Zwei Jahre Papst Franziskus
Steht das Pontifikat von Papst Franziskus an einem Wendepunkt? Diese Frage stellen sich in diesen Tagen viele. Anlass ist der zweite Jahrestag der Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum Papst am 13. März 2013. Beobachter machen eine zunehmende Unzufriedenheit aus mit dem ersten Papst aus Lateinamerika. Reformen gingen demnach zu langsam, seine „verbalen Ausrutscher“ in den vergangenen Wochen kratzten am Image des hoch bejubelten und von den Massen geliebten Pontifex. Die Frage wird laut, „ob er seiner Aufgabe gewachsen ist“. Andere vergleichen ihn gar mit dem populistischen argentinischen Präsidenten Juan Perón und sehen die katholische Kirche vor einem Schisma.
Gemischte Bilanz
Papst Franziskus dürfte das wenig beeindrucken. Er geht seinen Weg. Er ist und bleibt ein Papst, der es versteht, die Menschen anzusprechen. Er ist und bleibt zugleich ein Mensch mit Ecken und Kanten. Auch ein Papst ist nicht davor gefeit, Fehler zu machen. Mit seiner Spontaneität ist Franziskus für den vatikanischen Apparat schwerer zu kontrollieren als sein Vorgänger. Das hat vor- und Nachteile. Seine Unberechenbarkeit erschwert es den alten Seilschaften, ihre Spielchen weiter zu treiben. Andererseits haben gerade die letzten Wochen gezeigt, dass Franziskus auch nach zwei Jahren noch lernen muss, dass er nicht mehr Erzbischof „am anderen Ende der Welt“ ist, sondern das irdische Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken weltweit und seine Worte damit politisches Gewicht haben und genau wahrgenommen werden.
Schaut man die Bilanz seiner Arbeit nach zwei Jahren an, fällt diese durchaus gemischt aus. Er hat den Kurs der Säuberung der skandalträchtigen Vatikanbank IOR seines Vorgängers fortgesetzt und zugleich eine neue vatikanische Finanzarchitektur entwerfen lassen. Mehr Transparenz und Effizienz lautet die Devise. Zudem sollen internationale Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eingehalten werden. Internationale Organisationen wie Moneyval bescheinigen dem Vatikan dabei Fortschritte. Was die neuen Finanzstrukturen anbetrifft, so knirscht es noch bei der Umsetzung und Konkretisierung der Reformen. Hier wie beim großen Projekt der Kurienreform spürt Franziskus heftigen Gegenwind.
Reformen brauchen Zeit
Wenige Tage nach der Wahl hat Franziskus einen Kardinalsrat eingesetzt, der ihn bei seiner Amtsführung und der anstehenden Kurienreform beraten soll. Nur drei der neun Kardinäle kommen aus dem Vatikan, die übrigen aus der Weltkirche. Der Papst setzt damit eine Forderung des Vorkonklaves um, die Weltkirche stärker an den Prozessen in der Zentrale zu beteiligen. Entsprechend will Franziskus auch das Instrument der Bischofssynode stärken. Der Pontifex möchte sowohl die Strukturreform als auch inhaltliche Reformen wie etwa beim Thema „Ehe und Familie“ breit diskutieren. Und hier stößt er auf eine Reihe von Problemen.
Zum einen brauchen solche Prozesse Zeit. Entsprechend sieht er sich nach zwei Jahren mit dem Vorwurf konfrontiert, die Reformen gingen zu langsam voran. Zudem sei nicht klar, was er als Papst eigentlich wolle. Auch stellt sich die Frage, wer die Diskussionsprozesse wirklich führt und leitet. Hält Franziskus die Zügel in der Hand oder bestimmt der, der gerade am lautesten schreit oder den vermeintlich besten Draht zum Pontifex hat? Kooperation und Koordination, die im Vorkonklave in Bezug auf die Arbeit der Römischen Kurie gefordert wurden, fehlen noch an vielen Stellen. Obwohl man sie mit den bestehenden Mitteln sofort umsetzen könnte.
Politik und Familie
Mit seinem starken Akzent auf sozialethischen Fragen hat Franziskus die katholische Kirche wieder auf die politische Weltbühne zurückgeführt. Seine Kapitalismuskritik wird aufmerksam wahrgenommen. Auch wenn sie ihm die Kritik einbringt, er übertreibe mit seinen Worten. Franziskus ficht das nicht an. Mit Spannung wird seine Ökologieenzyklika erwartet, die im Juni oder Juli veröffentlicht werden soll.
Spannend wird es auch im Herbst, wenn die nächste Bischofssynode zum Thema Familie stattfinden wird. Dann wird sich zeigen, wie Franziskus mit der Diskrepanz zwischen katholischer Lehre und Lebenswirklichkeit vieler Menschen umgehen wird. Eine Haltungsänderung hat er seiner Kirche bereits verordnet. Aus seiner Sicht geht es nicht darum, die Defizite in den Vordergrund zu stellen, sondernd zunächst das Positive im Gegenüber oder einer menschlichen Beziehung wahrzunehmen und anzuerkennen. Was das dann für das kirchliche Handeln und die Lehre bedeutet, da wird Franziskus in seinem nächsten Pontifikatsjahr Farbe bekennen müssen.