Synode: Rückkehr zu sachlicher Diskussion

Nachdem gestern kurzfristig viel Polemik im Spiel war, ist die Synode heute wieder zur sachlichen Diskussion zurückgekehrt. Diesen Eindruck vermittelten die drei Synodenväter, die heute am Pressebriefing teilnahmen. Man ist zu einer nüchternen, sachlichen und konstruktiven Diskussion in den Sprachzirkeln zurückgekehrt. Dort verlaufen die Debatten zum Teil sehr kontrovers. Doch was zu hören ist, sind alle um einen Konsens in den verschiedenen Einzelfragen bemüht. Kardinal Lluíz Martinez Sistach (Barcelona) unterstrich, es gebe am Ende der Diskussionen in seiner Arbeitsgruppe stets eine große Einmütigkeit. Die Gespräche legten einen starken Fokus auf Pastoral, sprich auf die Situation der Menschen. Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Erzbischof Joseph Edward Kurtz, erklärte, es gehe bei der Arbeit in den Kleingruppen um eine Vertiefung und Verbesserung des Zwischenberichts vom Montag. Diesen bezeichnete Kurtz als ein „wunderbares Arbeitspapier“.

Realitätsschock?

Papst Franziskus konfrontiert seine Kirche mit der Realität – und das bei einem der zentralen Themen für Kirche und Gesellschaft: Ehe und Familie. Dass Realität und Lehre weit auseinander klaffen, dass die traditionelle Lehre von vielen nicht mehr verstanden oder gar nicht gekannt wird, dass es in den verschiedenen Regionen der Welt sehr unterschiedliche Herausforderungen gibt, aber auch viele gemeinsame, das hat die Umfrage im Vorfeld der Synode bereits zutage gefördert. In der vergangenen Woche haben die Synodenväter diese Bestandsaufnahme dann in der Synodenaula fortgesetzt und auf den Punkt gebracht. Einige haben gleich schon erste Lösungsvorschläge angebracht. In der Breite der knapp 250 Statements über eine Woche verteilt, in stundenlangen Sitzungen in einer nicht sehr freundlichen Synodenaula, die an vielen deutschen Universitäten nur als mittelmäßiger Hörsaal durchginge, konnten die Synodenväter die Analyse ganz gut vertragen.

In der komprimierten Form von Kardinal Erdö am Montag vorgetragen, scheint es dann doch einigen Synodenvätern die Sprache verschlagen zu haben. Obwohl das eigentlich das falsche Bild ist, denn der Aufschrei war bei einigen groß. Sind da einige erschrocken über die eigene Diskussion, die Offenheit und Klarheit der Analyse sowie vielleicht auch Kühnheit mancher Aussage und Idee, die vorgebracht wurde? Eine Relatio post disceptationem hat die Aufgabe, die Essenz der ersten Woche zusammenzufassen. Hier kommen die ganze Realität und die Herausforderungen weltweit in konzentrierter Form. Kardinal Erdö hat den Synodenvätern den Spiegel vorgehalten. Einige haben mit nüchternem Realismus reagiert; andere sind erschrocken; wieder andere glaubten, sich und den Verlauf der ersten Woche verzerrt wiedergegeben zu sehen. Am Tag 2 nach dem Zwischenbericht bleibt viel Kritik an dem Papier, aber der Ton ist wieder etwas gemäßigt. Die Sprachzirkel haben sich mit der Relatio intensiv beschäftigt. Teilweise wurde akribisch um einzelne Worten und Formulierungen gerungen. Die meisten Gruppen waren bereits heute Mittag mit ihrer Arbeit fertig und haben ihre Änderungswünsche bereits schriftlich an die Redaktionsgruppe der Relatio sinodi, so der Name des Abschlussdokuments, weitergegeben. Das Team traf sich heute am Nachmittag bereits zum ersten Mal, um die Papierberge mit den Änderungen zu sichten.

Reaktion für Abschlussdokument beginnt

Was dieses Redaktionsteam anbetrifft, gibt es zumindest von Seiten der Journalisten immer wieder kritische Nachfragen, ob es nicht zu einseitig besetzt ist. Aus der Synode heraus soll bisher keine Kritik laut geworden sein. Es fällt auf, dass kein Afrikaner darin vertreten ist. Zudem werden die sechs Personen zum größten Teil als enge Vertraute von Papst Franziskus gesehen und damit als Vertreter einer bestimmten Richtung. Nun wird der für das Briefing der deutschsprachigen Journalisten zuständige Jesuit Bernd Hagenkord nicht müde zu betonen, dass es keine Parteienbildung gebe in der Synode. Trotzdem hat der Eingriff von Franziskus ein „Geschmäckle“ oder umgekehrt formuliert, ist es, wie ja schon geschrieben, ein inhaltlicher Eingriff. Allerdings dürfte auch klar sein, dass die Redaktionsgruppe auf jeden Fall wird vermeiden wollen, dass das Abschlussdokument am Samstagnachmittag bei der Abstimmung durchfällt. Sie wird daher auf Ausgewogenheit und möglichst große Offenheit achten müssen. Nur so kann die Diskussion zwischen den beiden Synoden breit verlaufen und der Papst auf seinem synodalen Weg möglichst viele Gläubige, Bischöfe und Kardinäle mitnehmen. Es gibt noch ein zweites „Problem“ im Zusammenhang mit der erweiterten Redaktionsgruppe. Früher war es so, dass der Generalrelator zusammen mit dem Synodensekretär und dem Sondersekretär das abschließende Papier (früher einzelne Propositiones, heute Relatio sinodi) erarbeitet hat und dabei die Relatoren aus den Sprachzirkeln mitwirkten. Diese konnten dann jeweils helfen, die Änderungswünsche aus der je eigenen Gruppe zu erklären, wenn Fragen waren. Die Relatoren sind dieses Mal wohl nicht beteiligt.

Einfluss von konservativen Lobbygruppen?

Kardinal Sistach erklärte heute auf Nachfrage beim Briefing dass der Druck von konservativen Lobbygruppen, die ja teilweise auch bei den Pressebriefings als Journalisten mit entsprechend tendenziösen Fragen aufgetreten sind, die Beratungen der Synode nicht beeinflusst hätten. Erzbischof Kurtz unterstrich, dass für ihn die Gespräche im Vorfeld der Synode mit den verschiedensten Gruppen und Gläubigen in den USA sowie dann der Austausch mit den anderen Synodalen entscheidend gewesen seien. Einig waren sich die beiden mit dem Leiter des Päpstlichen Rats zur Förderung der Neuevangelisierung, Erzbischof Rino Fisichella, dass das Abschlussdokument der Synode viel deutlicher als der Zwischenbericht auf die positiven Seiten von Ehe und Familie herausstellen müsste. Es dürften im Schlussdokument nicht die Probleme überwiegen.

Zu den kritischen Fragen wie wiederverheiratete Geschiedene und Homosexualität wollten sich alle drei heute beim Briefing nicht detailliert äußern. Angesprochen auf die Enzyklika Humanae vitae und die Forderung im Zwischenbericht, die natürlichen Methoden der Empfängnisregelung wieder stärker zu betonen, erklärte Kardinal Sistach, dass in seiner Sprachgruppe der Wert der Gewissensentscheidung des Einzelnen noch einmal stark diskutiert worden sei und man sich wünsche, dass dies auch im Schlussdokument deutlicher zum Ausdruck komme. Am Ende müsse sich der Einzelne vor Gott verantworten. In eine ähnliche Richtung verlief auch die Diskussion im Sprachzirkel von Erzbischof Kurtz.

P.S. Die ersten heftigen Reaktionen auf das Arbeitspapier vom Montag zeigen, dass die katholische Kirche lernen muss, vielleicht wieder lernen muss, offen zu diskutieren und auch Diskussion zuzulassen. Denken muss zugelassen werden. Dazu gehört auch, Kühnes zu denken. Nur so kann man auch feststellen, ob man eventuell über das Ziel hinausschießt und sich wieder beschränken muss. Woran liegt es, dass es im deutschen Sprachraum seit einigen Jahren keine großen Theologenfiguren mehr gibt? Wenn jeder, der etwas freier zu denken wagt, sofort scharf und polemisch angegriffen wird und ihm gleich die Katholizität abgesprochen wird, dann wird sich der theologische Diskurs immer mehr nur noch im Kreis drehen bis er zur reinen Nabelschau verkommt. Wenn sich dazu noch die Angst gesellt, wird die Situation noch schwieriger. Papst Franziskus scheint keine Angst zu haben, weil er einerseits tief verwurzelt ist im Glauben ist und andererseits, wie er am Vorabend der Synode gesagt hat, in der Zuversicht lebt, „dass der Herr es zu seiner Zeit nicht daran fehlen lassen wird, zur Einheit zurückzuführen“.

P.P.S. Und weil hier in den letzten Tagen sehr viel über das Thema Unfehlbarkeit diskutiert wurde. Aus meiner Beobachtung heraus würde ich sagen, dass dieses Thema bei Papst Franziskus keine große Rolle spielt. Er ist überzeugt, dass ein Gesetz, eine Regel und auch ein Glaubensinhalt aus sich heraus wirken oder einsichtig sein müssen. Allein nur, weil es auf dem Papier steht und vielleicht mit einer besonders schönen offiziellen Formel verkündet wurde, bringt nichts. „Die Menschen [sind] des Autoritarismus überdrüssig“, sagte er im Interview mit den Jesuitenzeitschriften.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.