Schwere Geburt – Deutsche Bischöfe zu Amoris laetitia

Jetzt ist es amtlich: Auch die deutschen Bischöfe öffnen sich für einen Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene – unter strengen Bedingungen. Das geht aus einem Papier hervor, das heute veröffentlicht wurde. Im April vergangenen Jahres hatte Papst Franziskus sein nachsynodales Schreiben Amoris laetitia veröffentlicht. Seitdem diskutierten und stritten die deutschen Oberhirten über die Interpretation des rund 185 Seiten umfassenden Dokuments. Mit ihrem Bischofswort schließen sich die deutschen Oberhirten der Position des Papstes an. Der hatte in Amoris laetitia die Tür geöffnet für Ausnahmen beim Verbot des Kommunionempfangs für wiederverheiratete Geschiedene. Seitdem hagelt es Kritik aus konservativen Kreisen an dem Vorgehen von Franziskus. Der bleibt standhaft. Dass die deutschen Bischöfe gut neun Monate gebraucht haben, um sieben Seiten zu formulieren, spricht Bände. Der Vorgang hat einmal mehr gezeigt, dass kollegiale Entscheidungen mitunter schwere Geburten sind und die Deutsche Bischofskonferenz höchst unterschiedlich positionierte Mitglieder in sich vereinigt. Sicherlich ist es schwierig, dem umfangreichen Papstpapier noch etwas hinzuzufügen. Dennoch erwartet Franziskus, dass seine dort aufgezeigten Grundlinien nun auf die konkrete Situation der Ortskirchen heruntergebrochen werden.

Franziskus will ein Ende der "Schwarz-oder-Weiß-Politik" in der katholischen Kirche. Das Leben ist bunt. Dem wollen die deutschen Bischöfe in einer "erneuerten Ehe- und Familienpastoral" Rechnung tragen. (Quelle: dpa)

Franziskus will ein Ende der „Schwarz-oder-Weiß-Politik“ in der katholischen Kirche. Das Leben ist bunt. Dem wollen die deutschen Bischöfe mit einer „erneuerten Ehe- und Familienpastoral“ Rechnung tragen. (Quelle: dpa)

Bischöfe schwenken auf Linie des Papstes ein

Das Wort der Bischöfe ist schnell zusammengefasst: Ehevorbereitung und Ehebegleitung sollen ausgebaut, die Familie als Lernort des Glaubens gestärkt werden. Die Bischöfe sprechen sich für die „Entwicklung eines Ehekatechumenats“ aus, sprich die Ehevorbereitung soll intensiviert und verbindlicher werden. In diesem Punkt, wie auch bei der Feststellung, dass die „Ehebegleitung zu verstärken“ sei, bleibt es bei reinen Willensbekundungen. Das Papier weist keinerlei Perspektiven oder Lösungsansätze auf. Daher ist es umso verwunderlicher, dass der Entstehungsprozess so lange dauerte. Zumal sich in den vergangenen Monaten beim umstrittenen Thema der wiederverheirateten Geschiedenen bereits eine große Zahl deutscher Bischöfe mit Verweis auf den Papst für eine Änderung des bisherigen Weges ausgesprochen hatten.

Der längste Abschnitt widmet sich dann auch dem Thema unter der Überschrift „Umgang mit Zerbrechlichkeit“. Hier folgen die Bischöfe dem Dreischritt des Papstes: „begleiten – unterscheiden – eingliedern“. Sie folgen ihm auch, ohne weitere Kommentierung, bei der Feststellung, dass es möglich sei, einerseits an der traditionellen Lehre der Unauflöslichkeit der Ehe festzuhalten; gleichzeitig aber „nicht beim kategorischen und irreversiblen Ausschluss von den Sakramenten stehen“ zu bleiben. Sie fassen das Anliegen von Franziskus zu diesem Thema kurz zusammen und geben eine klare Interpretation seiner Worte: Die Gewissensentscheidung des Einzelnen ist zu respektieren. Das gilt auch für die Frage des Sakramentenempfangs bei wiederverheirateten Geschiedenen. Sie warnen dabei vor Laxismus einerseits und einer rigoristischen Haltung andererseits. Wie der Prozess genau vonstatten geht und wer die begleitenden Seelsorger sind, lassen die Bischöfe offen.

Chance vertan

Das klärende Wort der Bischöfe war überfällig. Aber sie haben eine große Chance vertan. Im Lichte der neuen Bewertung der Gewissensentscheidung des Einzelnen wäre es an der Zeit, sich viel breiter und konkreter zum Thema „Ehe und Familie“ in Deutschland zu äußern. Was gilt die Gewissensentscheidung bei unverheirateten Paaren, bei gleichgeschlechtlichen Paaren, bei religionsverschiedenen Paaren? Welche Haltung nimmt die Kirche ihnen gegenüber künftig ein? Was gilt die Gewissensentscheidung vor allem für konfessionsverschiedene Paare, die die Bischöfe angesichts der großen Zahl in unserem Land als „besondere Herausforderung“ bezeichnen, dann aber doch keine Perspektive bieten. Wäre nicht auch hier etwas zu sagen im Lichte von Amoris laetitia und der Worte von Papst Franziskus beim Besuch in der evangelischen Christuskirche in Rom im November 2015? Übrigens wurde das Papier heute per Pressemeldung veröffentlicht. Eine eigene Pressekonferenz, auf der der zuständige Familienbischof oder gar der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz die Aussagen hätte konkretisieren können, gab es nicht.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

19 Kommentare

  • Silvia
    01.02.2017, 20:36 Uhr.

    Das war wahrscheinlich der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich einigen konnte.

    Andererseits ist den Bischöfen natürlich auch bewusst, dass die Praxis in den Gemeinden längst viel weiter ist als AL oder jetzt dieses Werk und dass sich die Entwicklung kaum rückgängig machen lässt.

    Und je mehr Zeit vergeht, bis irgendjemand sich verbindlich äußert, desto weniger wird es Gehör finden, weil das Interesse verflogen ist.

  • Wanda
    01.02.2017, 23:42 Uhr.

    – von Hause aus gut, dass sich etwas bewegt.
    Trotzdem darf Kritik geübt werden: wie kann es um ein Schreiben bestellt sein, das Streit um die Interpretation zulässt ?

    • Silberdistel
      02.02.2017, 19:26 Uhr.

      Man sollte nicht das real existierende Kirchenrecht vernachlässigen. Letztendlich ist das der Eckstein, an dem die Wahrheit der rk-Kirche sich prüfen lässt. Das Kirchenrecht, das vor ´Amoris laetitia´ den Umgang mit Wiederverheirateten Geschiedenen geregelt hat. Mit der Rechtsauffassung, der es sowieso nur darauf ankommt, ob WvG Geschlechtsverkehr ausüben oder nicht. Und das so auch noch immer in Kraft ist – UNVERÄNDERT mit dieser oberpeinlichen Ausnahme.

  • Silberdistel
    02.02.2017, 9:20 Uhr.

    Mal von einer anderen Seite her betrachtet, von der Seite potentiell Betroffener: Wieso sollte man in einer Gemeinschaft, die sich derartig schwer mit einzelnen Mitgliedern tut, überhaupt noch auftauchen. Um dort als so eine Art „Sündenbock“, mit dem Malzeichen des Tieres, zu fungieren?

  • bernardo
    03.02.2017, 14:05 Uhr.

    „Und dann gibt es immernoch Leute die uns eintrichtern wollen daß irgendwelche armen Menschen die mit viel Glück in einem völlig überfüllten nicht hochseetauglichen Boot übers Mittelmeer kamen, oder die zu Fuß, manche mit Flipflops, durch den Balkan gelatscht sind, an Hab und Gut vielleicht noch einen Koffer voll, vielleicht aber auch nichts mehr außer den Klamotten am Leib und ihr Handy, unsere ganz schlimmen Feinde wären.
    Die Menschen die gerade in Serbien erfrieren, die sich dort nur mit Plastikplanen vor der Kälte schützen können, sind unsere Feinde??
    DA habe ich aber eine GANZ ANDERE MEINUNG!!“

    Solche Leute gibt es, hier im Blog gibt es sie meines Wissens nicht. Es gibt höchstens Blogger, die darauf hinweisen, dass Staaten nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, ihre Grenzen zu schützen – und die das Politisieren der Woelkis etc. ärgert.

    btw, meine Hochachtung gilt Bischof Voderholzer, der in klaren Worten, wie man sie gerne öfter von deutschen Bischöfen hören würde, das Verhältnis zum Islam umrissen hat, der aber auch klargestellt hat, dass sich Vergötzung der Nation oder Rassismus dem Christen nicht ziemen.

    Zum Thema: Ich weiß nicht, warum Papst Franziskus dieses Fass aufgemacht hat? Es hätte ihm klar sein müssen, dass es die Kirche spaltet.

    • Suarez
      06.02.2017, 10:15 Uhr.

      Da meint offenbar jemand die Predigt von Bischof Voderholzer, in der er von der Lehre des römischen Lehramtes abweicht, loben zu müssen. Ich kann solchen Leuten nur empfehlen: Gehen Sie zur AfD, gehen Sie zur Piusbruderschaft – in der katholischen Kirche ist kein Platz für die Schürung von Fremdenhass.

      • bernardo
        07.02.2017, 17:09 Uhr.

        @ Suarez: Sie werden sicher die „Abweichung“ der Predigt Voderholzers vom Lehramt begründen können? Wahrscheinlich kommen Sie mit „Nostra Aetate“, das allerdings wie alle Konzilsdokumente einen Interpretationsspielraum bietet, den die „Progressiven“ ja weidlich genutzt haben. Ansonsten erinnert mich Ihre „Argumentation“ an die mancher Bundesrepublikaner, die auf Kritik antworteten: „Dann geh doch nach drüben.“

        • Suarez
          09.02.2017, 13:59 Uhr.

          „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslim, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten.

          Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslim kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen.“

          „Die Integration des Widersprüchlichen wird nicht gelingen“.

          Mehr muss man nicht sagen. Auf der einen Seite das SehenWOLLEN von basalen Gemeinsamkeiten, die nicht unterdrückt werden dürfen, auf der anderen Seite nur Ignoranz.

  • Wanda
    04.02.2017, 20:55 Uhr.

    Heute in der Deutschen Welle „Papstkritische Plakate an Roms Wänden“ (offenbar initiiert von konservativen Kreisen)…
    Gibt’s dazu weitere Informationen ?

    • neuhamsterdam
      06.02.2017, 23:02 Uhr.

      Terry Jones wurde kürzlich 75.

      Was hat das mit dem Thema zu tun? Well, der Komödiant mimte die Mutter des „Bengel Brian“ in dem Kultfilm „The Life of Brian“ – „Das Leben des Brian“.

      Der Film ist auch bekannt für die Szene, in der Brian an die römische BesatzungssteinquaderMauer in correctem Latein auftragsmäßig ROMANII GO HOME schreiben soll, und das vielmals.

      Außerdem stand in der Zeitung, daß sich der Name Veronika aus dem griechischen von „wahres Tuch“ herleiten läßt (und folglich möglicherweise die in diesen Tagen im Heiligenkalender stehende Veronika nur Legende sein könnte).

      Terry Jones hatte auch die Rolle des Eremiten, den Brian auf den Fuß sprang und der deswegen sein Schweigegelübde vergessen konnte.

      „(offenbar initiiert von konservativen Kreisen)…“
      Nöööönööö – das war der Konservative Initiativkreis.

      Von den schwarzen Schuhen wird auch prophezeit. Nur wird das in der Forschung selten beachtet.

      • neuhamsterdam
        06.02.2017, 23:28 Uhr.

        Natürlich muß es wahres Bild heißen.

  • Heilbründl
    05.02.2017, 10:32 Uhr.

    Ich erinnere an den Beitrag von Herrn Erbacher vom 3.10.2015 „Rom vor der Synode….“. Hier schrieb er über Kardinal Müller aus seiner Zeit als Prof. an der LMU.
    Ich hatte diesen Beitrag so um 1999 gelesen und mich über die doch liberale Einstellung gewundert und gehofft, dass sich etwas bewegt
    Da ich viele Jahre in der Diözese Passau als Erzieherin arbeitete, wusste ich, wie schwierig es für geschiedene Kolleginnen war; diese durften ja nicht wieder heiraten, um ihre Arbeit nicht zu verlieren, bzw. wurden diese beim Zusammenleben erwischt, wurden sie zur Trennung aufgefordert,um eine Kündigung zu vermeiden. Alternativen, wie kommunale Arbeitgeber gab es nur in homöopathischen Dosen.
    Vielleicht kann Herr Erbacher dazu noch etwas ergänzen, da ich den Artikel im Internet nicht mehr finden konnte.
    Interessieren würde mich auch noch, wieso die r. K. Kirche den Kommunionempfang mit den Orthodoxen erlaubt, wo doch hier die Menschen zweimal heiraten dürfen. Ist dasselbe doch nicht dasgleiche?

    • Suarez
      06.02.2017, 10:17 Uhr.

      „Interessieren würde mich auch noch, wieso die r. K. Kirche den Kommunionempfang mit den Orthodoxen erlaubt, wo doch hier die Menschen zweimal heiraten dürfen. Ist dasselbe doch nicht dasgleiche?“

      In der Tat, NIE hat sich jemand gestoßen an dieser Praxis. NIE wurde deswegen die partielle Kommuniongemeinschaft aufgehoben. Das belegt eindeutig, dass die Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene keine Frage der verbindlichen Glaubenslehre ist.

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