Papst Franziskus in Lateinamerika – der Abschluss
Das Treffen mit den Volksbewegungen, Griechenland, USA und Kuba sowie die Frage nach der „Droge“, die ihn so fit hält, waren Themen bei der fliegenden Pressekonferenz von Papst Franziskus auf dem Rückweg von Asunción nach Rom. Gut eine Stunde nahm sich der Pontifex Zeit, beantwortete 15 Fragen. Auf die Frage der deutschen Journalisten, warum er immer über die Armen und die Reichen spreche, aber nie über die Mittelschicht, die brav arbeite und ihre Steuern zahle, gab Franziskus zu, dass er hier noch Nachholbedarf habe. Er werde darüber nachdenken, wie das Lehramt dieses Thema noch besser aufgreifen könne. Schließlich verriet er, dass er sich wie ein Uropa vorkomme, wenn die Menschen ständig Selfies mit ihm machen wollten. „Es ist eine andere Kultur, aber ich respektiere das“, so Franziskus.
Papst: Sorry, die Mittelschicht habe ich vergessen
Die Mittelschicht – Franziskus wirkte überrascht und etwas nachdenklich, als der Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur, Ludwig Ring-Eifel, für die beiden deutschen Journalisten die Frage stellte. „Danke. Das ist eine Korrektur. Sie haben Recht. Das ist ein Fehler meinerseits“, gab der Papst zu. Man müsse allerdings sehen, dass global betrachtet die Polarisierung zwischen Arm und Reich zunehme, so Franziskus. Auch stünden die Armen im „Herzen des Evangeliums“, weshalb er immer wieder von ihnen spreche. Er wolle sich damit allerdings nicht herausreden. Er habe zwar einige Dinge zur Mittelschicht gesagt, „aber das sind wenige“. Die einfachen Menschen, die Arbeiter etc. seien ein großer Wert. Er werde darüber nachdenken, wie er das künftig lehramtlich noch deutlicher machen könne.
Griechenlandkrise
Zur Griechenlandkrise äußerte sich Franziskus zurückhaltend. Es gebe durchaus eine Mitverantwortung der früheren griechischen Regierungen, die das Land immer tiefer in die Schulden geführt hätten. Die jetzige Regierung habe einige Korrekturen in die richtige Richtung gemacht. Er hoffe, dass es eine Lösung für Griechenland geben werde. Es müsse zudem einen Weg der Aufsicht geben, damit nicht andere Länder in eine ähnliche Situation kommen könnten. „Der Weg der Darlehen und Schulden kommt nie zu einem Ende!“ Angetan zeigte er sich von Überlegungen, die es nach seinen Worten auf UNO-Ebene gebe. Man habe ihm vor einem Jahr berichtet, dass man an einem Konzept arbeite, das den Bankrott von Staaten vorsehe. „Wenn ein Geschäft eine Bankrotterklärung machen kann, warum soll das ein Land nicht machen können?“ Man müsse dann nach Lösungen suchen, diesem Land zu helfen.
Volksbewegungen sind nicht anarchisch
Mehrere Fragen bezogen sich auf seine Rede vor den Volksbewegungen am Donnerstag in Santa Cruz/Bolivien und seine scharfe Kritik am Weltwirtschaftssystem. Zu den Volksbewegungen stellte er fest, dass diese eine globale Realität seien. „Es sind Bewegungen, die Kraft haben.“ Sie fühlten sich von den Gewerkschaften nicht vertreten, weil diese aus Sicht der Bewegungen nicht für die Rechte der Ärmsten kämpften. Die Volksbewegungen seien nicht anarchisch, so Franziskus. Die Kirche könne an dieser Stelle nicht indifferent sein. Es gehe darum, den Volksbewegungen die katholische Soziallehre nahezubringen. Daher sieht Franziskus seine Rede auch nicht als Politik, sondern als Katechese.
Der Papst stellte dazu fest, dass seine Position, die Wirtschaftskritik etc. nicht neu sei, sondern bereits in Evangelii gaudium und Laudato si enthalten sei. Er verkünde letztendlich nur die katholische Soziallehre, so Franziskus. Daher sei nicht die Frage, ob die Kirche ihm folge bei seinen Positionen zu Wirtschaft, Arbeit etc., sondern er folge schlicht der Kirche. Er habe gehört, dass es gerade aus den USA Kritik an seiner Enzyklika gebe. Er habe bisher noch keine Zeit gehabt, sich damit zu beschäftigen, werde das ab jetzt im Vorfeld der USA-Reise machen. „Denn jede Kritik muss wahrgenommen und studiert werden. Und dann muss man Dialog führen.“
USA und Kuba
Was die Aussöhnung zwischen USA und Kuba anbetrifft, spielte Franziskus seine Rolle und die des Vatikans herunter. Es habe Anfragen von beiden Seiten an ihn gegeben. Über drei Monate habe er im Gebet darüber nachgedacht, was er tun könne. Dann sei ihm ein Kardinal in den Sinn gekommen, der die ersten Gespräche geführt habe. Nach Monaten habe ihm dann Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin mitgeteilt, dass bereits das zweite Treffen von Delegationen beider Länder kurz bevorstehe. Es sei allein gegangen und habe sich nicht um eine Mediation des Vatikans gehandelt, so der Papst. „Es war der gute Wille der beiden Länder. Es ist ihr Verdienst. Sie waren es, die das gemacht haben. Wir haben quasi nichts gemacht, nur kleine Dinge.“ Wer der Kardinal war, sagte Franziskus nicht. Recherchen haben ergeben, dass es der Erzbischof von Havanna war, Kardinal Jaime Ortega, der die ersten Vermittlungsgespräche führte. Ortega gehört zu den Vertrauten des Papstes. Der kubanische Kardinal hatte wenige Wochen nach der Wahl die Notizen der Rede Bergoglios aus dem Vorkonklave veröffentlicht, mit ausdrücklicher Zustimmung des Papstes.
Der Frage, ob Kuba nicht mehr für Menschenrechte tun müsse, wich Franziskus mit dem Hinweis aus, dass es sehr viele Länder auf der Welt gebe, in denen die Menschenrechte nicht geachtet würden. Das gelte auch für die Religionsfreiheit, wo es selbst in Europa Länder gebe, in denen man kein religiöses Zeichen machen dürfe. Bei der Annäherung zwischen USA und Kuba würden beide Seiten gewinnen und verlieren. „Das ist bei Verhandlungen so.“ Beide würden auf jeden Fall Frieden, Freundschaft und Zusammenarbeit gewinnen. Zu den Verlusten äußerte er sich nicht. Mit Blick auf Kolumbien stellte Franziskus fest, dass er hoffe, dass der Friedensprozess dort nicht zum Erliegen komme. Der Vatikan sei jederzeit bereit zu helfen, wenn dies gewünscht werde. In Venezuela sei die Bischofskonferenz im Moment aktiv, um bei der Vermittlung zwischen Regierung und der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC zu helfen. Auf die Frage, ob er bereit sei, im Konflikt zwischen Chile und Bolivien über einen Meerzugang Boliviens zu vermitteln, zeigte sich der Papst zurückhaltend. Bolivien habe in dieser Sache internationale Gerichte angerufen, daher sei die Situation gegenwärtig schwierig. Eine Vermittlung könne immer nur ein allerletzter Schritt sein.
Missverständnisse und Privates
Mehrfach wies Franziskus darauf hin, dass man bei seinen Texten und Aussagen immer auf den Kontext achten müsse. Er sei sich bewusst, dass seine Texte gelegentlich instrumentalisiert würden. Das mache ihm aber keine Angst. Oft würden einzelne Sätze aus dem Zusammenhang gerissen. Das findet Franziskus nicht okay. Man müsse jeweils den Kontext sehen. Das gelte etwa für die Predigt in Guayaquil, in der er auch über die Synode gesprochen habe. Als er von dem gesprochen habe, „was uns unrein erscheint, uns erregt oder erschreckt“ habe er an nichts Konkretes gedacht, sondern ganz generell an alle Dinge, die im Instrumentum Laboris für die Synode beschrieben seien, stellte der Pontifex klar.
Angesprochen auf seine Energie und Frische, auch nach acht Tagen Reise, scherzte Franziskus: „Ah, Du willst wissen, was für eine Droge ich nehme!?!“ Der Mate-Tee helfe ihm. Er stellte zugleich klar, dass er keine Koka-Blätter auf der Reise gekaut habe. In Bezug auf Wirtschaft habe er eine Allergie. Sein Vater, der Buchhalter war, habe oft Arbeit mit nach Hause genommen am Wochenende. Das scheint Bergoglio nachhaltig geprägt zu haben. Was er über die vielen Selfies denke, die die Menschen mit ihm machen wollen? „Ich fühle mich dabei wie ein Urgroßvater.“ Das sei eine andere Kultur, die er aber respektiere, so Franziskus. Beim Abschied in Asunción habe ihn ein Polizist um ein Selfie gebeten. Das sei ein gestandener Mann gewesen. daher war die erste Reaktion von Franziskus: „Aber Du bist doch ein Erwachsener!“ Das Foto gab es aber natürlich trotzdem.
Protestkunst
Franziskus äußerte sich auch zu dem Kreuz, das Boliviens Präsident Evo Morales ihm geschenkt hatte. Es war ein Christus auf einem Holzkreuz, das aus Hammer und Sichel bestand. Der Pontifex erklärte, dass ihm im Moment der Übergabe nicht bewusst war, dass es sich dabei um ein Kunstwerk des ermordeten Jesuiten Luis Espinal gehandelt habe. Erst im Verlauf der Woche habe er gelernt, dass der 1980 in der Diktatur ermordete Ordensbruder auch Künstler und Poet gewesen sei. Er habe das Geschenk aber nicht als Beleidigung aufgefasst, sondern es als eine Art Protestkunst verstanden. Während er die beiden Orden, mit denen Morales ihn überraschend geehrt hatte, in Bolivien zurückgelassen habe, nehme er das Kreuz mit nach Rom. Die beiden Orden habe er der Gottesmutter von Copacabana geschenkt. Sie werden künftig im Marienheiligtum dort aufbewahrt.
Franziskus blieb bei dieser Pressekonferenz an vielen Stellen sehr vage. Er war sehr vorsichtig. Zwar wirkte er locker und scherzte. Aber dennoch hatte man das Gefühl, dass er um jeden Preis Schlagzeilen wie bei der ersten Pressekonferenz auf dem Rückflug von Rio de Janeiro mit seiner Aussage zu Homosexuellen vermeiden wollte. Sympatisch wirkte sein „Mea culpa“ bei der Frage nach der Mittelschicht und seine spontane Einsicht, dass er hier bisher einen blinden Fleck in seinem Lehramt hat.