Papst, Konzil und Piusbruderschaft
Wenn Papst Benedikt XVI. in diesen Tagen vom II. Vatikanischen Konzil spricht, rückt er interessanter Weise selten die großen Konstitutionen etwa über die Liturgie (Sacrosanctum Concilium) oder die Kirche (Lumen Gentium) in den Mittelpunkt. Nein, seine Themen sind die Papiere über Religionsfreiheit, das Verhältnis der Religionen und die Ökumene. Zuletzt geschehen an diesem Wochenende bei der Verleihung des „Ratzinger-Preises 2012“ im Vatikan. Die beiden Preisträger, der französische Philosoph Remi Brague (65) und der US-amerikanische Theologe Brian Daley (72), beschäftigten sich mit „zwei zentralen Aspekten der Kirche in unserer Zeit“, so der Papst: Ökumene und interreligiöser Dialog. Er verwies ausdrücklich auf die beiden entsprechenden Konzilsdokumente „Unitatis Redintegratio“ und „Nostra aetate“ und erklärte, dass er noch ein weiteres Dokument hinzufügen möchte, das sich als „außergewöhnlich wichtig erwiesen habe“: die Erklärung „Dignitatis humanae“ über die Religionsfreiheit.
Ist es Zufall, dass Benedikt XVI. im Vorwort zum Konzilsband seiner Gesammelten Werke, der Ende November erscheint, schreibt: „Die Begegnung mit den großen Themen der Neuzeit fand unerwartet nicht in der großen Pastoralkonstitution statt, sondern in zwei kleineren Dokumenten, deren Wichtigkeit erst nach und nach in der Rezeption des Konzils zum Vorschein gekommen ist.“ Er meint auch hier: „Dignitatis humanae“ und „Nostra aetate“. Die großen Konstitutionen über Kirche, Liturgie und Offenbarung werden nur am Rande erwähnt. Warum betont Benedikt XVI. in den Tagen des Konzilsjubiläums gerade die Themen Religionsfreiheit, Ökumene und interreligiöser Dialog? Und das, wo er doch bisweilen nicht gerade als großer Freund der Ökumene gilt!?
Übrigens sieht er die Konzils-Papiere durchaus auch kritisch. Zu Nostra aetate merkt er in dem bereits erwähnten Vorwort an, dass die Rezeption des „großartigen Textes“ auch Schwächen zum Vorschein gebracht habe: „Er spricht von Religion nur positiv und lässt dabei die kranken und gestörten Formen von Religion beiseite, die geschichtlich und theologisch von großer Tragweite sind: Der christliche Glaube war deshalb von Anfang an nach innen wie nach außen auch religionskritisch.“
Religionsfreiheit, Ökumene und interreligiöser Dialog sind übrigens die Themen, bei denen die traditionalistische Piusbruderschaft – neben der Liturgie – die größten Schwierigkeiten mit dem Konzil hat. Und genau die, stellt Benedikt XVI. jetzt als die „großen Themen“ heraus. Das wird die Piusbrüder nicht freuen. Der deutsche Distriktobere, Franz Schmidberger, hatte ja diese Woche noch einmal erklärt, dass eine Einigung mit Rom derzeit kaum denkbar erscheint. Am Wochenende gab es erneut Spekulationen, die Piusbruderschaft schließe den Holocaustleugner Richard Williamson aus ihren Reihen aus. Eine offizielle Bestätigung gibt es aber bisher nicht. Dass für einen Holocaustleugner kein Platz in der katholischen Kirche ist, hat der Vatikan ja vor langer Zeit klargestellt. Mit der Betonung der genannten Konzilsdokumente, wird einmal mehr deutlich, dass inhaltlich auch für die anderen Piusbrüder kein Platz zu sein scheint. Es sei denn, sie bewegen sich. Doch dafür gibt es nach wie vor keine Anzeichen.