Synode zu Ehe und Familie – Tag 6
Eine positive Sprache, Kritik an einer zu westlichen Prägung des Arbeitspapiers und der Gender-Theorie sowie eine stärkere biblische Grundlegung. Das sind einige der Ergebnisse der Kleingruppenarbeit bei der Bischofssynode in dieser Woche, die heute im Plenum vorgestellt wurden. Interessant ist, dass mehrere Gruppen sich selbstkritische Töne im Abschlussdokument wünschen. „Wo trägt die Kirche Schuld an der Situation der Familie heute?“ lautet eine Frage aus der Spanisch-Gruppe, die von Kardinal Oscar Rodriguez-Maradiaga geleitet wird. Die französischsprachige Gruppe mit dem Moderator Kardinal Robert Sarah wünscht sich einen Eingriff des Lehramts, um mehr Kohärenz bei einigen Texten aus Theologie und Kanonistik zu erreichen, die aus ihrer Sicht nebeneinander zu stehen scheinen. 22 Seiten Gruppenergebnisse veröffentlichte das vatikanische Presseamt heute. Welche Änderungen die Synodalen allerdings konkret am Text des Arbeitspapiers wünschen, weiß nur die jeweilige Gruppe. Mehrere hundert Modi wurden bei der Redaktionsgruppe eingereicht, aber nicht publiziert. Und dann ist da die große Frage, ob Papst Franziskus vielleicht gar kein nachsynodales Schreiben veröffentlicht.
Synode will positive Sprache
Es ist schwierig, die 13 Berichte zusammenzufassen. Ihr Duktus ist sehr unterschiedlich. Einige Punkte sollen aber doch aufgeführt werden. Es gab formale und inhaltliche Anmerkungen. Weitestgehend einig sind sich alle Gruppen, dass das Abschlussdokument der Synode in einer „Sprache der Hoffnung“ verfasst sein soll. „Die Kirche des Ja“, formulierte es die spanische Gruppe unter Leitung von Kardinal Francisco Robles Ortega. Hier scheint der Papst mit seinem Anliegen durchgedrungen zu sein, der für die Kirche eine Haltungsänderung wünscht. Einig sind sich die Synodalen auch, „einen Abschnitt einzufügen, der die Schönheit der Ehe und den Auftrag der Ehen und Familien umschreibt“. (Germanicus) Dabei soll auch ein Dank einfließen an die Eheleute und Familien für das, was sie für sich gegenseitig, für die Gesellschaft und die Kirche leisten. Anglicus B unter Leitung von Kardinal Vincent Gerard Nichols wünscht sich diese Anerkennung auch für die Familien, die weit weg davon, perfekt zu sein, ihre Berufung als Familie in einer „imperfekten Welt“ leben, selbst wenn sie auf ihrem Weg scheitern. Es müsse vermieden werden, „dass bestimmte Personen sich ‚ausgeschlossen‘ fühlen von unserer Fürsorge, denn alle Familien haben Anteil an der Mission der Kirche“, schreibt Gallicus C mit seinem Berichterstatter Erzbischof Paul-André Durocher.
Gender ist nicht gleich Gender
Diese Gruppe hat sich auch am differenziertesten zur Gender-Theorie geäußert. Mehrfach gibt es schlicht eine Verurteilung. Durocher und sein Zirkel stellen fest, dass einige soziologische und philosophische Analysen dieser Denkrichtung durchaus eine „Bereicherung im Verständnis der Welt“ sein können. Verurteilt wird klar eine „Verabsolutierung“ dieses Denkens, weil dieses zu einer Egalisierung der Geschlechter führe. Durocher hatte bereits bei seinem Auftritt beim Briefing im vatikanischen Pressesaal vor wenigen Tagen angemerkt, dass bis zu einem gewissen Punkt Ansätze der Gender-Theorie helfen könnten, Rollenmuster zu überwinden, die etwa auch dem Gedanken der Gleichberechtigung von Mann und Frau, wie sie das Christentum vertritt, entgegenstehen. Gender ist nicht gleich Gender, könnte man diese Position zusammenfassen. Wie schon angeklungen in dieser Woche, wurde von mehreren Gruppen positiv hervorgehoben, dass das Instrumentum laboris die Würde der Frau betont. (Gallicus B) Zugleich gaben diese aber auch zu bedenken, dass die Rolle der Männer in der Familie nicht vergessen werden dürfe.
Gleich aus fünf Sprachzirkeln kommt der Vorwurf, das Arbeitspapier sei zu stark westlich geprägt. Immer wieder wird aus den Berichten deutlich, dass die Herausforderungen und pastoralen Situationen sehr unterschiedlich sind. Daher wurde in einigen Kreisen auch die Frage gestellt, welche Themen universal und welche lokal geregelt werden müssen. „Es gab die Tendenz zur Dezentralisierung in vielen unseren Diskussionen“, heißt es im Bericht aus der Gruppe Anglicus C, in der Abt Jeremias Schröder mitarbeitet. Der deutsche Benediktinerabt ist nicht in der deutschen Sprachgruppe, weil er eine internationale Ordensorganisation vertritt.
Forderung nach Vergebungsbitte
Gleich aus drei Sprachgruppen kam Selbstkritik. Am deutlichsten formulierte das die Gruppe Anglicus D mit Erzbischof Charles Joseph Chaput als Berichterstatter. Dieser schlug für den Beginn des Abschlussdokuments ein Schuldbekenntnis vor: „Wir müssen anerkennen und um Vergebung bitten für unsere eigenen Fehler als Hirten, vor allem für die, die das Familienleben untergraben haben.“ Anglicus B unter Kardinal Nichols fordert, die Bischöfe sollten ihr Versagen als Seelsorger bei der Unterstützung von Familien auf ihrem Glaubensweg „offen zugeben“. Hibericus A mit dem Moderator Rodriguez Maradiaga stellt fest, die Kirche müsse sich fragen, wo sie bei der Glaubenserziehung Fehler gemacht habe. Zudem müsse man die Ursachen der Krise, in der sich die christliche Familie heute befinde, genauer analysieren, sonst versuche man Probleme zu lösen, ohne deren Ursachen zu kennen.
Daneben gab es noch eine ganze Menge kleinerer Themen und Anmerkungen. Mehrfach wurden Fragen im Kontext bioethischer Entwicklungen angesprochen sowie der Umgang mit Menschen mit Behinderung im Kontext von Ehe und Familie. Die politischen Rahmenbedingungen kamen ebenso mehrfach in den Blick, wie die Frage, was denn überhaupt „die Familie“ sei. „Einige meinten, es würde mehr Sinn machen von ‚Familien‘ zu sprechen, angesichts der vielen verschiedenen Arten von Familien, die es heute gibt“, wird aus Anglicus C berichtet. Die deutschsprachige Gruppe empfielt, auch die Verwandtschaft mit aufzugreifen.
Gibt es kein Papstschreiben?
Viele kritische Anmerkungen gab es zum Aufbau und zur Sprache des Dokuments. „Wer ist überhaupt Adressat des Abschlussdokuments?“ fragte Erzbischof Chaput im Namen von Anglicus D: „Schreiben wir an den Heiligen Vater, die Familien der Kirche oder an die Welt?“ Das ist in der Tat eine interessante Frage. Früher gab es bei den Synoden am Ende sogenannte „Propositiones“, also Vorschläge, die die Synode an den Papst richtete. Der war dann frei, diese in ein nachsynodales Schreiben einzuarbeiten. Jetzt gibt es am Ende aber ein Dokument. Was passiert damit? Bleibt es unter Verschluss und der Papst arbeitet es dann in ein eigenes nachsynodales Schreiben um? Wird es veröffentlicht und der Papst schiebt dann nach einiger Zeit noch ein eigenes Dokument nach? Beide Varianten sind irgendwie seltsam. Könnte es da vielleicht kein Zufall gewesen sein, dass der Erzbischof von Manila, Kardinal Luis Antonio Tagle, heute beim Briefing so nebenbei erwähnte, dass ein nachsynodales Schreiben nicht zwingend vorgeschrieben sei. Tagle erinnerte daran, dass die erste Synode, die Papst Paul VI. nach dem Konzil 1971 einberufen hatte, „nicht mit einer päpstlichen Apostolischen Exhortation endete“, sondern mit dem Schlussdokument der Synode „Gerechtigkeit in der Welt“. Was in der Vergangenheit schon einmal passierte, „nun, das kann wieder passieren“.
Tagle ist Mitglied des Präsidiums der Synode. Papst Franziskus hat dieses Mal keine Kommission eingesetzt, die einen „Nuntius“ verfassen soll. Bis zur Synode im Oktober 2012 gab es am Ende neben den Propositiones, die an den Papst gingen, eine Botschaft der Synode an die Welt. Dies war die einzige Äußerung der Versammlung nach außen. Die Botschaft wird es dieses Mal nicht geben. Was aber dann? Gibt es eine Neuauflage von 1971? Das würde bedeuten, dass Franziskus die Position der Bischöfe stärken würde. Er nimmt sie damit auch stärker in die Pflicht. Zugleich gäbe es aber kein eigenes Papier von ihm. Es wäre ein Papier „sub et cum Petro“, das am Ende veröffentlicht würde. Vielleicht mit einem Begleitwort des Papstes!? Damit wäre es nur umso verständlicher, warum es bereits Vorarbeiten gegeben hat. Noch hat Franziskus sich nicht zu der Frage geäußert. Ist die Synode ein Experiment? Entscheidet Franziskus im letzten Moment, was er machen wird?
Koch: Vielfalt macht reich
Zum Schluss noch einige Anmerkungen zum deutschsprachigen Zirkel. „Vielfalt macht reich“, lautet das Fazit von Erzbischof Heiner Koch, dem Berichterstatter der Gruppe. Diese bittet, „nicht zu sehr in eine Überbewertung der eher pessimistischen Wahrnehmung unserer Gesellschaft zu verfallen“. Sie mahnt eine „differenzierte Analyse und Beurteilung“ der „heutigen kulturellen Wirklichkeit“ an. Als Beispiel nennt Koch die scharfe Kritik am „Individualismus“ im Arbeitspapier der Synode und betont: „Als egoistischer Grundzug ist er zweifelsohne eine große Gefahr für das Leben der Menschen. Nicht verwechselt aber darf er werden mit der Individualität des Menschen. Jeder einzelne Mensch ist von Gott ganz einmalig und großartig geschaffen und verdient seine Hochachtung und den Schutz der Würde seiner Person. In unserem Text ist mehrmals vom Individualismus die Rede, aber wenig werden die positiven Zeichen der Zeit gewürdigt, die sich aus der Achtung der Individualität des Menschen ergeben.“ Schließlich empfehlen die Teilnehmer des deutschen Sprachzirkels in Bezug auf den Schlusstext eine „sinngemäße“ und nicht eine „interlineare“ Übersetzung. Jeder Text bedürfe einer „kulturellen Übersetzung“.
Die üblichen heißen Eisen spielten – zumindest in den Berichten – keine explizite Rolle. Implizit sind sie gelegentlich angeklungen.
P.S. Am Morgen hat Papst Franziskus erneut einen eindringlichen Appell zu Frieden und politischer Lösung der Konflikte im Nahen Osten aufgerufen. Er verurteilte die Gewalt und forderte die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf.
5 Kommentare
eine gute nachricht, ein evangelium, für gottes gute welt. das ist selbst eine gute nachricht von der synode. der papst hat eine weise entscheidung getroffen, „familie“ in der welt von heute zum thema zu machen. vielleicht nehmen die synodenteilnehmenden den vorschlag auf, von familien im plural zu sprechen. das familienbild, das bislang vorherrscht, ist ja letztliche ein klischee des 19. jahrhunderts. der plural wäre ehrlicher – die kirche kann sich keine heile familie backen. sie muss die vorfindlichen nehmen. und das sind neben dem kind aus verheirateten elternhaus eben auch kinder mit nichtverheirateten beziehungen, mit geschiedenen eltern, gleichgeschlechtlichen eltern etcetc.
das schuldbekenntnis fände ich auch nicht schlecht. die kirche war allzuoft keine gute magistra für familienleben.
gut finde ich auch die differenzierte wahrnehmung des themas gender. die EINE gender-theorie gibt es ja nicht. und die EINE ideologie, die man sich – wie einst den modernismus – in der kirche als feindbild zurechtstrickt, gibt es auch nicht. es gibt etliche theorien zur gesellschaftlichen bedeutung, zur entstehung und problematik der unterscheidung von gender und sex. einige sind nicht nur kompatibel mit kirchlichen überzeugungen („in christus gibt es nicht mehr mann und frau, sondern alle sind eins in christus“ – soviel gleichmacherei der geschlechter traut man paulus gar nicht zu), sondern auch für ein vertieftes verständnis förderlich, andere sind schwer verdaulich, machen aber nachdenklich, wenige sind unsinn. aber deswegen sollte man das kind nicht mit dem bade ausschütten.
„kirche des ja“ gefällt mir auch, denn in christus ist gottes ja fleisch geworden.
Sie meinen mit differenzierter Wahrnehmung des Themas Gender, die Aussage von Papst Franziskus, die Gender-Theorie sei dämonisch? (Man stelle sich vor, Papst Benedikt hätte es so formuliert…) Oder seine Aussage, sie sei »Ausdruck von Frustration und einer Resignation (…), die auf die Auslöschung der sexuellen Differenz zielt, weil sie nicht mehr versteht, sich mit ihr zu konfrontieren.«
Ich stimme mit Papst Franziskus‘ letzter Aussage übrigens zu.
– Die liberal-konservative, dem Vatikan gegenüber durchaus wohlwollende FAZ meint in einem Artikel zur Synode „man habe die strittigen Fragen bisher nur berührt und es fragten sich manche, womit das Treffen überhaupt enden soll. Mit einem Machtwort des Papstes?“…
Hochinteressant: es wird auch berichtet, dass andere afrikanische Klerikale sich von Kardinal Sarah und seiner Behauptung distanzierten, der Kontinent Afrika spreche (vereint) mit einer Stimme – nämlich durch ihn…
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