Der Papst und die Ordensfrauen

Es läuft nicht ganz rund im Verhältnis zwischen den katholischen Ordensfrauen und dem Vatikan. Da ist zum einen der Streit zwischen dem Dachverband der US-Ordensfrauen (LCWR) und der römischen Zentrale; unabhängig davon fordern Ordensfrauen schon seit langer Zeit mehr Mitsprache in verantwortlichen Positionen der katholischen Kirche. Diese Forderung wiederholte am Rande der Vollversammlung der Internationalen Union der Generaloberinnen (UISG) die Generalsekretärin der Union, Schwester Josune Arregui, diese Woche in Rom. Heute empfing Papst Franziskus die Ordensfrauen. Er gab ihnen drei Dinge mit auf den Weg für die Erneuerung der Orden: die Zentralität Christi und seines Evangeliums, die Ausübung von Autorität als Liebesdienst und das „Fühlen“ mit der Kirche, sprich der Gehorsam gegenüber der Kirche.

 

Letzter Punkt wird natürlich vor dem Hintergrund des aktuellen Streits mit den US-Ordensfrauen sehr aufmerksam gelesen. Die Kirchlichkeit sei konstitutiv für das Ordensleben, so Franziskus. Darunter versteht er die Treue zum Lehramt in der Gemeinschaft mit den Bischöfen und dem Papst. Wie schon an anderer Stelle erinnerte Franziskus an Papst Paul VI., der die Vorstellung „Jesus ja, Kirche nein“ in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii nuntiandi“ als „absurden Widerspruch“ bezeichnete. Die Gehorsamsforderung gegenüber dem Lehramt ist bei Franziskus also nicht neu; doch lässt sie gegenüber den Ordensfrauen besonders aufhorchen. Zumal der Papst ausdrücklich auch die Ausbildung entsprechend der „gesunden Lehre der Kirche, in der Liebe zur Kirche und im kirchlichen Geist“ in den Instituten anmahnte. Auffallend ist zudem, dass das letzte Wort der Rede von Franziskus „hierarchisch“ ist. Er spricht da von der „heiligen hierarchischen Mutter Kirche“. Das verwundert doch etwas, dass er dies so betont.

 

Dass sich Franziskus zum Thema Kirchlichkeit der Orden äußert, ist sicher nicht (nur) den jüngsten Auseinandersetzungen mit den US-Ordensfrauen geschuldet. Die Vollversammlung der UISG hatte das Thema „Bei euch soll es nicht so sein. Leitungsdienst im Lichte des Evangeliums“. In diesem Sinn stellte Franziskus die drei genannten Kriterien für einen Leitungsdienst auf. Dabei fällt auf, dass er beim Thema „Autorität als Liebesdienst“ ausdrücklich auf seinen Vorgänger Benedikt XVI. verweist. Dieser habe mehrfach daran erinnert, dass für die Welt Autorität oft ein Synonym sei für Besitz, Herrschaft und Erfolg. Dagegen sei für Gott Autorität ein Synonym für Dienst, Demut und Liebe. Damit stellt sich Franziskus in die Tradition seines Vorgängers und zeigt, dass die Forderung nach eben einem solchen Amts- und Autoritätsverständnisses, das in den letzten Wochen immer wieder als besondere Eigenart des neuen Papstes gepriesen wurde, nicht seine Erfindung ist, sondern bereits eine Tradition hat.

 

Das trifft übrigens auch für die scharfe Kritik von Franziskus am Karrierismus in der Kirche zu, den er in seiner Ansprache an die Ordensfrauen heute wiederholte. „Denken wir an den Schaden, den jene Männer und Frauen der Kirche zufügen, die Karrieristen und Aufsteiger sind, die das Volk, die Kirche, die Brüder und Schwestern, denen sie eigentlich dienen sollten, benutzen als Sprungbrett für ihre eigenen Interessen und persönlichen Ambitionen. Die fügen der Kirche einen großen Schaden zu.“ Benedikt XVI. hatte mehrfach bei Treffen mit Seminaristen vor Karrieredenken gewarnt.

 

Nichtsdestotrotz – es bleibt die Frage, wie es mit dem Dachverband der US-Frauenorden weitergeht. Die sollen nach Wunsch der vatikanischen Glaubenskongregation ihre Statuten überarbeiten und Positionen etwa zum Thema Abtreibung oder Weihe für Frauen zum Diakonen- und Priesteramt klären. Hier hatte die Glaubenskongregation im vergangenen April im Rahmen einer lehrmäßigen Untersuchung Defizite festgestellt und den Dachverband unter bischöfliche Aufsicht gestellt. Aufsehen erregte am vergangenen Wochenende der Präfekt der vatikanischen Ordenskongregation, Kardinal Joao Braz de Aviz. Bei einem Treffen mit den Ordensfrauen erklärte er, dass er über das Vorgehen der Glaubenskongregation seinerzeit nicht informiert gewesen sei. Der Umgang mit dem LCWR habe ihm „viel Schmerz“ bereitet. Offen kritisierte er laut Medienberichten eine mangelnde Zusammenarbeit der Vatikanbehörden. Dies rief den Vatikan sofort auf den Plan. Gestern Nachmittag erklärte das Presseamt des Vatikans, dass die Glaubenskongregation und die Ordenskongregation in der Sache an einem Strang zögen. Die beiden Präfekten arbeiteten „eng zusammen entsprechend ihrer jeweiligen Verantwortungen“. Erzbischof Müller, Chef der Glaubenskongregation, und Kardinal Braz de Aviz hätten sich am Dienstag getroffen und ihre Zusammenarbeit bekräftigt. Es scheint, als hätten die offenen Worte des brasilianischen Kardinals zu einem reinigenden Gewitter geführt. Vielleicht bekommt das Wort der Ordenskongregation künftig mehr Gewicht in dem Prozess. Braz de Aviz ist bekannt für einen eher moderaten Kurs. Wie es mit den US-Ordensfrauen konkret weitergeht, wurde in der Erklärung nicht gesagt. Die Ordensfrauen sind überzeugt, dass die Kritik des Vatikans auf Missverständnissen beruht und hoffen daher, dass sich diese möglichst schnell klären lassen. Dies erklärte die Präsidentin des LWCR, Schwester Florence Deacon bei der Vollversammlung am Samstag.

 

P.S. Beim Treffen mit den Ordensfrauen plauderte Kardinal Braz de Aviz am Wochenende übrigens auch aus dem Nähkästchen. Lange Zeit war der Posten des zweiten Manns in der Ordenskongregation unbesetzt. Papst Franziskus habe ihn dann vor einigen Wochen gebeten, drei Namen vorzuschlagen. Als er ihm die drei Kandidaten präsentierte, habe Franziskus gefragt, wer sein Favorit sei. Braz de Aviz nannte den Generalminister der Franziskaner, Jose Rodriguez Carballo, als Wunschkandidat. Und dieser wurde dann in der Tat auch am 6. April zum Sekretär der Kongregation ernannt. Dies sei ein wunderbar einfacher Weg, Dinge zu erledigen, so Braz de Aviz. Bleibt zu hoffen, dass Franziskus auch bei anderen Personalentscheidungen die Betroffenen entsprechend mit einbezieht. Ob sich dieses Verfahren auch auf Bischofsernennungen anwenden ließe?

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.