Ende der Synodalität?
Zwei Welten hat man an diesem Sonntag in Rom erleben können. In der Basilika Santa Maria Maggiore zogen seit dem Morgen Menschen am Grab des verstorbenen Pontifex vorbei. Es war still oft nur die eindringliche Mahnung des Vatikangendarmen zu hören: „Don’t stop!“ Auf dem Petersplatz feierten zeitgleich 200.000 junge Menschen das Heilig-Jahr-Jubiläum der Teenager. Es wirkte so, als wäre gar kein Papst notwendig für das Fest. Wobei es einen Wehrmutstropfen gab. Der 15-jährige Cyberapostel Carlo Acutis konnte nicht wie geplant heiliggesprochen werden. Dafür wird dann doch ein Papst benötigt. Die Messe war zugleich der zweite Gottesdienst der neuntägigen Trauerzeit. Im Zentrum der Predigt des langjährigen Kardinalstaatssekretärs Pietro Parolin: die Barmherzigkeit. Passend zum ersten Sonntag der Osterzeit, dem Barmherzigkeitssonntag, und dem verstorbenen Pontifex. Über ein Thema, das Franziskus wichtig war, wurde übrigens gestern und heute nicht gesprochen.
Kommt Thema Synodalität noch?
Beim Blick mit etwas Abstand auf die vergangenen Tage fallen zwei Dinge auf. Kardinal Re fasste gestern in seiner Predigt die zentralen Punkte des Wirkens von Papst Franziskus zusammen. Ein Stichwort, dass Franziskus besonders wichtig war, fehlte dabei: die Synodalität. Nun hatte die Predigt sicherlich ihren Schwerpunkt im Bereich der Politik. Sie klang so, als könnte sie im Vatikanischen Staatssekretariat entstanden sein oder zumindest mit dessen Unterstützung. Im Fokus stand das Verhältnis der Kirche zur Welt inklusive der Politik. Re zeichnete Franziskus‘ Vision einer Kirche an der Seite der Menschen nach. Über Innerkirchliches sprach er nicht.
War das dem Augenblick geschuldet, dass Re angesichts der vielen und hochrangigen politischen Delegationen diesen noch einmal den politischen Papst vor Augen führen wollte und den Anspruch der Kirche, sich um der Menschen Willen in den Bereich des Politischen einzumischen? Hat er sich die innerkirchlichen Fragen für seine Predigt beim Gottesdienst vor dem Einzug ins Konklave aufgehoben? Es fällt auf, dass dieser zentrale Gedanke des verstorbenen Papstes, die Synodalität, an einem so besonderen Tag keine Erwähnung findet. Kardinal Re, der über viele Jahre in leitenden Funktionen in der Römischen Kurie tätig war, hat sich in den letzten Jahren nicht als ein großer Unterstützer des Lieblings-Projekts von Papst Franziskus hervorgetan.
Kollegialität statt Synodalität?
Es gib eine ganze Reihe von Kardinälen, die die Forderungen nach mehr Synodalität kritisch sehen und sich stattdessen mehr Kollegialität unter den Kardinälen wünschen. Franziskus hatte in seinem Pontifikat nur drei Konsistorien abgehalten, bei denen er mit dem gesamten Kardinalskollegium diskutiert und beraten hat. Davon ging es zweimal um die Kurienreform, ein Thema, das wenig mit pastoralen Fragen und der grundsätzliche Ausrichtung der Kirche zu tun hat. Bei den übrigen sieben Konsistorien gab es nur jeweils die Liturgien im Rahmen der Aufnahme neuer Mitglieder in den Senat der Kirche. Diese Ignoranz gegenüber dem Kardinalskollegium als traditionellem Beratungsorgan für den Papst führte zu Frust und Kritik bei vielen Purpurträgern. Zwar wurden sie weiter zu Mitgliedern der vatikanischen Dikasterien ernannt und konnten sich so in die Arbeit des Heiligen Stuhls einbringen, doch als Kollegium traten sie unter Franziskus nicht in Erscheinung.
Daher wünschen sich am Ende des Pontifikats eine ganze Reihe von Kardinälen erst einmal mehr Kollegialität und nicht mehr Synodalität. Was das für die Wahl des Nachfolgers von Franziskus bedeutet, wird sich noch zeigen. Die Beratungen dazu stehen erst am Anfang. Ab Morgen treten sie in eine entscheidende Phase. Angesichts der fehlenden Ausübung kollegialer Beratungen in den vergangenen zwölf Jahren kennen sich viele Kardinäle kaum. Das könnte für ein etwas längeres Vorkonklave sprechen. Bis Mitte der Woche rechnen viele Beobachter mit dem Termin für den Beginn des Konklaves. Sollte der bis dahin nicht bekanntgegeben werden, ist das ein Zeichen für mehr Gesprächsbedarf. Allerdings wurde auch beim letzten Konklave 2013 der Beginn der Wahl erst vier Tage vorher bekanntgegeben. Unterdessen beginne die Vorbereitungen in der Sixtinischen Kapelle. Ab Montag ist sie für Besucher geschlossen.
- Nach dem Gottesdienst am Samstag standen der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, (l) und Kardinal Reinhard Marx der Presse rede und Antwort. (Foto: Erbacher)
- Am Samstagabend fand noch ein Rosenkranzgebet vor der Basilika statt. (Foto: Erbacher)
- Ein Banner gegenüber der Basilika S. Maria Maggiore. (Foto: Erbacher)
- Alle müssen durch die Sicherheitskontrollen auf dem Weg in die Basilika. (Foto: Erbacher)
- Der Weg zum Grab von Papst Franziskus führt über die Heilige Pforte. (Foto: Erbacher)
- Bereits kurz nach Öffnung um 7 Uhr am Morgen gab es eine Schlange am Grab. (Foto: Erbacher)
- Ein schlichter Grabstein. (Foto: Erbacher)
- Über dem Grab hängt eine Nachbildung des Brustkreuzes von Papst Franziskus. (Foto: Erbacher)
- Ein Blick in das Kirchenschiff der größten Marienkirche Roms. (Foto: Erbacher)
- Hinter der Basilika S. Maria Maggiore waren bereits Vorbereitungen für lange Schlangen getroffen worden. (Foto: Erbacher)
- Zum Gottesdienst am Sonntagmorgen kamen nach offiziellen Angaben wieder 200.000 Menschen. (Quelle: VaticanMedia)
- Die Heiligsprechung von Carlo Acutis fiel aus, weil kein Papst im Amt ist. (Foto: Erbacher)
- Der langjährige Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin feierte mit den Jugendlichen den Gottesdienst am Sonntagmorgen. (Quelle: VaticanMedia)
- Ein bisschen wirkte es wie Weltjugendtag beim Gottesdienst anlässlich der Heilig-Jahr-Feier der Teenager. (Foto: Erbacher)
9 Kommentare
Was die Synodalität angeht, so hat Papst Franziskus erkennbar etwas anderes darunter verstanden als die DBK und das ZDK.
Aber grundsätzlich wird der Nachfolger nicht alles zurückdrehen können, was Franziskus in dieser und anderer Hinsicht angestoßen hat.
Mir persönlich wäre am liebsten ein „Mann der Mitte“, der die kirchlichen Ränder wenigstens so weit wieder zusammenführen kann, dass Debatten ohne Polemik und gegenseitige Ausgrenzungstendenzen geführt werden können. Gerade auch bei uns in Deutschland.
franziskus war ein mann der mitte (wenn man den begriff so benutzen will), er hat weder theologische rechtsradikale und antisemiten wie die piusbrüder unterstützt (so wie das sein vorgänger tat) noch hat er links stehende positionen zur gesellschaftsethik vertreten. das war ganz passable jesuitische theologie, man musste sie nur sehen wollen. wenn man das freilich gar nicht wollte…
Wo gibt es denn Ausgrenzungstendenzen in Deutschland im Katholizismus???
Kann diese aktuell in DEU auch nicht unbedingt erkennen. Die Querelen hoher deutscher Amtsträger untereinander lassen wir mal beiseite. Gläubige und Amtskirche sind nicht identisch. Allerdings erlebet ich eine interessante Begebenheit in Oberbayern. Mein Sohn wurde familienüblich nach dem Glauben der Mutter (hier evangelisch getauft). In seiner Klasse war er der einzige, der 10-jährig von einem protestantischen Pastor unterrichtet wurde, der jedoch eines Tages ausfiel. Also blieb er in der Klasse sitzen. Aber der katholische Regionaldekan(!) wies ihn aus der Klasse mit den Worten „Du bist ja Heide“. Wurde mir von seiner katholischen Freundin natürlich sofort erzählt. Man beachte: war das Schuljahr 1977/78…
Mit Ausgrenzungstendenzen meine ich, wie die gegensätzlichen Lager oft miteinander umgehen und dass die Erzkonservativen den
den Progressiven oder Liberalen nicht selten das Katholischsein absprechen.
Die Ökumene läuft bei uns zum Glück hervorragend.
Kann ich nur bestätigen. Der Pfarrer bei dem ich meine 1. Kommunion hatte, kannte überhaupt keine Berührungsängste. Der nahm an der Hochzeit des Kommunisten Willy Lux teil (die beiden duzten sich). Da spielte unser evangelischer Nachbar bei feierlichen Messen die Violine, begleitet von unserem Organisten. Die konfessionell gemischten Paare waren ihm herzlich willkommen und er selbst überall und bei allen Vereinen gern gesehen, lud sich auch zuweilen selbst ein. Unser Viertel war sein Viertel ob die Menschen nun katholisch oder evangelisch waren, das war ihm wurscht. Kann mich gut an die Aufregung einiger Super-Katholiken erinnern, als er ein Care-Paket an eine evangelische Witwe mit ihren Kindern verteilte. Heinrich lebte damals bereits die Ökumene und es war allgemein bekannt, daß er deshalb von seinen Oberen schon mal ein Rüffel einstecken mußte…
Dann schreiben Sie es doch auch richtig. Ich habe dieses Ausgrenzen eigentlich immer bei Erzkonservativen gegen vermeintlich Progressiven erlebt und nie umgekehrt. Ich glaube, letzteres ist ein Propagandamärchen, sowie immer wieder erzählt wird, die USA hätten Putin provoziert die Ukraine anzugreifen oder Mädchen hätten Männer durch Kleidung zur Vergewaltigung aufgefordert. Täter-Opfer-Umkehr nennt man das.
war damals schon dumm.
Übereinstimmung…
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