre.
Die Gründe für den Bedeutungsverlust der Kirchen sind andere, beispielsweise die flächendeckende Versorgung mit Nahrungsmitteln und Gesundheitsdiensten und ein stabiles gesellschaftliches soziales Umfeld, das gut vor vielen Unwägbarkeiten (Krieg und son Zeuch) bewahrt. Um das den Leuten nicht sagen zu müssen, wird das Erklärungsmuster des Glaubwürdigkeitsverlustes durch die suboptimale Missbrauchsaufarbeitung sehr in den Vordergrund gerückt. Damit ist der Mensch spirituell entlastet und kann sich verstanden und bestätigt fühlen und braucht sich nicht mehr zu hinterfragen.
Ich finde unvorbereitete und unbeholfene Pressearbeit (was man bisher gewohnt war) viel glaubwürdiger als bereits auf die beabsichtigte Wirkung optimierte ähm Texte und Gesten.
Darum wäre das mit der Ewigen Anbetung auch wirkungsvoller und einigender und problemlösender als die Suche nach Struktur- und Einstellungsänderungen („das RICHTIGE Bewusstsein…“), welche doch wieder nur in anderer Kompetenz und anderer Ideologie enden.
Ein Wort noch: Gestern in report kam ein bemerkenswert sachlicher, gut recherchierter und unparteiischer Bericht über den Vatikan. (Leider, Herr Erbacher, muss ich feststellen, dass das allgemeine Niveau in den Medien, den öffentlich-rechtlichen wie den privaten, schon mal höher war.) Zitiert wurden u. a. Kardinal Burke und Kardinal Kasper. Kardinal Kasper sagte, es ginge bei der Kritik nicht um den Missbrauchsskandal, sondern um den Wunsch, dem Papst zu schaden, was einen Missbrauch des Missbrauchs darstelle. (Ähnliches lesen wir hier im Blog:) Er kommt offensichtlich nicht darauf, dass die ganze Angelegenheit eine unglaubliche Sprengkraft besitzt und zur Zerstörung der gesamten Kirche führen kann. (Ich weiß, ein heiliger Rest wird immer übrigbleiben.) Dass auch ein Kardinal Burke, egal, ob man mit ihm übereinstimmt oder nicht, sich ernste Sorgen um die Kirche machen kann. Es muss wohl die große Beschäftigung mit der Barmherzigkeit sein, die Leute wie Kasper und andere bewegt, sich so barmherzig zu verhalten… (Von Kardinal Burke kamen übrigens keine ad-hominem-Aussagen.)
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