Fake-News aus dem Vorkonklave

Vor dem Konklave wird mit harten Bandagen gekämpft. Während ein konservatives Internetportal am Mittwoch berichtete, Kardinal Pietro Parolin habe einen Schwächeanfall erlitten und habe medizinisch behandelt werden müssen, stellte Vatikansprecher Matteo Bruni heute klar, dass es nichts dergleichen gegeben habe. Nach der Meldung hatten Vatikanbeobachter die Chancen des langjährigen Kardinalsstaatssekretärs auf das Papstamt sinken sehen. Parolin gehört seit langem zu den Favoriten auf die Nachfolge von Papst Franziskus. Fünf Tage vor Beginn des Konklaves fehlen noch immer vier Papstwähler. Der Vatikan geht dennoch davon aus, dass 133 Kardinäle ins Konklave einziehen werden. Zum zweiten Mal haben die Kardinäle heute offenbar über das Thema sexualisierter Gewalt gesprochen. Und auch die Synodalität stand wieder auf der Tagesordnung.

Während die Kardinäle über das Profil des neuen Papstes beraten, baut die Vatikan-Feuerwehr den bald berühmtesten Schornstein der Welt auf. (Foto: action-press)

Wähler nicht unter sich

Konnte man zu Beginn des Vorkonklaves den Eindruck gewinnen, die Synodalität spielt bei den Beratungen der Kardinäle keine Rolle, hat sich das in den letzten Tagen geändert. Heute ging es um das für Papst Franziskus so zentrale Thema „in ihrer Beziehung zur Mission, zur Kollegialität und zur Überwindung des Säkularismus“, heißt es in der Zusammenfassung des Vatikan-Presseamts. Dass die Synodalität in den Beratungen am Anfang keine so große Rolle spielte, könnte auch damit zusammenhängen, dass in den ersten Tagen die Zahl der über 80-jährigen Kardinäle bei den Versammlungen überwog, während mittlerweile auch die jüngeren mitdiskutieren. Die älteren gehören eher zu den Kritikern der Synodalität. Am Rande der Generalkongregationen ist zu hören, dass es durchaus ein Problem sei, dass so viele ältere Kardinäle mitdiskutierten und die Wähler eigentlich erst ab dem Moment unter sich seien, wenn das Konklave beginnt. Stimmen werden laut, der nächste Papst müsse das Prozedere an diesem Punkt überdenken und schon vorher Räume schaffen, in denen die Wähler unter sich sind.

Die Themenpalette bei den 25 Wortbeiträgen in der achten Generalkongregation war weit. Angesprochen worden seien die zentrale Bedeutung der Liturgie für das Leben der Kirche, die Bedeutung des Kirchenrechts sowie die Evangelisierung als Herzstück des Pontifikats von Papst Franziskus. Die Kardinäle hätten über die Hermeneutik der Kontinuität zwischen den Pontifikaten von Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus gesprochen. Mehrere Redner hätten die Dringlichkeit betont, das Evangelium auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens, von der Pfarrei bis zur Kurie, wirksam zu vermitteln, und daran erinnert, dass das Zeugnis der gegenseitigen Liebe die erste Verkündigung sei. Schließlich sei einmal mehr über sexualisierte Gewalt und die Finanzskandale gesprochen worden.

Papabile ganz jung und ganz alt

Bei den Beratungen am Vormittag waren laut Vatikan mehr als 180 Kardinäle anwesend, darunter mehr als 120 Wähler. Offen blieben die Nachfragen von Journalisten, ob der ehemalige Erzbischof von Lima, Kardinal Luis Cipriani, weiter an den Beratungen teilnimmt. Der 81-Jährige war selbst wegen Missbrauchs an einem Minderjährigen angezeigt worden. Der Vatikan hatte im Januar bekanntgegeben, dass gegen den Kardinal mehrere Auflagen verfügt worden seien, dazu gehörten ein Aufenthaltsverbot in Peru, Regelungen zu öffentlichen Auftritten und dem Gebrauch von Insignien. Betroffene sexualisierter Gewalt hatten die Anwesenheit Ciprianis bei den Generalkongregationen kritisiert. Seit Tagen stellen einzelne Journalisten bei den mittäglichen Briefings im Pressesaal Fragen zu dem Fall. Vatikansprecher Bruni verweist stets auf seine Erklärungen vom Januar und verweigert eine Auskunft darüber, ob die Kardinäle über die Personalie gesprochen hätten und ob Cipriani weiter teilnimmt.

Die Falschmeldungen zum Gesundheitszustand von Kardinal Pietro Parolin zeigen, welch hoher Druck mittlerweile rund um die Papstwahl besteht. Stündlich werden neue Namen genannt. Mittlerweile auch der des 79-jährigen ehemaligen Substituten und Präfekten der Evangelisierungskongregation, Fernando Filoni. Doch die Wahl des diplomatisch sehr erfahrenen Italieners scheint ebenso unwahrscheinlich aufgrund seines hohen Alters wie die des anderen hoch gehandelten Italieners, des Patriarchen von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa. Der dürfte mit seinen 60 Jahren zu jung sein. Seine Wahl würde ein langes Pontifikat bedeuten. Davor schreckten zumindest in den vergangenen beiden Konklaven die Kardinäle zurück. Pizzaballa ist krisenerfahren durch seinen Job im Heiligen Land. Das Patriarchat soll er nach seinem Amtsantritt 2016 neu organisiert und finanziell auf solide Füße gestellt haben. Das könnte angesichts der klammen Vatikankassen und der großen Unzufriedenheit im Kirchenstaat ganz gut passen. Doch der Vatikan ist einige Nummern größer als das Patriarchat. Ob er dem gewachsen ist, müsste sich erst zeigen. Zudem ist wenig über Pizzaballa bekannt, was über seine Tätigkeit im Heiligen Land hinausgeht.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

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