Synode: Heftiges Ringen um Positionen

Noch ist nichts entschieden und diese Synode wird auch nichts entscheiden. Trotzdem wird hinter verschlossenen Türen heftig um Positionen, Formulierungen und Einfluss gerungen. Teilweise gibt es heftige Kritik am Zwischenbericht von Kardinal Peter Erdö von gestern. Andere unterstützen das Papier. Das ist ganz natürlich und solche Phasen hat es auch bei früheren Synoden gegeben. Dennoch scheinen Passagen der Relatio post disceptationem einige Synodenväter so überrascht und erzürnt zu haben, dass heute beim Briefing kurzzeitig der Vorwurf im Raum lag, es sei bei dem Text manipuliert worden. Dazu kommt ein Streit über die Medienarbeit des Vatikans zur Synode.

Wurde manipuliert?

Der Vorwurf, den der südafrikanische Kardinal Wilfrid Fox Napier heute kurzzeitig während des Briefings der Journalisten erhob, wog schwer: In der Relatio stünden Dinge, die in der vergangenen Woche so nicht gesagt worden seien. Nach meinen Recherchen sind alle Dinge, die Kardinal Erdö in der Relatio angeführt hat, in der vergangenen Woche so in der Synodenaula ausgesprochen worden, bis hin zu der positiven Bewertung von Homosexualität – eines der Themen, das neben der Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen verständlicher Weise am meisten Sprengkraft besitzt. Im Verlauf des Briefings ruderte Napier dann wieder etwas zurück. Er unterstrich, dass es sich bei dem Papier um die Zusammenfassung von Kardinal Erdö handle, aber nicht um einen Text der Synode. Einige Formulierungen findet er missverständlich und „wenig hilfreich“. Er stellte in Aussicht, dass diese im Abschlussdokument geklärt werden würden. Das Papier stünde nicht im Widerspruch zur Lehre der Kirche, so Napier, der selbst einen der englischen Sprachzirkel leitet. Dennoch sieht er Klärungsbedarf. Der südafrikanische Kardinal erklärte, die Synode sei nicht dazu einberufen worden, um über Verhütung, Abtreibung und  gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu diskutieren, sondern über die Familie.

Hier hat er einen neuralgischen Punkt getroffen, der auch in anderen Sprachgruppen diskutiert wird. Im Abschlussdokument müsse noch mehr, als das im Zwischenbericht der Fall ist, das Positive von Ehe und Familie herausgestellt werden. Viele plädieren für einen ausführlicheren ersten Teil in der Relatio sinodi, so wird das Abschlussdokument genannt, in dem noch einmal aus theologischer, gesellschaftspolitischer und pastoraler Sicht das katholische Verständnis von Ehe dargestellt wird und in dem die ermutigt werden, die nach diesem Modell leben bzw. leben wollen. Bisher dominierten die Probleme. Hier soll eine bessere Gewichtung erreicht werden. Das unterstrich auch der Präfekt der Missionskongregation, Kardinal Fernando Filoni, beim Briefing.

Besser Texte nicht veröffentlichen?

Kardinal Filoni betonte, dass es kein Fehler gewesen sei, den Text Erdös gestern zu veröffentlichen. Er ließ aber, wie Kardinal Napier, offen, ob die Medien den Text aus seiner Sicht richtig interpretiert hätten. Interessanterweise gab es beim Briefing von Seiten einiger Vertreter katholischer Medien wie „Voice of the family“ die Frage, ob es nicht ein Irrtum gewesen sei, den Text zu veröffentlichen. Der Vertreter von „churchmilitant.tv“ stellte die Forderung, dass die Synode und/oder der Papst klarstellen müssten, dass der Text in großen Teilen der kirchlichen Lehre widerspreche. Dazu stellte Vatikansprecher Federico Lombardi fest, dass es bei den bisherigen Synoden immer so war, dass die Relatio ante disceptationem und die Relatio post disceptationem unmittelbar publiziert und live im TV übertragen worden seien. Man habe keinen Grund gesehen, von dieser Tradition abzuweichen. Zudem verlas Lombardi zu Beginn des Briefings eine Erklärung des Synodensekretariats, in der noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass es sich bei dem Erdö-Text von gestern um ein Arbeitspapier handelt, das keinerlei lehramtlichen Charakter besitzt.

Lombardi wehrte sich auch gegen den Vorwurf von Kardinal Raymond Burke, die vatikanische Medienarbeit würde den Verlauf der Synode nicht umfassend abbilden. Der Vatikansprecher stellte dazu fest, dass Synodensekretär Kardinal Lorenzo Baldisseri zu Beginn der Synode ausdrücklich gesagt habe, dass jeder Teilnehmer frei sei, mit Medienvertretern zu sprechen und Interviews zu geben. Das sei erstmals bei einer Synode so. Kardinal Gerhard Ludwig Müller hatte bereits vor einigen Tagen gefordert, dass die Statements der Synodenväter veröffentlicht werden sollten. Dazu hat sich Lombardi bisher nicht geäußert. Er verteidigte allerdings in den vergangenen Tagen mehrfach das aktuelle Prozedere. Anders als bei früheren Synoden bekommen die Journalisten dieses Mal keine Kurzzusammenfassung der Statements. Bei früheren Synoden hatte der jeweilige Redner dem Synodensekretariat neben seinem kompletten Statement eine Kurzfassung seines Vortrags zur Veröffentlichung übergeben. Dieses Mal gibt es einerseits eine Namensliste der Redner, andererseits eine globale Zusammenfassung durch den Pressesprecher. Daraus geht aber, zum Unmut der Journalisten, nicht hervor, wer welche Position vertreten hat.

Aus der offiziellen Zusammenfassung der Debatte in der Aula gestern nach der Relatio von Kardinal Erdö gehen einige Kritikpunkte an dem Text hervor. Zum einen geht es um den bereits zitierten Punkt, dass die Synode deutlicher herausstellen solle, dass die unauflösliche und treue Ehe „schön, möglich und auch in der Gesellschaft gegenwärtig“ sei. Zudem müsste noch mehr das Thema Frauen angesprochen werden und ihre Bedeutung für die Weitergabe des Lebens und des Glaubens. Kritisiert wurde, dass das Wort „Sünde“ quasi nicht vorkomme in dem Text. Gewarnt wurde davor, dass man zwar Homosexuelle annehmen müsse, dass aber auf keinen Fall der Eindruck entstehen dürfe, dass es eine positive Bewertung dieser Orientierung gebe und des entsprechenden Zusammenlebens. Schließlich wurde eine Klärung für das Denkmodell der „Gradualität“ angemahnt.

Kleingruppenarbeit geht weiter

Unterdessen haben sich die Synodenteilnehmer zur Arbeit in den Sprachgruppen zurückgezogen. Bis Donnerstagmorgen finden ab heute Nachmittag noch insgesamt vier Sitzungen statt. Die einzelnen Zirkel gehen Abschnitt für Abschnitt die Relatio von Kardinal Erdö durch, diskutieren sie und formulieren Änderungsvorschläge. Über jeden einzelnen wird in der Kleingruppe abgestimmt. Erhält er eine Mehrheit, wird er an das Synodensekretariat weitergeleitet.Die Köpfe rauchen; das Internet, Konzilsdokumente und andere lehramtliche Texte werden zur Recherche herangezogen. Am Donnerstagmorgen nach der Kaffeepause fassen die Relatoren der einzelnen Sprachzirkel in einem 10-minütigen Statement die Diskussion der Kleingruppe zusammen. Donnerstagnachmittag und Freitag versuchen der Generalrelator, Kardinal Erdö, zusammen mit dem Synodensekretär, Kardinal Baldisseri, dem Sondersekretär, Bischof Forte, sowie den sechs vom Papst am Freitagabend benannten Synodenvätern den gestrigen Text zusammen mit den Eingaben zu einem Schlussdokument, der Relatio Sinodi, zusammenzufassen. Diese wird dann am Samstagmorgen von Kardinal Erdö im Plenum vorgestellt und bis Samstagabend diskutiert. Man darf gespannt sein, ob auch diese Relatio live übertragen wird und wie die Abstimmung des Dokuments verlaufen wird.

P.S. Die ablehnende Haltung des Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislav Gadecki, wurde ja schon an anderer Stelle in den Kommentaren erwähnt. Die beiden Vertreter aus Deutschland, Kardinal Reinhard Marx und Ute Eberl, zeigten sich heute in einer Erklärung zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Synode – inklusive der Relatio post disceptationem.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.