Aufarbeitung geht weiter
Der Motor stottert, aber er läuft. So ließe sich die aktuelle Situation bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche beschreiben. Letzte Woche das spektakuläre Aus der wissenschaftlichen Studie des Kriminologen Pfeiffer; gestern die Vorstellung der Ergebnisse der Missbrauchs-Hotline der Bischofskonferenz. Anfang kommender Woche treffen sich die 27 Diözesanbischöfe zur monatlichen Sitzung des „Ständigen Rats“ in Würzburg. Da steht das Thema wissenschaftliche Aufarbeitung auf der Tagesordnung. Das Desaster um die Pfeiffer-Studie hat zu einem erneuten Vertrauensverlust in der Bevölkerung – auch unter Katholiken – geführt. Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind das wichtigste Kapital, das die Kirche hat. Die Bischöfe stehen erneut unter einem großen Druck. Bleibt zu hoffen, dass sie beim Neustart der wissenschaftlichen Aufarbeitung die Geburtsfehler vermeiden, an denen die Pfeiffer-Studie letztendlich scheiterte.
In dem ganzen Staub, den der Wirbel um die missglückte Studie aufgewirbelt hat, ging gestern die Vorstellung der Ergebnisse der Missbrauchs-Hotline nahezu unter. Zumal der Fokus der Berichterstattung an vielen Stellen auf den skandalösen Vorgängen in zwei Kölner katholischen Kliniken lag. Doch der Blick in die Dossiers der Hotline lohnt sich. Über 9.000 Ratsuchende hatten sich in knapp drei Jahren gemeldet. Sehr detailliert werden die Ergebnisse ausgewertet. Es wird deutlich, der Wille zur Aufarbeitung und Aufklärung ist da. Denn der Bericht ist in Teilen niederschmetternd und führt den kirchlichen Verantwortlichen einmal mehr vor Augen, welche Schuld die Institution hier auf sich geladen hat. Zwar sind die Daten nicht repräsentativ, das mindert aber nicht ihren Aussagegehalt. Von „Täterzirkeln im Heimbereich“ ist die Rede, von einer „Spiritualisierung sexueller Gewalt“ und dem Ausnutzen „moralischer Autorität“. Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, zeigte sich tief erschüttert, „dass Priester und Seelsorger das Vertrauen, das ihnen gerade von Kindern und Jugendlichen, möglicherweise noch in besonders schwierigen Situationen, wo sie Hilfe gesucht haben, entgegengebracht wurde, auf schändliche Weise missbraucht haben.“
Das Entscheidende wird sein, welche Konsequenzen die Bischöfe nun aus diesen Ergebnissen ziehen. Allein die Tatsache, dass die gemeldeten Fälle in der katholischen Kirche seit den 1990er Jahren rückläufig sind, darf nicht beruhigen. In der Präventionsarbeit wird kirchlicherseits seit mehreren Jahren viel geleistet. Doch die Ergebnisse zeigen, dass auch strukturelle Veränderungen notwendig sind. Weniger die Lebensform, als vielmehr die starke Autoritätsposition des Priesters sei ein Risikofaktor, berichteten die Opfer. Also eine Diskussion um den Zölibat, wie er in der Öffentlichkeit oft gefordert wird, greift zu kurz. Es geht um ganz grundlegende strukturelle Fragen. Und hier wird es unbequem für die kirchlichen Hierarchen – bis hin zum Papst. Denn an dieses Thema rühren sie nicht gerne an. Dabei hat schon der umfassende Bericht, den das Erzbistum München und Freising 2010 nach Durchsicht aller Personalakten seit 1945 hat anfertigen lassen, ein „fehlinterpretiertes klerikales Selbstverstännis“ kritisiert.
Bericht zum Abschluss der Missbrauchshotline:
Teil 1, Teil 2