Ein Papst ging seinen Weg
Papst Franziskus ist tot. In vielen Beiträgen haben wir hier sein Pontifikat begleitet. Jetzt heißt es Abschied nehmen von einem ungewöhnlichen Papst. Er hat Massen begeistert und Menschen verstört. Er war ein Hoffnungsträger für die einen und ein Häretiker für die anderen. Am Ende wollte er vor allem eines: die Kirche erden und sie zu einem Hoffnungszeichen für die Menschen machen. Dass er viele bewegt hat, zeigen aktuell die Schlangen vor dem Petersdom. Bis Donnerstagabend haben sich laut Vatikan mehr als 90.000 Menschen persönlich von Franziskus verabschiedet. Die Beerdigung am Samstag dürfte eines der größten Ereignisse im laufenden Heiligen Jahr werden. Zumal erwartet wird, dass tausende Menschen den Weg vom Vatikan zur Basilika Santa Maria Maggiore säumen werden, wo Franziskus schließlich beigesetzt werden wird.
Reformen ohne Reform
Während Franziskus noch nicht beerdigt ist, laufen die Spekulationen über seine Nachfolge bereits auf Hochtouren. 2005 wurde mit Joseph Ratzinger der Favorit Papst, 2013 gab es eine Überraschung. 2025 ist das Rennen offen, wenn es auch eine Reihe von Namen gibt, die in allen Papabile-Listen auftauchen. Franziskus selbst hat nicht durchblicken lassen, wen er sich als Nachfolger wünscht. Er war stets ganz bei sich. Zwar hat er das Kardinalskollegium nach seinem Gusto umgestaltet; doch seine Wahl ist das beste Beispiel, dass dies nicht unbedingt eine Richtungsentscheidung sein muss. Das Kardinalskollegium, das durch Johannes Paul II. und Benedikt XVI. geprägt worden war, brachte einen Papst Franziskus hervor.
Und der machte sein Ding, scherte sich wenig um Gepflogenheiten und schnitt so manche alten Zöpfe ab. Das irritierende für viele ist, dass er sich dabei nicht in die traditionellen Schubladen von konservativ und progressiv einordnen lässt. Für ihn zählten ganz andere Kategorien. Und in diesem Sinn war er ein Reformer: weg von der Fokussierung auf Klerus und eine sterile Lehre, hin zu den Menschen und einer verbeulten Kirche. Mit Dogmen und Regeln fremdelte er, zugleich wollte er sie aber im Kern auch nicht verändern. Manche würden sagen, er hatte im guten Sinn ein großes pastorales Herz, andere sehen darin eine typische katholische Doppelmoral. Für Franziskus zählte der einzelne Mensch in seiner konkreten Situation. Ob es in einer solchen konkreten Situation für Menschen einen Segen oder die Kommunion gibt oder nicht, wollte er am liebsten den Seelsorgerinnen und Seelsorgern vor Ort überlassen und auf gar keinen Fall in einem Gesetzesbuch regeln. Das führte auch zu Irritationen, denn am Ende wirkt es wie Beliebigkeit.
Licht, aber auch Schatten
Dazu kommt, dass Franziskus oft widersprüchlich agierte und redete. Von der Welt forderte er eine neue Kultur des Dialogs. Die Begegnung mit den eigenen Kritikern fiel ihm aber schwer. Zwar hielt er sich zurück, in der Kurie in der ersten Reihe diejenigen abzusetzen, die seinen Kurs nicht teilten. Auf den unteren Ebenen mussten wiederholt Kritiker den Vatikan verlassen, wenn ihm ihre Äußerungen zu Ohren kamen. Beim Synodalen Prozess auf Weltebene sprach er über mehr Transparenz und Beteiligung von Laien bei Entscheidungen, intern im Vatikan regierte er autoritär und hörte bisweilen mehr auf private Einflüsterer denn auf die offiziellen Gremien und Strukturen. Das führte zu viel Frust, in der Kurie aber auch unter engagierten Laien und Klerikern in der Weltkirche.
Trotz aller Kritik, Franziskus hat die Kirche verändert, sie eben mehr geerdet, auf die Menschen hin ausgerichtet. Wie nachhaltig das ist, wird sich im nächsten Pontifikat zeigen.
- Es gibt Berichte über Wartezeiten von bis zu fünf Stunden. (Foto: Erbacher)
- Mittlerweile gibt es barrierefreie Zugänge an allen Eingängen des Petersdoms. (Foto: Erbacher)
- Der Weg führt vorbei an der Pieta von Michaelangelo. (Foto: Erbacher)
- … und am Grab des heiligen Johannes Pauls II. (Foto: Erbacher)
- Hier ist am Samstag die Sakristei. (Foto: Erbacher)
- Meter für Meter kommen sie dem Papst näher. (Foto: Erbacher)
- Aufgebahrt nicht auf einem Katafalk, sondern in einem Sarg. (Foto: Erbacher)
- Die Beerdigung wird ein globales Medienereignis. Letzte Tests von VaticanMedia. (Foto: Erbacher)
- Es wird eng werden auf dem Petersplatz. Allein rund 1.700 offizielle geladene Gäste werden erwartet. (Foto: Erbacher)
- Ein Blick auf die Piazza Farnese im Zentrum von Rom. (Foto: Erbacher)
16 Kommentare
Vielen Dank für diesen ausgewogenen Kommentar. Franziskus hatte tatsächlich viele gute Seiten, und da war auch vieles, was absolut ärgerlich war. Und in diesem Kommentar gibt es weder Lobhudelei noch übermäßige Kritik, sondern die Dinge wurden so beschrieben, wie sie waren.
Ich habe übrigens lange vermutet, dass diese Seite eingestellt worden ist, weil in den vergangenen Monaten doch einiges passiert ist, aber nichts berichtet wurde. Endgültig sicher darüber war ich mir am Ostermontag, weil ich eigentlich nicht angenommen habe, dass die Redakteure irgendwo weit abseits der Zivilisation auf Urlaub waren und deshalb nichts mitbekommen haben. Zum Glück gibt es die Seite aber noch immer. Ich vermute, dass die Reaktion auf den Tod von Franziskus deshalb so lange gedauert hat, weil es sehr schwierig war, den Artikel so zu formulieren, dass er wirklich sowohl den guten als auch den weniger guten Seiten dieses Papstes gerecht wurde.
Papst Franziskus hätte mehr gesunde Lebenszeit gebraucht, um viele Reformen, dir ihm vielleicht vorgeschwebt sind, durchzusetzen. Ich glaube, das Papstamt ist eine Funktion, die für einen Menschen fast nicht zu schaffen ist. Dennoch glaube ich, dass Papst Franziskus versucht hat,es so gut es geht, auszufüllen.
Ich habe immer für ihn gebetet und werde es auch weiter tun.
Gott schenke ihm die ewige Ruh.
danke für den schönen und wertvollen kommentar! ich glaube, dass franziskus nun für uns betet.
Er war ein außergewöhnlicher SEELSORGER.
Ein Segen für ALLE Christen und ALLE gläubige Menschen.
Ein wirklich sehr ausgewogener Kommentar. Genau wie @ Sunuraxi hatte auch ich die Befürchtung, dass dieser Blog eingestellt worden ist. Schön dass es nun weiter geht.
Möge unser Papst Franziskus in Frieden ruhen.
Als ich entdeckte, dass wieder Artikel im Blog veröffentlich wurden, habe ich mich gefreut, dass die wenigen üblichen verdächtigen Dauerschreiber dieser Tatsache noch nicht gewahr geworden sind und ich länger nachdenken musste, wann ich die anwesenden Pseudonyme einst oder doch noch gar nicht gelesen habe. Eine Art von Frühlingsfeeling. Auch wenn der Artikel wohltuend sachlich geschrieben ist, ich traue der ganzen Online-Szene nicht als ganzes, weil die Nachrichten-Kreischerei auch über den verstorbenen Papst als Meinungs- oder Stressproblem seitens der Rezipienten verniedlicht wird. Es nervt mich, wenn Leute schreiben, Franziskus hätte einer Agenda gedient und ich den Eindruck habe, der Autor eines solchen Machwerks glaubt selber nicht daran oder ist erstaunt, was die Künstliche Intelligenz freihändig in die Tastatur zaubert und den etablierten Medien fallen nur blutleere Faktenchecks ein. Man scheut das Risiko, einmal schief dargestellt oder einen Fehler nachgewiesen zu bekommen. Franziskus hat eine verbeulte Kirche gefordert, die neuen Wilden mit ihren modernen Blechkisten verbeulen alles mit Inbrunst, was ihnen in den Weg kommt und die Alten wälzen Gesetzbücher und Kirchenvorschriften, um ihnen zu verbieten, jung zu sein. Ich finde, das ist auch eine Form der Vernachlässigung und Kommunikationsverweigerung.
@neuhamsterdam, wollten Sie denn hier alleine bleiben, also mit sich selbst diskutieren?
Tun Sie das nicht auch?
Nun, mit mir diskutiert Silvia sehr wohl, wobei sie unbeirrbar gläubig und dabei recht kritisch ist, ich dagegen mich längst aus der röm.-kath. Amtskirche entfernt habe. Vielleicht sollten Sie die Beiträge einfach mal bewusster lesen, bevor Sie etwas Unrichtiges behaupten ?
sehr geehrter herr erbacher,
schön, dass sie wieder da sind. und gleich einen widerspruch:
„Er war ein Hoffnungsträger für die einen und ein Häretiker für die anderen.“
das suggeriert, dass 1) die einen und die anderen in gleicher weise vernünftig sind und 2) dass sie sich zahlenmäßig die waage halten. beides ist grundfalsch.
es sind und waren notorisch reaktionäre, die die grenze zur pathologie überschritten haben, die franziskus für einen häretiker gehalten haben (egal ob man sie auf katholischesinfo oder kathnet oder vergleichbaren internetscheiterhaufen findet) und sie waren auch immer eine verschwindende minderheit. das wäre schon wichtig klarzustellen.
„waren notorisch reaktionäre, die die grenze zur pathologie überschritten haben, die franziskus für einen häretiker gehalten haben“ Da werden aber die planvollen Erzähler von dem V(aticanum)II-Sekten-Märchen in sich gehen und nach einem Vorstellungstermin bei einem vertrauenswürdig erscheinenden Psychiater suchen. Ich kann diesen Wortkampfmodus nicht mehr ernst nehmen. Das ist doch nur ein Fachgebiet der Rhetorik und der Schauspielerei, um den Leuten was vorzumachen. Die kochen auch nur mit Wasser, hat es einst im Deutschunterricht zum mir weiterhin unverständlichen Thema Textanalyse geheissen. Ein frühes Buch von ZDF-Moderator Peter Hahne über Demagogie hat wohl allen Grund, unbeachtet zu bleiben, weil die Leute ohnehin nur zum besten gehalten werden sollen, das würde den „Aufregungsspass“ nur mit Wissen verderben.
Es gab lediglich einige kosmetische Korrekturen durch Franziskus, oder wie würden Sie den klerikalen Aufpasser für den ersten weiblichen Chef in einem Vatikan-Dikasterium werten ? Die Angst vor der Frau in der Kirche ist und bleibt permanent, absolut abfällig und mehr. Siehe Thomas von Aquin und andere „weise“ Kirchenmänner. Deren z.T. widerliche Aussprüche über das Wesen der Frau lesen Sie besser selbst. Was wohl Maria dazu sagen würde ?
Schon wieder stumpfe Stereotype…
Kein Gegenargument, also leugnen der Tatsachen…
Sehr geehrte Herr Erbacher: Ihr Abschnitt „Licht aber auch Schatten“ ist eine durchaus realistische Beschreibung diese ambivalenten Papstes, was vielen Gläubigen überhaupt nicht zur Kenntnis gelangte oder aber sie nicht zur Kenntnis nehmen wollten. Man möchte ein Ideal und vergisst dabei, dass der „Hl. Geist“ längst nicht immer bei einer Papstwahl anwesend war. Es wurde um das Amt recht häufig und in einigen Jahrhunderten ganz offen geschachert was das Zeug hielt. Eine nachweislich Besonderheit: Papst Formosus wurde 897 aus seinem Grab geholt, ihm von seinem Nachfolger Stephan VI. in St. Peter der Prozeß gemacht und die Leiche anschließend dem römischen Mob übergeben, der ihn durch die Straßen schleifte und in den Tiber warf. Auch das gehört zur heiligen Geschichte der Nachfolger auf dem Stuhle Petri. Das alles ist menschengemacht, einen Gott kann man hinter der Amtskirche und ihren Anmaßungen nur schwer erkennen.
„Das alles ist menschengemacht, einen Gott kann man hinter der Amtskirche und ihren Anmaßungen nur schwer erkennen.“ Gott kann tun und lassen was er will. Trotzdem ist es seine Kirche. Die Leute hätten gerne eine Wohlfühlkirche, der sie unverbindlich wohlgesonnen sein können. Dann braucht es keinen Karfreitag und keinen Gott auch nicht, nach eigenen Massstäben kann sich wohl jeder seiner Gutheit rühmen. Der subjektiv fürchterbare Zustand der Kirche als beliebter Vorwand die Existenz Gottes und die Sinnhaftigkeit der Katholischen Kirche in Zweifel zu ziehen. Gott kann überall sein und zugleich aber nicht in der Kirche ist auch eine Anmassung und zudem grunzzätzlich unlogisch.
Kommentare geschlossen
Dieser Beitrag kann nicht länger kommentiert werden.