Rückblick: Papst auf Kuba – Tag 4 + Papst in USA – Tag 1

22.9.2015: Es ist schon etwas Besonderes, wenn ein Papst auf Kuba das Wort „Revolution“ in den Mund nimmt. Allerdings hat Franziskus bei seinem letzten Gottesdienst auf der Karibikinsel zu einer „Revolution der Zärtlichkeit“ aufgerufen. Dennoch ist interessant, dass er diesen Appell damit verband, die Kubaner aufzufordern, „aus dem Haus zu gehen“. Franziskus meinte das im Kontext von mehr Solidarität untereinander und caritativem Engagement. Er forderte die Kirche auf, sich am gesellschaftlichen und kulturellen Leben aktiv zu beteiligen. Auf dem Flug von Santiago de Cuba nach Washington stellte sich der Pontifex 25 Minuten den Fragen der mitreisenden Journalisten. Dabei ging es um das geplatzte Treffen mit Dissidenten, die Begegnung mit Fidel Castro und die Frage, ob der Pontifex noch katholisch ist. Am Dienstagnachmittag Ortszeit traf Franziskus in den USA ein. Es gab eine kurze Begrüßung durch US-Präsident Barack Obama und seine Familie am Flughafen. Sonst waren keine weiteren öffentlichen Termine vorgesehen. Die offizielle Begrüßung findet am Mittwochmorgen Ortszeit im Garten des Weißen Hauses statt.

Revolution der Zärtlichkeit

Die „Revolution der Zärtlichkeit“, die Franziskus an keinem geringen Ort als dem kubanischen Nationalheiligtum formulierte, bedeutet letztendlich einen gesellschaftlichen Wandel. „Unsere Revolution nimmt den Weg über die Zärtlichkeit, über die Freude, die immer zu Nähe, immer zu Mitgefühl wird und uns dazu führt, uns in das Leben der anderen einzubringen, um zu dienen“, so Franziskus. Die Kirche solle raus aus den Sakristeien, „um das Leben zu begleiten, die Hoffnung zu unterstützen und Zeichen der Einheit zu sein“. Die Kirche solle Brücken spannen, Mauern durchbrechen und Versöhnung aussäen. Franziskus erinnerte daran, dass der Glauben auf Kuba trotz „Schmerzen und Entbehrungen“ überlebt habe. Jetzt möchte er, dass er seine Passivität überwindet. Dazu braucht es allerdings auch das Wohlwollen des Regimes, das die Kirche immer wieder behindert. Wenn es Franziskus gelänge, die Gläubigen wirklich dazu zu bewegen hinauszugehen, könnte es eine kleine Revolution werden. Die Frage ist allerdings, wie stark die Kirche im Innern wirklich ist. Auf Kuba sind zwar 60 Prozent der rund 11,3 Millionen Einwohner katholisch; doch der Gottesdienstbesuch liegt bei gerade einmal zwei Prozent.

Vatikansprecher Federico Lombardi zog gestern Abend eine positive Bilanz des Papstbesuchs. Franziskus habe der Kirche und dem Land Hoffnung gegeben. Nachfragen von Journalisten, warum der Papst das Thema Menschenrechte nicht direkt angesprochen habe, erwiderte er mit dem Hinweis darauf, dass Franziskus auf klare und weise Art die Probleme das Thema angesprochen habe, etwa bei der Ankunft und der Messe am Sonntag in Havanna. Franziskus selbst zog keine Bilanz seiner ersten Etappe der 10. Auslandsreise. Bei der fliegenden Pressekonferenz auf dem Weg von Santiago de Cuba nach Washington ging es um Einzelfragen.

Papst zum Embargo

Franziskus erklärte, dass er vor dem US-Kongress nicht explizit über das Wirtschaftsembargo gegen Kuba sprechen werde. Vielmehr wolle er allgemein über bi- und multinationale Vereinbarungen reden. Zudem sei das Embargo Thema bei den Verhandlungen zwischen Kuba und den USA. Was seine Haltung zum Embargo anbetrifft, verwies er auf die Lehre der katholischen Kirche. Die sei klar und gut. Erst kurz vor der Reise hatte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin das Embargo scharf verurteilt und das Ende der Sanktionen gefordert.

Etwas unbefriedigend war die Antwort des Papstes auf die Frage nach dem geplatzten Treffen mit den Dissidenten. Franziskus erklärte, er wisse nichts davon, dass diese verhaftet worden seien. Die Nuntiatur habe einige Vertreter zum Gottesdienst mit den Klerikern und Ordensleute in die Kathedrale eingeladen. Dort habe sich ihm aber niemand als Vertreter dieser Gruppe zu erkennen gegeben. Grundsätzlich sei nur ein kurzer Gruß angedacht gewesen. Er habe während dieser Reise keine Privataudienzen gegeben. Damit spielte der Pontifex eventuell auch auf die Anfrage der kolumbianischen Rebellengruppe FARC an, die im Vorfeld der Reise um ein Treffen gebeten habe. Kollegen aus Argentinien halten es durchaus für denkbar, dass auch Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández Kirchner gerne ein Treffen mit dem Papst gehabt hätte. Ein generelles Nein zu jeder Audienz während der Reise führte zu einer Gleichbehandlung aller.

Die Art und Weise, wie Franziskus sich zum Thema Dissidenten äußerte, war etwas überraschend. Zwar sagte er, dass er grundsätzlich bereit sei, jeden zu treffen, der das möchte. Er gab aber kein klares Bekenntnis ab im Sinne eines: „Ich wollte sie treffen!“ Es klang wie eine beiläufige Sache. Ob es dem Papst wirklich nicht so wichtig ist oder der fehlende Nachdruck auch ein wenig an der Anstrengung der Papstreise liegt, ist schwer zu sagen. Auch wunderten sich viele Kollegen, dass Franziskus mit Fidel Castro nicht über die Geschichte gesprochen hatte. Der Papst erklärte auf Nachfrage, dass es lediglich um einen Jesuitenlehrer Castros gegangen sei und sie vor allem über die Enzyklika Laudato si und den Umweltschutz gesprochen hätten.

Papst sieht sich nicht als Antipapst

Ein Kollege sprach den Papst auf die Newsweek-Titel: „Ist der der Papst noch katholisch?“ an. Darauf erzählte Franziskus, dass ein Kardinal ihm von einer Frau berichtet habe, die ihn für den Antipapst halte. Franziskus selbst zeigte sich überzeugt, dass er bisher in seinen Aussagen zu Wirtschaftsfragen nicht über das hinausgegangen ist, was die katholische Soziallehre sagt. „Wenn es aber notwendig sein sollte, dass ich das Credo aufsage, bin ich bereit, das zu tun“, so Franziskus lachend.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.