Papst und Patriarch – Historisches Treffen auf Kuba

„Endlich!“ rief Papst Franziskus dem russisch-orthodoxen Patriarchen zu, als er ihn heute Nachmittag Ortszeit auf dem Flughafen von Havanna sah und fügte hinzu „Somo hermanos – wir sind Brüder“. Es folgte eine herzliche Umarmung. Künftig werden die Dinge einfacher sein, zeigte sich Patriarch Kyrill schon zu Beginn des Treffens überzeugt. Zwei Stunden sprachen die Kirchenführer hinter verschlossenen Türen. Es sei ein brüderlicher und freier Dialog gewesen, erklärte Franziskus nachher gegenüber Journalisten. Die beiden Kirchenoberhäupter unterzeichneten abschließend eine gemeinsame Erklärung. Darin machen sie deutlich, dass sie trotz „zahlreicher Hindernisse“ die noch andauerten, gewillt sind, künftig enger zusammenzuarbeiten. Eindringlich warnen sie vor einem neuen Weltkrieg.

Herzliche Begrüßung auf Kuba. Papst Franziskus und Patriarch Kyrill beenden die Eiszeit zwischen der katholischen Kirche und der russisch-orthodoxen Kirche. (Quelle: dpa)

Papst und Patriarch als Brückenbauer. Franziskus und Kyrill beenden die Eiszeit zwischen der katholischen Kirche und der russisch-orthodoxen Kirche. Mehr als 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ist auch diese Mauer gefallen. (Quelle: dpa)

Ukraine und Nahost wichtige Themen

Die Erklärung ist in einem versöhnlichen Ton gehalten. Man spürt, dass jegliche Polemik und gegenseitige Angriffe vermieden werden sollen. Die Befindlichkeiten des jeweils anderen werden wahrgenommen. Wenn es etwa zur schwierigen Frage der Unierten heißt, dass der Uniatismus heute kein Weg zur Einheit mehr sei; zugleich aber auch betont wird, „Orthodoxe und Griechisch-Katholische haben es nötig, sich miteinander zu versöhnen und Formen des Zusammenlebens zu finden, die beiderseitig annehmbar sind“. Damit wurde für eines der schwierigsten Themen im Verhältnis zwischen Rom und Moskau eine einvernehmliche Sprachregelung gefunden. Moskau sieht die unierten Kirchen, vor allem in der Ukraine kritisch. Auch beim Thema Proselytismus nimmt Rom die Sorgen Moskaus ernst. Gemeinsam werden „unlautere Mittel“, um Gläubige zum Kirchenübertritt zu bewegen, abgelehnt.

Kritik wird es sicherlich geben an den Passagen über den Ukrainekonflikt. Zwar werden alle Konfliktparteien „zur Besonnenheit, zur sozialen Solidarität und zum Handeln, um den Frieden aufzubauen“ eingeladen, doch die Katholiken in der Ukraine hätten sich sicherlich eine klare Verurteilung des Handelns Russlands auf ukrainischem Territorium gewünscht. Immerhin konnte man sich zu einer Selbstverpflichtung durchringen, dass die Kirchen sich in der Auseinandersetzung enthalten sollten. Was das konkret bedeutet, bleibt Interpretation, und wird auf künftig gegenseitige Vorwürfe der Kirchen über unberechtigte politische Einflussnahmen nicht verhindern.

Breiten Raum nimmt die Sorge um die Christen im Nahen Osten und Teilen Afrikas ein, die unter Verfolgung leiden. Papst und Patriarch fordern die internationale Gemeinschaft auf, „dringend zu handeln, um eine weitere Vertreibung der Christen im Nahen Osten zuvorzukommen“, ohne dabei die Leiden von Angehörigen anderer Religion zu vergessen. Dem Terrorismus soll „mit Hilfe von gemeinsamen, vereinten und abgestimmten Aktionen ein Ende gesetzt werden“. Das ist ganz die Linie des Heiligen Stuhls, der sich stets gegen Alleingänge einzelner Staaten ausspricht. Wer will, kann hier eventuell eine Kritik am aktuellen Vorgehen Russlands in Syrien sehen.

Papst: Erklärung ist pastorales Papier

Franziskus erklärte im Anschluss an das Treffen gegenüber mitreisenden Journalisten auf dem Weg von Kuba nach Mexiko, bei der Erklärung handle es sich weder um eine politisches noch um ein soziologisches Papier, sondern um ein pastorales. So unterstreichen darin beide Seiten die Bedeutung der Familie, die auf der Beziehung von Mann und Frau gründe, und „bedauern, dass andere Formen des Zusammenlebens mittlerweile auf die gleiche Stufe der Verbindung gestellt werden“. Scharf wird der Respekt des „unveräußerlichen Rechts auf Leben“ eingefordert. „Das Blut der ungeborenen Kinder schreit zu Gott“, heißt es mit Verweis auf die Bibel.

Franziskus dürfte es ein besonderes Anliegen gewesen sein, das Thema Migranten und Flüchtlinge aufzunehmen, während wohl eher die orthodoxe Seite die Kritik an einer Diskriminierung der Christen durch Vertreter eines „sehr aggressiven Säkularismus“ im Papier haben wollte. Zwar erinnert die Formulierung an manche Worte von Benedikt XVI., doch vertritt der Heilige Stuhl unter Franziskus diese Position nicht mehr so dezidiert. Positiv aufhorchen lässt, dass beide Seiten den interreligiösen Dialog „unerlässlich halten“ und den Wert der Religionsfreiheit bekräftigen.

Erinnerung an gemeinsame Wurzeln

Zu Beginn der Erklärung erinnern Papst und Patriarch an die „gemeinsame Tradition des ersten Jahrtausends der Christenheit“ und bedauern den Verlust der Einheit. Es ist von Wunden durch „Konflikte in ferner und naher Vergangenheit“ die Rede. Doch die beiden Kirchenoberhäupter kommen zu dem Schluss: „Wir sind nicht Konkurrenten, sondern Geschwister, und von dieser Vorstellung müssen alle unsere wechselseitigen Unternehmungen wie die gegenüber der Außenwelt geleitet sein.“ Orthodoxe und Katholiken müssten lernen, in Bereichen, in denen es möglich sei, ein einmütiges Zeugnis für die Wahrheit zu geben.

Mit dem Treffen in Havanna dürfte der Knoten gelöst sein. Nun müssen sich die Inhalte der gemeinsamen Erklärung im Alltag bewähren. Die Früchte des heutigen Treffens werden sich sicherlich erst langsam entfalten. Beide Seiten dürften aber heute gemerkt haben, dass auch bei Differenzen der Weg des Dialogs möglich ist.

Was sonst noch geschah am ersten Tag der 12. Auslandsreise heute in einigen Bildern:

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

13 Kommentare

  • bernardo
    13.02.2016, 14:14 Uhr.

    Mit der Verwendung des Begriffs „historisch“ sollte man zurückhaltend sein. Hier ist er angebracht.

    PS: Ich „warte“ schon auf die „ökumenischen“ Kommentare, die erklären, was in der russischen Orthodoxie alles falsch läuft. Und selbstverständlich darf ich nicht mitreden, da ich kein Russisch spreche. 🙂

  • Alberto Knox
    13.02.2016, 16:32 Uhr.

    „Positiv aufhorchen lässt, dass beide Seiten den interreligiösen Dialog „unerlässlich halten“ und den Wert der Religionsfreiheit bekräftigen.“

    angesichts des gepolters, das viele, auch ranghohe, russisch-orthodoxe geistliche zum thema religionsfreiheit loslassen (und eher an die pius- und andere rechtslastige krawallbrüder erinnert) und angesichts der tatsache, dass es in russland KEINE neutrale haltung des staates zu den religionen gibt, ist das eine sehr erfreuliche positionierung.

    „Dem Terrorismus soll „mit Hilfe von gemeinsamen, vereinten und abgestimmten Aktionen ein Ende gesetzt werden“. Das ist ganz die Linie des Heiligen Stuhls, der sich stets gegen Alleingänge einzelner Staaten ausspricht. Wer will, kann hier eventuell eine Kritik am aktuellen Vorgehen Russlands in Syrien sehen.“

    ich bin überzeugt, dass das mehr ist als nur „wer will“. und wenn man überlegt, dass kyrill noch jüngst einen heiligen krieg ausgerufen hat, ist das eine distanzierung der orthodoxie von putin. besorgnis erregend bleibt dennoch die aggresive kriegstreiberei putins: vgl. hier: http://www.derstandard.at/2000030993913/Putin-ist-kein-Verbuendeter-gegen-den-IS
    soros ist kein unschuldslamm, aber mit wirtschaftszuständen kennt er sich aus.

    • Hildegard
      14.02.2016, 19:27 Uhr.

      Wer Soros und sein fast teuflisches Netzwerk richtig durchschaut hat weiß, was er von dem Artikel zu halten hat!!

      • bernardo
        15.02.2016, 11:02 Uhr.

        Stimmt, gut dass sie es zur Sprache bringen. Wenn einer den Titel „diabolos“ (Spalter) verdient hat, ist es Soros. Wie man ohne oder gar gegen Russland einen Frieden oder auch nur einen Waffenstillstand bewerkstelligen kann, können wohl nur hochgelehrte Theologen erklären. Ansonsten ist es bei Dokumenten päpstlicher Diplomatie wie bei anderen diplomatischen Dokumenten ganz einfach: Sie sind so vage abgefasst, dass sich möglichst viel herauslesen lässt, womit sich ein breiter Interpretationsspielraum ergibt.

  • Wanda
    13.02.2016, 19:45 Uhr.

    Es treffen sich 2 ältere, seltsam gewandete Herren, Oberhäupter christlicher Konfessionen, welche 1000 Jahre getrennt, ja sogar verfeindet waren. Beide beanspruchen für die gleiche Religion der Nächstenliebe und Toleranz zu sprechen und vergessen dabei die eigene unheilvolle Geschichte, die jeden Andersdenkenden (solange sie die Macht dazu hatte) der Folter oder dem Scheiterhaufen auszulieferte.
    Angesichts fehlender Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit ist es geradezu absurd sich als moralische Instanz aufzuspielen.
    Die oft skandalöse Kirchengeschichte und ihr 2000-jähriges Wirken hat die Welt in keiner Weise besser gemacht. Im Gegenteil: die religiösen Konflikte zwischen den 3 abrahamitischen Religionen und ihren Konfessionen sind auch aktuell noch Ursache vieler gewalttätiger Konflikte…

    • Hildegard
      14.02.2016, 19:38 Uhr.

      Natürlich haben alle Religionen im Laufe ihrer Geschichte Schuld auf sich geladen. Ich sehe aber nicht, dass Papst Franziskus und Patriarch Kyrill sich dieser Tatsache nicht bewusst sind.
      Ich denke, dass gerade deshalb ein erster Schritt zum Frieden wichtig ist! Das Wort „Endlich!“ sagt mehr aus, als jedes gemeinsame Papier, das wohl geplant ist.

  • Hans
    14.02.2016, 23:55 Uhr.

    Konflikte „zwischen“ den „abrahamitischen Religionen“ ist gut.
    Zunächst sollte vielleicht zur Kenntnis genommen werden, daß es gegen das Christentum einen Genozid gibt. Im Hier und Jetzt, währden die Leute hierzulande „ihre Geschichte“ vor 70 Jahren aufarbeiten wollen. Genügt ihnen die Gegenwart als Anschauungsunterricht nicht? Ist natürlich viel anstrengender und unangenehmer sich selbst als Wegseher und Nichtstuer dabei erkennen zu müssen.

    Zudem kann sich der geneigte Leser ja gerne ansehen, welche Entwicklung das christliche Werteverständnis hervorgebracht hat, und welche „Lebenswirklichkeiten“ sich in islamischen Ländern darstellen.
    Wer hier keinen Unterschied zu erkennen vermag, dem empfehle ich Anschauungsunterricht bei einem mehrjährigen Aufenthalt z.B. in Ägypten.
    Insbesondere als Frau.

  • Hans
    15.02.2016, 0:08 Uhr.

    Besorgniserregend bleibt die, nicht nur verbale Kriegstreiberei des Westens, die sich inzwischen um Lichtjahre von der Entspannungspolitik verabschiedet hat.

    Zudem die Untestützung für „terroristische Vereinigungen“ wie z.B. die
    Hamas in Syrien, welche in Israel als Terroreinheit, in Syrien als „Opposition“ bezeichnet wird, einer demokratischen Welt unwürdig ist.

    Der Westen hat zur Kenntnis zu nehmen, dass Russland berechtigte und elementare Interessen im Kampf gegen den ISIS hat. Einige Länder des russischen Territoriums sind offen erklärtes Ziel des IS. (die gesamten islamischen Republiken des russischen Reiches!)

    Es ist eine völlige Illusion zu denken, dass in Syrien eine demokratische Regierung etabliert werden könnte. Es gibt lediglich die Wahl zw. Assad
    und IS. (selbst die sog. Oppositionellen sympahtisieren für den IS) Es gibt
    keine mehrheitsfähige demokratische Alternative in irgendeinem muslimischen Land. Im Gegenteil jedoch sehr wohl mehrheitsfähige Anhänger des IS, die auch unter Namen wie Muslimbruderschafte o.ä. operieren. Das Ziel ist das Klaifat des Islamischen Staates. Eine Bewegung, die seit dem Sturz des Schah´s von Persien zum Monster und zur Bedrohung der gesamten Welt angewachsen ist.

    • Wanda
      16.02.2016, 17:18 Uhr.

      Hans 23:55
      – stimme Ihnen bzgl. der Lebenswirklichkeiten im Islam zu.
      Es wird in der gesamten Islamischen Welt keine Demokratie nach unserem Muster geben. Warum auch ? Unsere Art Demokratie ist kein Exportartikel. Religion, Mentalität, und Entwicklungsstand fordern den Nationen eine eigenständige gesellschaftliche Entwicklung ab. Alles andere wird auf lange Sicht nur als von aussen aufgezwungen betrachtet und nie Legitimität erlangen. Afghanistan, Irak und Libyen sind mit ihrer fatalen Situation die augenfälligsten Beispiele. Der Iran hat mit den Mullahs den kopierten amerikanischen „way of life“ seinerzeit beendet und trödelt seitdem als Theokratie vor sich hin. In Schwarzafrika haben sich quasi überall nur Plutokratien bzw. Diktaturen eingerichtet.
      – Zurück zum Islam: er ist untauglich zur Entwicklung weil ihm das fatale Bestreben zueigen ist, staatliches Leben und die Belange des modernen Staates dem göttlichen Recht unterzuordnen (abgesehen davon, dass sich der Koran auch in die urpersönlichsten Angelegenheiten des Muslim einmischt).
      – Alles jedoch kein Grund sich auf´s hohe Ross zu setzen: bevor man der Hl. Mutter Kirche die weltliche Macht nahm, war die Situation des christlichen Fussvolks kaum anders. Die Kirche stellte den gleichen Anspruch und übte die gleiche inquisitorische Kontrolle aus: über Privatleben und verordneten Glauben. Das sollte man nicht vergessen.

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