Papst: Keine synodale Kirche ohne Versöhnung
Ein Bußgottesdienst am Vorabend einer Bischofssynode – das ist ein Novum. Papst Franziskus wollte ausdrücklich ein Zeichen setzen vor Beginn der abschließenden Beratungsrunde der Weltsynode. “Wie können wir eine synodale Kirche sein ohne Versöhnung?“ fragte der Pontifex in seiner Predigt. Sieben Kardinäle sprachen Vergebungsbitten aus unter anderem zum Thema Missbrauch, zur unterlassenen Hilfe für Migranten und Opfer von Kriegen, zur unmenschlichen Behandlung von Personen, die durch die Lehre gerechtfertigt wurde. Die Worte waren stark und erstmals konnte im Rahmen der Feier ein Betroffener sexualisierter Gewalt im Petersdom ein Zeugnis ablegen und seine Anklage gegen die Kirche laut aussprechen. Doch bisweilen wirkten vor allem die Worte des Papstes so, als könnte mit dieser Bußfeier die viele Schuld, die die Kirche auf sich geladen hat, vergeben werden.
Verfehlungen der Lehre
„Ich wollte die Bitten um Vergebung, die von einigen Kardinälen verlesen wurden, aufschreiben, weil es notwendig war, unsere großen Sünden beim Namen zu nennen“, erklärte Papst Franziskus zu Beginn seiner Predigt beim Gottesdienst im Petersdom. Und der Vergehen gibt es viele, die am Dienstagabend ins Wort gebracht wurden. Die Bandbreite war groß: vom fehlenden Einsatz für Frieden und Versöhnung bei Krieg und Konflikten, über den respektlosen Umgang mit der Schöpfung bis hin zum mangelnden Engagement für Arme und Geflüchtete. Meist sprach der Präfekt des zuständigen Dikasteriums die Vergebungsbitte. „Ich bitte um Vergebung und schäme mich für all die Male, in denen wir eine unmenschliche Behandlung lehrmäßig gerechtfertigt haben“, erklärte der Chef des Glaubensdikasteriums, Kardinal Victor Manuel Fernández. Auch bat er um Vergebung, „dass wir die verschiedenen legitimen Inkulturationen der Wahrheit Jesu Christi behindert haben“.
Der Leiter der Päpstlichen Kinderschutzkommission, Kardinal Seán Patrick O’Malley, äußerte sich zum Missbrauch. „Ich bitte um Vergebung und schäme mich für all die Fälle, in denen wir Gläubigen an Gewissensmissbrauch, Machtmissbrauch und sexuellem Missbrauch beteiligt waren oder ihn direkt begangen haben.“ Der langjährige Erzbischof von Boston fügte hinzu: „Ich bitte um Vergebung und schäme mich für all die Zeiten, in denen wir den Status des geweihten Dienstes und des geweihten Lebens dazu benutzt haben, diese schreckliche Sünde zu begehen, indem wir uns sicher und geschützt fühlten, während wir die Kleinen und Armen auf teuflische Weise ausnutzten.“ Zuvor hatte ein Betroffener sexualisierter Gewalt die Vertuschung in der katholischen Kirche kritisiert.
Missbrauchs-Betroffener klagt an
Erstmals sprach ein Opfer sexuellen Missbrauchs im Petersdom bei einem Gottesdienst und legte Zeugnis ab über das Geschehene. Vor gut 50 Jahren war Laurence Gien im Alter von 11 in Südafrika von einem Kleriker missbraucht worden, physisch, psychisch und sexuell. „Die Gesichter der Missbrauchten sind allzu oft verschwommen, verborgen hinter einem Schleier der Geheimhaltung, an dessen Aufrechterhaltung die Kirche in der Vergangenheit mitschuldig war“, beklagte er. Diese Anonymität diene mehr dem Schutz der Täter als dem der Opfer und erschwere es den Überlebenden, Gerechtigkeit zu finden. Gien beklagte mangelnde Transparenz in der Kirche. „Jahrzehntelang wurden Anschuldigungen ignoriert, vertuscht oder intern gehandhabt, anstatt sie den Behörden zu melden. Dieser Mangel an Rechenschaftspflicht hat es den Tätern nicht nur ermöglicht, ihr Verhalten fortzusetzen, sondern hat auch das Vertrauen untergraben, das so viele Menschen einst in die Institution gesetzt haben.“
Die Folgen des Missbrauchs reichten daher weit über die Grenzen der Kirche hinaus, so Gien. Sie haben den Glauben von Millionen von Menschen erschüttert, den Ruf einer Institution geschädigt, von der sich viele eine Orientierung erhoffen, und eine Vertrauenskrise ausgelöst, die in der Gesellschaft nachhallt. Auf sein Zeugnis antworteten die Gläubigen im Petersdom mit Applaus, auch einige Bischöfe und Kardinäle schlossen sich dem an. Ähnlich verhielt es sich beim Zeugnis einer Ordensfrau aus dem syrischen Homs, die davon berichtete, wie der Krieg die Menschen in ihrer Heimat entzweit. Die Konfliktparteien hätten systematisch versucht, die einzelnen Gruppen zu isolieren. „Dies hat dazu geführt, dass nach und nach jede Form von Empathie verschwindet, der andere als Feind abgestempelt wird und man sogar so weit geht, ihn zu entmenschlichen und im Extremfall seine Tötung rechtfertigt.“ Zugleich habe sie aber auch die Erfahrung gemacht, dass die große Not die Fähigkeit zum Vorschein bringen könne, „Widerstand zu leisten, sich solidarisch zusammenzuschließen und dem Hass nicht nachzugeben“.
Veränderung ist nötig
Es war ein nachdenklicher Moment zum Beginn der nun anstehenden Beratungen der Weltsynode. Es war sicherlich auch ein Augenblick der Erdung, um die Debatten der kommenden gut drei Wochen nicht in einem luftleeren sterilen Raum zu führen. Wenn es nur darum ging, die Schuld mit dem Bußgottesdienst vermeintlich abzuarbeiten und ab morgen zur Tagesordnung überzugehen, wird der weltweite synodale Prozess scheitern. Denn die Verfehlungen haben deutlich gemacht, dass Veränderung notwendig ist.
3 Kommentare
„Doch bisweilen wirkten vor allem die Worte des Papstes so, als könnte mit dieser Bußfeier die viele Schuld, die die Kirche auf sich geladen hat, vergeben werden.“
Ähm… Es ist halt schon auch Lehre der Kirche, dass frommes Verhalten, Gebete und Gottesdienste sündenvergebend sind. Warum sollte es denn just DIESE Feier nicht sein?!?
Es ist gut, dass es regelmäßige Treffen der Bischöfe zu bestimmten Themen gibt. Ich finde es auch nicht schlecht, dass Ordensleute, Priester und Laien dabei sind (auch wenn dann die Bezeichnung Bischofssynode fraglich wird, worauf bereits einige Kirchenrechtler ja nicht ganz zu Unrecht hingewiesen haben, aber egal). Und natürlich ist es positiv, dass es ein Nachdenken darüber gibt, wie ein noch besseres Miteinander aller Glieder der Kirche möglich werden kann. Das mehr und bessere Kommunikation, gemeinsames Beraten, ein Hören aufeinander gut für die Kirche und das Zusammenleben aller Christen ist, wird vermutlich niemand bestreiten. Dennoch kommen mir einige Fragen zu dem aktuellen Geschehen in Rom. Das bestimmte Reizthemen vom Heiligen Vater ausgeklammert werden mussten, zeigt ja zumindest teilweise, dass manche Teilnehmer nichts oder nur wenig mit dem Thema Synodalität anfangen konnten (oder wollten) und alles mögliche damit verbunden haben. Oder das Thema für etwas anderes nutzen wollten. Vielleicht war auch der Name etwas schwammig gewählt. Wobei der Untertitel „Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“ ja schon auch etwas die Richtung weist.
Ich frage mich auch, ob es wirklich so nötig gewesen ist, die Synode zeitlich so aufzublasen. Seit 2021 befasst sich die Kirche vornehmlich mit Synodalität. Das zeigt natürlich, dass das Thema dem Heiligen Vater besonders wichtig ist und an sich ist das ja auch kein Problem, aber man hat etwas das Gefühl, dass in dieser Zeit andere drängende Themen liegen geblieben sind.
Das führt zu einer weiteren Frage die mich in diesem Zusammenhang beschäftigt. Gäbe es nicht wirklich noch wichtigere Themen? Zum Beispiel eine Synode über den Beitrag der Kirche zum Klima- und Umweltschutz, oder wieder eine Synode über die Kirche in Europa (wenn ich richtig gelesen habe, war die Kirche in Europa zuletzt 1999 Thema einer Sonderversammlung der Synode)? Synoden zu der Kirche in Afrika und im Amazonas gab es ja auch. Oder vielleicht besonders drängend eine Synode zum Beitrag der Kirche für den Frieden in der Welt? Ich will wirklich nicht sagen, dass es unwichtig wäre darüber zu sprechen, wie ein umfassenderes Miteinander in der Kirche funktionieren kann. Aber ich glaube doch, dass zum jetzigen Zeitpunkt einfach der Schwerpunkt der kirchlichen Überlegungen woanders liegen sollte.
Jetzt ist es aber so und man kann nur beten, dass für die Kirche und die Christen etwas Gutes dabei herauskommt. Und die nächste Synode befasst sich dann hoffentlich mit einem Thema das den Problemen der Zeit angemessener ist.
Angesichts der Tatsache, dass die römische Kirche bislang auf Hierarchie und nicht auf Synodalität gesetzt hat, ist das erlernen von Synodalität offenkundig der erste Schritt. Man lernt ja in der Schule sinnvollerweise erst Lesen und Schreiben und dann das Verfassen von Erlebniserzählungen und Erörterungen.