Papst: Ungerechte Aggressoren stoppen
„Einen ungerechten Aggressor zu stoppen, ist legitim.“ Das sagte Papst Franziskus gegenüber Journalisten auf dem Rückflug von seiner Reise nach Südkorea mit Blick auf die Situation im Irak. Allerdings wollte er sich nicht auf die Mittel festlegen, mit denen der Aggressor zu stoppen ist. Die Institution, das zu entscheiden, seien die Vereinten Nationen, nicht ein einzelner Staat, so Franziskus. Er sei jederzeit bereit, in den Irak zu reisen, und schloss eine solche Visite für die nahe Zukunft nicht aus. Eine Stunde lang stellte sich der Papst den Fragen der Journalisten. Weitere Themen waren China, sein Verhältnis zu Benedikt XVI., die geplante Ökologie-Enzyklika und seine Gesundheit.
Stoppen heißt nicht bombardieren oder Krieg
Den ungerechten Aggressor stoppen, das findet Papst Franziskus legitim. Wenn es um die Frage nach den Mitteln geht, bleibt er vage. „Ich unterstreiche das Verb ‚stoppen‘. Ich sage nicht, bombardieren, Krieg führen.“ Oft sei unter dem Deckmantel, einen ungerechten Aggressor stoppen zu wollen, ein Eroberungskrieg geführt worden, kritisierte Franziskus. Für ihn ist die UNO der Ort zu entscheiden, ob ein Aggressor ungerecht ist und mit welchen Mitteln er zu stoppen ist. Was eine mögliche Irakreise anbetrifft, erklärte Franziskus, dass er bereits mit seinen engsten Mitarbeitern darüber nachgedacht habe. Derzeit sei es aber wohl nicht der richtige Zeitpunkt. Er sei aber bereit, dorthin zu fahren.
In dem Gespräch beklagte Franziskus die Brutalität, mit der heute Konflikte ausgetragen würden, sowie den Einsatz von Folter. Heute habe man in der Welt ein Level an Grausamkeit erreicht, das Angst mache. „Früher sprach man mal von einem ‚konventionellen Krieg‘. Heute zählt das nicht mehr. Ich sage nicht, dass ‚konventionelle Kriege‘ etwas Gutes sind. Aber heute kommt die Bombe und tötet die Unschuldigen mit den Schuldigen, die Kinder mit den Müttern. Sie töten alle.“ Entsetzt zeigte sich Franziskus über die aus seiner Sicht weit verbreitete Anwendung von Folter. Diese sei heute quasi ein normales Mittel bei der Arbeit von Geheimdiensten oder auch Justizverfahren. Die Folter sei eine Sünde gegen die Menschheit. „Zu den Katholiken sage ich: eine Person zu foltern ist eine Todsünde, eine schwere Sünde.“
Papst: Ob ich nach China möchte? Klar!
Mit Blick auf China wiederholte er seine Bereitschaft zum Dialog. „Ob ich nach China gehen möchte. Aber klar! Morgen!“ Franziskus würdigte das „gute und vornehme chinesische Volk“, sprach von den „großen chinesischen Weisen“. Die Kirche respektiere das chinesische Volk, bitte allerdings darum, ihre Arbeit frei machen zu können. Mehr wolle sie nicht. Das k90lang nach einem Dialogangebot ohne große Konditionen. Er erinnerte an den Brief seines Vorgängers Benedikt XVI. an die Katholiken in China vom Mai 2007. „Dieser Brief ist heute noch aktuell.“ Auf dem Hinflug nach Seoul war Franziskus übrigens im Cockpit bei den Piloten gewesen, als das Flugzeug in den chinesischen Luftraum eintrat.
Sein Verhältnis zu Benedikt XVI. bezeichnete Franziskus als brüderlich. Er berichtete von schriftlichen Kontakten und einem Treffen unmittelbar vor der Koreareise. Franziskus betonte erneut, dass für ihn ein emeritierter Papst keine Ausnahme ist, sondern mittlerweile eine Institution. Einen eigenen Rücktritt schloss er nicht aus für den Fall, dass seine Kräfte nicht mehr zur Ausübung des Amts ausreichten.
Auf seine Gesundheit angesprochen und die Absage von Terminen im ersten Halbjahr erklärte der Papst, dass es sich um anstrengende Tage gehandelt hätte und er künftig achtsamer sein müsse. Zugleich erzählte er aber auch, dass er durchaus „Urlaub“ mache. Allerdings verbringe er diesen seit fast 50 Jahren immer zuhause. Das sei eine seiner Neurosen, wie der tägliche Mate-Tee. „Ich verändere den Rhythmus. Ich schlafe mehr. Ich lese die Sachen, die mir gefallen, höre Musik. Bete mehr. Das ist Erholung. Im Juli habe ich das gemacht.“ Sein letzter Urlaub außerhalb von Buenos Aires war nach eigenen Angaben 1975 mit Jesuitenbrüdern.
Reisen für 2015
Franziskus bestätigte, dass er gerne zum katholischen Weltfamilientreffen fahren möchte, das im September 2015 in Philadelphia in den USA stattfindet. Es lägen zudem Einladungen von Präsident Obama zu einer Rede im US-Parlament sowie des UN-Generalsekretärs zu einer Ansprache vor der UN-Vollversammlung vor. Möglich, dass er daher auch nach Washington und New York fahre. Ob er dann noch einen Abstecher nach Mexiko mache und den Marienwallfahrtsort Guadalupe besuche, sei noch offen. Das gelte auch für einen möglichen Besuch in Spanien im nächsten Jahr. Fest steht für 2015 ja bereits der Besuch in Sri Lanka und auf den Philippinen im Januar.
Was die nächste Auslandsreise anbetrifft, nannte er zwei Gründe, warum er am 21. September die albanische Hauptstadt Tirana besuchen werde. Zum einen wolle er damit würdigen, dass es dort gelungen sei, eine Regierung der nationalen Einheit aus Muslimen, Katholiken und Orthodoxen zu bilden. „Die Präsenz des Papstes soll allen Völkern zeigen, man kann zusammenarbeiten.“ Zum anderen habe ihn die tragische Geschichte der Christen in Albanien berührt, wo in der kommunistischen Zeit mehr als 1.800 Kirchen zerstört worden seien.
Ökologieenzyklika dauert noch
Die erwartete Ökologieenzyklika braucht wohl noch etwas Zeit. Kurz vor der Reise nach Südkorea habe Kardinal Peter Turkson ihm einen ersten Entwurf geschickt. Das Papier sei aktuell noch um ein Drittel umfangreicher als das Apostolische Schreiben Evangelii Gaudium, werde aber sicher im weiteren Arbeitsprozess noch dünner werden. Er stehe jetzt vor dem Problem, so Franziskus, dass es im Bereich der Ökologie viele wissenschaftliche Hypothesen gebe. Manche seien gesichert, andere nicht. „In einer Enzyklika, die lehramtlichen Charakter hat, kann man nur mit den sicheren Sachen vorangehen.“ Hier müsse jetzt Punkt für Punkt der Entwurf durchgearbeitet und die Thesen auf ihre Belastbarkeit geprüft werden. Wie lange das dauern wird, sagte er nicht.
Papst würdigt Koreaner
Mehrfach würdigte Franziskus noch einmal das koreanische Volk. Es habe Invasionen erlebt und Kriege und sei gedemütigt worden. Heute sei es geteilt. „Dieses Volk hat die Fähigkeit zu Leiden. Das ist auch Teil seiner Würde.“ Diese Würde habe er etwa in den Frauen gesehen, denen er heute Morgen beim Gottesdienst in der Kathedrale begegnet sei, den sogenannten „Trostfrauen“. Diese wurden zwischen den 1930er Jahren und 1945 von den japanischen Invasoren als Mädchen verschleppt und in den Kasernen zur Prostitution gezwungen. „Sie haben ihre Würde nicht verloren. Heute hat man ihnen ein Gesicht gegeben.“
Irritiert zeigte sich Franziskus über eine Reaktion auf den Solidaritäts-Pin für die Opfer der Sewol-Fährkatastrophe. Diesen hatte ihm ein Jugendlicher am Donnerstagnachmittag angesteckt. Nach einem halben Tag sei jemand zu ihm gekommen und habe ihn aufgefordert, diesen doch abzunehmen, da er neutral sein müsse. Die entrüstete Antwort des Papstes: „Aber hören sie, angesichts des menschlichen Leids können sie nicht neutral sein.“ Zu0vor hatte er bereits erklärt: „Ich bin Priester, ich muss mich den Menschen nähern, die Leid erfahren haben.“ Er sei sich bewusst, dass er damit das geschehene Leid nicht ungeschehen machen könne, „aber die Solidarität gibt Kraft.“ Der Sewol-Pin war auch während der Pressekonferenz noch am weißen Talar des Papstes. Am Montagmorgen hatte er sich von einer der „Trostfrauen“ einen gelben Schmetterlings-Pin am Messgewand befestigen lassen. Dieser ist ein Symbol für die Befreiung aus Unterdrückung und Diskriminierung.
Friedensgebet nicht umsonst
Franziskus ist überzeugt, dass das Friedensgebet mit den beiden Präsidenten aus Israel und den Palästinensergebieten vor wenigen Wochen im Vatikan nicht umsonst war. Das Gebet habe eine Tür geöffnet, die trotz der neuen Gewalt im Heiligen Land noch immer offen sei. „Man muss der Menschheit sagen, dass es neben dem Weg der Verhandlungen auch jenen des Gebets gibt.“
Papst nicht müde
Nach einer Stunde und 15 Fragen beendete Vatikansprecher Federico Lombardi die fliegende Pressekonferenz. Der Papst wirkte trotz der anstrengenden Reise nicht müde, war zu Scherzen aufgelegt und schien voller Tatendrang. Er kündigte an, dass er auf dem Rückweg vom Flughafen in Rom in den Vatikan noch seinen bereits obligatorischen Besuch in der Basilika Maria Maggiore machen werde. Dort wolle er am Marienbild der „Salus populi romani“ einen Blumenstrauß niederlegen, den er in Seoul von einem kleinen Mädchen beim Abschied vor der Nuntiatur am Morgen geschenkt bekommen hatte. Nach der Rückkehr vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro vor einem Jahr hatte Franziskus einen Ball und ein Trikot zur Schutzpatronin Roms gebracht, die er von Jugendlichen geschenkt bekommen hatte. Deutsche Augen sehen das mit etwas Verwunderung. Für Franziskus ist das ein ganz selbstverständlicher Akt, ein Teil der lateinamerikanischen Volksfrömmigkeit.
P.S. Eine Zusammenfassung und Wertung der Asienreise gibt es auf heute.de.