Ökumenischer Affront in Tiflis?

Die georgisch-orthodoxe Kirche zeigt Kante. Zum Papst-Gottesdienst am Samstagmorgen schickte sie keine offizielle Delegation. Bis zuletzt hatte der Vatikan darauf gehofft und damit die Hoffnung auf ein Zeichen der Annäherung und der Öffnung von orthodoxer Seite verbunden. Doch am Ende blieb dem Papst nur, die orthodoxen Gläubigen zu grüßen, die ins Stadion gekommen waren. Wie viele das wirklich waren, blieb offen. Immerhin bot sich am Abend noch einmal die Gelegenheit, angesichts der Differenzen für mehr Miteinander zu werben. Papst Franziskus besuchte die orthodoxe Kathedrale von Tiflis. Dabei betonte er, man solle sich „niemals Gelegenheiten zu Begegnung und Dialog entgehen lassen“. Die Liebe Christi sporne dazu an “zu glauben, dass die Gegensätze behoben und die Hindernisse beseitigt werden können“. Zuvor hatte Franziskus bei einer Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Laien im pastoralen Dienst Proselytismus scharf verurteilt. Es gebe eine große Sünde gegen die Ökumene, so Franziskus: das Bekehren. „Ihr solltet niemals Orthodoxe bekehren, sie sind unsere Brüder und Schwestern, Jünger von Jesus Christus“, so das katholische Kirchenoberhaupt.

Papst ruft zur Offenheit und Dialog auf

Es war ein ungewöhnliches Bild, das sich heute Morgen in Tiflis bot. Papst Franziskus dreht im Football-Stadion von Tiflis mit einem Elektro-Papamobil seine Runden vor fast leeren Rängen. In das Stadion, das 27.000 Besucher fasst, waren nur wenige Tausend Menschen gekommen. Selbst die knapp 2000 Stühle, die im Innenraum auf dem Spielfeld standen, waren nur gut zur Hälfte gefüllt. Das ist die Realität, wenn man als Papst an die Ränder geht. Franziskus warnte die kleine katholische Minderheit vor der Versuchung, sich in einem „geschlossenen kirchlichen Mikroklima“ einzuschließen. „Es tut uns gut, weite und offene Horizonte der Hoffnung miteinander zu teilen“, rief er den Menschen zu.

Demütig und einfach wünscht er sich seine Kirche, machte Franziskus deutlich. „Denn Gott erkennt man nicht mit hehren Gedanken und viel Studium, sondern mit der Kleinheit eines demütigen und vertrauensvollen Herzens.“ Um vor Gott zu bestehen brauche es weder Ehren noch Anerkennung, weder irdische Güter noch Erfolge. „Selig die Hirten, die nicht auf das hohe Ross der Logik der weltlichen Erfolge setzen, sondern dem Gesetz der Liebe folgen: durch Aufnahme, Zuhören und Dienen. Selig die Kirche, die sich nicht auf die Kriterien des Funktionalismus und der Organisationseffizienz verlässt und sich nicht um Imagepflege kümmert.“ Die Worte des Papstes verwundern etwas. Denkt man dabei vielleicht nicht gerade an einer Minderheitenkirche, deren Strukturen äußert bescheiden sind. Die Menschen fassten die Worte des Papstes auch weniger als Kritik an bestehenden Verhältnissen auf sondern vielmehr als Mahnung, in welche Richtung sie sich entwickeln sollen.

Papst wirbt erneut für Ökumene

Am Abend hob Franziskus zum Abschluss seines Besuchs in Georgien zu einer flammenden Rede für das Miteinander der Konfessionen und die Ökumene an. Dabei waren seine Worte an einigen Passagen allerdings so eindringlich, dass sie vielleicht auch als etwas oberlehrerhaft verstanden werden können. Als er etwa den Apostel Paulus zitierte mit Blick auf die Taufe, um dann festzustellen: „Darum sind wir trotz unserer Grenzen und jenseits jeder späteren geschichtlichen und kulturellen Unterscheidung berufen, ‚‚einer‘ in Christus Jesus‘ (Gal 3,28) zu sein und nicht die Unstimmigkeiten und die Trennungen unter den Getauften an die erste Stelle zu setzen, denn was uns eint, ist wirklich viel mehr als das, was uns trennt.“ Angesichts der Tatsache, dass die georgisch-orthodoxe Kirche die Taufe der nichtorthodoxen christlichen Kirchen nicht anerkennt, ist das Spiel mit dem Bild der Taufe nicht ungefährlich. Ähnliches gilt für die Mahnung, dass die „Bewahrung der Treue zu den eigenen Wurzeln“ sich nicht „einem Sich-Verschließen beugt, welches das Leben verdunkelt, sondern immer bereit bleibt, aufzunehmen und zu lernen und sich von allem Guten und Wahren erleuchten zu lassen“. Diese Sätze könnten durchaus als Kritik an der Haltung der orthodoxen Kirche verstanden werden.

Trotz des kritischen Untertons versuchte Franziskus vor allem Brücken zu bauen. Es gehe darum, „Freuden und Ängste miteinander zu teilen“, „im Vertrauen zum anderen und in Demut“ wolle man „geduldig“ voranschreiten und zwar „ohne Angst und ohne den Mut zu verlieren“. Dabei betonte der Papst wie schon beim Treffen mit den Orthodoxen am Freitagabend, dass es wichtig sei, die Probleme der Vergangenheit nicht unter den Tisch zu kehren. Allerdings ließ er seine Überzeugung durchblicken: nur wer vertrauensvoll und kontinuierlicher miteinander redet, kann die gegenseitigen Beziehungen verbessern. „Mögen Brüderlichkeit und Zusammenarbeit auf allen Ebenen zunehmen“, rief er seinen Gastgebern zum Abschluss zu. Franziskus selbst hatte den Besuch in der orthodoxen Kathedrale als „Höhepunkt“ seiner Pilgerreise nach Georgien bezeichnet. Damit wird auch deutlich, was eine der Hauptintentionen seines Besuchs in dem Land war: die Ökumene voranzubringen.

Zum Fernbleiben der orthodoxen Delegation bei der Papstmesse gab es von Seiten des Vatikans nur die kurze Anmerkung: „Wir akzeptieren das“. Unklarheit herrscht etwas über die Rolle von Patriarch Ilia II. Vereinzelt berichten Medien, er habe wie schon vor dem Besuch von Johannes Paul II. 1999 in Georgien die orthodoxen Gläubigen vor der Teilnahme an den Papstveranstaltungen gewarnt. Andererseits hatte er sich öffentlich gegen die Demonstranten gestellt, die den Papst auf Plakaten etwa als „Antichrist“ bezeichneten und seit einigen Tagen als kleine Gruppe an verschiedenen Stellen der georgischen Hauptstadt auftauchen. Ilia II. würde dem Vernehmen nach gerne weiter gehen in der Ökumene, wird aber durch konservative Kräfte im Heiligen Synod sowie unter den Priestern gebremst. Ein Phänomen, das auch aus anderen orthodoxen Kirchen bekannt ist. Die Begegnung in der orthodoxen Kathedrale am Samstagabend war stimmungsvoll. Am Ende gab es beinahe etwas Gänsehautfeeling, als ein junges Mädchen und ein orthodoxer Kantor aramäische Gesänge vortrugen. Dazu das Geläut der Glocken der orthodoxen Kathedrale, die in Teilen noch auf das vierte Jahrhundert zurückgeht. Die Bilder der ökumenischen Treffen gestern und heute, die sehr stimmungsvoll waren, passen nicht ganz zur starren Haltung der georgisch-orthodoxen Vertreter. Oder ging es darum, Franziskus zu zeigen, dass sie den ursprünglichen Glauben bewahrt haben?

P.S. Für Aufsehen dürften die Äußerungen von Papst Franziskus zum Thema Ehe und Familie am Nachmittag beim Treffen mit Priestern, Ordensleuten und Laien im pastoralen Dienst in Tiflis sorgen. Aktuell erlebe man einen ideologischen „Weltkrieg, um die Ehe zu zerstören“, so Franziskus. Diese Zerstörung erfolge „nicht mit Waffen, sondern mit Ideen“. Er sprach einmal mehr von „ideologischen Kolonialisierungen“, gegen die es sich zu verteidigen gelte. Als einen „großen Feind der Ehe“ bezeichnet der Papst die Gender-Theorie. Eheleute seien ein „Abbild Gottes“. Wenn es zur Scheidung komme, werde „das Abbild Gottes beschmutzt“. Bei Beziehungsproblemen müsse man „alles tun, um die Ehe zu retten“, forderte der Papst. Eheleuten empfahl er: „Streitet, soviel ihr wollt, aber beendet nie den Tag, ohne Frieden zu schließen.“

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

7 Kommentare

  • Wanda
    01.10.2016, 20:27 Uhr.

    Was erwartet man ? Das ist die krude Realität: wann hat es je eine Einheit der Christen gegeben ? Die profane Welt spiegelt sich halt auch bei ihnen wieder, mit allen Konflikten, Eifersüchteleien und den arroganten Alleinvertretungsansprüchen. Das Christentum bildet da wirklich keine Ausnahme: denn die Kirche ist von Menschen gemacht und nicht von einem Gott und die ursprüngliche Idee spielt bei dieser Institution schon lange keine Rolle mehr (wenn sie die denn überhaupt jemals gespielt hat)….

  • Krakebusch
    02.10.2016, 14:15 Uhr.

    „…Weltkrieg, um die Ehe zu zerstören…“

    Papst Ianus sollte sich mal langsam entscheiden zwischen „Man müsste sich entschuldigen…“ und „Diskriminiert weiter, wo es nur geht“.

    • Silvia
      05.10.2016, 4:30 Uhr.

      Krakebusch
      02.10.2016, 14:15 Uhr.

      So wie ich das sehe, hält sich der Papst an die katholische Lehre. Dh., er unterscheidet zwischen der Homosexualität als Veranlagung und der praktizierten Homosexualität.

      Der katholische katechismus verbietet es, Menschen mit homosexueller Veranlagung zu diskriminieren, lehnt aber das Ausleben der homosexualität als Sünde ab.

      Die Seelsorger sind aber gehalten, sich um Sünder zu bemühen, also auch um Menschen, die Homosexualität praktizieren.

      Und bevor jetzt wieder jemand auf mich los geht: Ich habe nur versucht zu erklären, was die katholische Kirche in dieser Frage lehrt. Ich habe NICHT meine persönliche Meinung wiedergegeben.

      Für in dieser Frage entstandene Missverständnisse ist ausnahmsweise nicht der Papst schuld sondern eine weit verbreitete Unkenntnis der katholischen Lehre, weshalb frühere Äußerungen des Papstes falsch gedeutet worden sind.

      Von daher kann es für die katholische Kirche auch keine Ehe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen geben.

      In anderen christlichen Kirchen gibt es teilweise Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare, die aber KEINE Trauung sind. Die vom deutschen Staat ermöglichte eingetragene Lebensgemeinschaft ist übrigens auch keine Ehe, also KEINE standesamtliche Trauung.

      • Suarez
        08.10.2016, 0:13 Uhr.

        @Silvia:

        „So wie ich das sehe, hält sich der Papst an die katholische Lehre. Dh., er unterscheidet zwischen der Homosexualität als Veranlagung und der praktizierten Homosexualität.“ Richtig! Ihn interessiert aber die genitale Sexualität von Heteros wie Homos prinzipiell herzlich wenig. Und das ist auch gut so.

        „Der katholische katechismus verbietet es, Menschen mit homosexueller Veranlagung zu diskriminieren, lehnt aber das Ausleben der homosexualität als Sünde ab.

        Die Seelsorger sind aber gehalten, sich um Sünder zu bemühen, also auch um Menschen, die Homosexualität praktizieren.

        Und bevor jetzt wieder jemand auf mich los geht: Ich habe nur versucht zu erklären, was die katholische Kirche in dieser Frage lehrt. Ich habe NICHT meine persönliche Meinung wiedergegeben.“

        Das haben Sie sogar sehr gut dargestellt!
        Allerdings hat die FAZ eine völlig unzutreffende Zusammenfassung gebracht, die seitdem durch das Internet geistert. Der Papst hat, wenn ich das Transkript richtig lese, eben NICHT gesagt, dass Homosexualität Sünde sei.

        „Für in dieser Frage entstandene Missverständnisse ist ausnahmsweise nicht der Papst schuld“

        Nana, da haben aber manche schnell ein Vorurteil parat!

        „sondern eine weit verbreitete Unkenntnis der katholischen Lehre, weshalb frühere Äußerungen des Papstes falsch gedeutet worden sind.“

        Die früheren Aussagen sind keineswegs falsch gedeutet worden. Johannes Paul II. hatte eine Kondom- und B16 aus nachvollziehbaren persönlichen Gründen eine Homosexualitätsobsession. Die Zurückhaltung von Franziskus ist nach Lehramtsmaßstäben nämlich auch eine Aussage, nämlich die schrittweise Distanzierung vom Humbug, Sexualität ließe sich in gottgewollte (in der Heteroehe ohne Verhütung) und nicht gottgewollte Formen (alles andere von Onanie über Anal-, Femoral- und Oralsex, Gruppensex, Pornographie [indes eher eine Sache des 7. und nicht des 6. Gebotes], Prostitution, bis zur Vergewaltigung).

        „Von daher kann es für die katholische Kirche auch keine Ehe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen geben.“

        Auch das wird noch kommen. Es gibt schlicht keine hinreichenden theologischen Gründe dagegen, warum zwei sich liebende Männer/Frauen ihrer Liebe nicht auch das sakramentale Band verleihen können sollten.

        „In anderen christlichen Kirchen gibt es teilweise Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare, die aber KEINE Trauung sind.“

        Das stimmt nicht. Es gibt christliche Kirchen, die das tun. Und m.W. gewährt die uns nächststehende Kirche, die altkatholische, diesbezüglich sehr weite Freiheiten.

        „Die vom deutschen Staat ermöglichte eingetragene Lebensgemeinschaft ist übrigens auch keine Ehe, also KEINE standesamtliche Trauung.“

        In der Tat, aber das gilt es ja zu überwinden. Gleiches – die Liebe zwischen zwei Menschen – muss auch gleich behandelt werden.

  • Wanda
    06.10.2016, 19:19 Uhr.

    – Wenn Franziskus schon das Wort von der „ideologischen Kolonialisierung“ in den Mund nimmt, sollte er vielleicht in Betracht ziehen, ob die oft gewaltsame Christianisierung (nicht nur) in Lateinamerika dem ziemlich gleich kam; geschönt auch als Missionierung bezeichnet…

    • Suarez
      08.10.2016, 0:16 Uhr.

      Nur mal so am Rande: Ehe man dem Franz solche Vorwürfe macht, sollte man mal in seine Biographie schauen – er war einer der Bischöfe, die sich am lautesten mit Widerspruch vernehmbar machten, als B16 […]* bei seiner Brasilienreise tönte, die Ureinwohner hätten nur auf das Christentum und seine Segnungen gewartet. Da sollten Sie schon gerechter sein. B16 gehört nämlich im Gegensatz zu Franziskus zu den echten geistigen Kolonisatoren – er konnte ja in seiner Kleingeistigkeit nie eine andere Theologie neben seiner gelten lassen.

      *Der Beitrag wurde wegen des Verstoßes gegen die Netiquette editiert.

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