Synode 2023: Zwischen Hoffnung und Angst

Eine harte Erdung hat der ehemalige Dominikanerobere, Timothy Radcliffe, den Synodalen zum Beginn der Einkehrtage im Vorfeld der Weltsynode zur Synodalität zugemutet: durch Minen verwundete Kinder in Ruanda, Gewalt in Syrien, die Stimme eines in Brasilien inhaftierten Dominikaners, ein an AIDS verstorbener junger Mann. Es wirkte beinahe so, als wolle er den Synodalen sagen, was sind eure Streitereien angesichts der brutalen Realität, denen Menschen rund um den Globus begegnen. Dabei ging er auch auf die Ängste ein, die viele mit der anstehenden Synode verbinden. Und er beschäftigte sich mit der Frage, ob die Kirche für einige Auserwählte oder für alle da ist. Dabei machte er mit einem Augenzwinkern deutlich, wie schwierig eine Antwort darauf ist – getreu einer offenbar in England gebräuchlichen Redewendung: „Die gute Nachricht ist, Gott liebt dich. Die schlechte Nachricht ist, dass er auch alle anderen liebt.“

Drei Tage haben sich die Synodalen zu Einkehrtagen in ein Bildungshaus in Sacrofano vor den Toren Roms zurückgezogen. (Quelle: VaticanMedia)

Fürchtet die Angst

Die Einkehrtage der rund 360 Synodalen begannen am Morgen mit einem kleinen Scherz. Ein Mitarbeiter des Synodensekretariats erklärte, zuvor hätte in dem Tagungshaus ein Kurs für Exorzisten stattgefunden. Sie hätten das Gebäude gereinigt und es seien keine Teufel im Umlauf. „Wir sind sicher.“ Mit Blick auf die Einlassungen vor allem traditionalistischer Kreise in der katholischen Kirche vor der Synode könnte der Eindruck entstehen, dass der Hinweis nicht nur im Scherz gemeint war. Der US-amerikanische Kardinal Raymond Leo Burke schrieb jüngst das Vorwort zu einem Buch mit dem Titel „Der Synodale Prozess ist eine Büchse der Pandora“. Der Exerzitienmeister Radcliffe griff die Sorgen der verschiedenen Seiten auf.

In seiner ersten Meditation unter dem Thema „Hoffen gegen Hoffnung“ betrachtete er die Sorgen unter umgekehrten Vorzeichen. „Einige hoffen, dass die Kirche sich dramatisch verändert, dass wir radikale Entscheidungen treffen sollten etwa zur Rolle der Frau in der Kirche. Andere sorgen sich gerade vor diesen Veränderungen und haben Angst, sie könnten in Teilung, sogar zu einem Schisma führen.“ Die einen hätten Angst vor der Veränderung, die anderen davor, dass sich nichts verändere. „Aber das einzige, was wir fürchten müssen, ist die Angst selbst“, erklärte er Franklin D. Roosevelt zitierend. Er rief die Synodalen dazu auf, sensibel zu sein für die Ängste der anderen, besonders jener, mit denen man selbst nicht übereinstimme. Alle hofften auf eine Erneuerung der Kirche, so Radcliffe.

Von anderen Positionen lernen

Dann berichtete er von seinen Erfahrungen bei einem Besuch in Ruanda 1993, als er mit Kindern zusammentraf, die durch Minen und Bomben verletzt worden waren. Er berichtete von Mitbrüdern, die aktuell in der Ukraine Eucharistie feiern, nicht mit einer goldenen Patene sondern einem roten Kinderplastikteller. „Wenn wir wirklich auf dem Weg zum Reich Gottes sind, spielt es dann wirklich eine Rolle, ob man sich selbst zu den sogenannten Traditionalisten oder Progressiven zählt?“, fragte der Dominikaner. „Das größte Geschenk wird von denen kommen, mit denen wir nicht übereinstimmen, wenn wir es wagen, ihnen zuzuhören“, zeigte er sich überzeugt.

In einer zweiten Meditation beschäftigte sich Radcliffe mit dem Problem, dass es unterschiedliche Vorstellungen gibt, was die Kirche ist. „Wir müssen die Kirche erneuern als ein gemeinsames Zuhause, wenn wir zu einer Welt sprechen wollen, die unter einer Krise der Heimatlosigkeit leidet“, so der 78-Jährige. Für einige sei die Kirche durch ihre alten Traditionen definiert. Andere sähen die Kirche heute nicht als einen sicheren Ort an. Sie werde als ausschließend erfahren etwa von Frauen oder von wiederverheirateten Geschiedenen, von Homosexuellen oder Menschen in polygamen Beziehungen. Manchen erscheine sie zu westlich, zu eurozentristisch. Die einen glaubten, die Kirche brauche Grenzen, andere sagten, ihre Identität sei es, offen zu sein. „Diese Spannung gibt es schon immer im Herzen unseres Glaubens, seit Abraham in Ur aufgebrochen ist“, so Radcliffe. Die Idee des Auserwähltsein und zugleich universal gebe es schon immer. Beides sei notwendig, so der Dominikaner. Sonst drohe man einerseits zu einer Sekte zu werden oder andererseits zu einer vagen Jesus-Bewegung. Auch an dieser Stelle mahnte er die Synodalen, sich der jeweils anderen Seite zu öffnen. Doch sein Appell ist klar: „Unser Leben wird von geliebten Traditionen und Andachten genährt. Wenn sie verloren gehen, trauern wir. Aber wir müssen auch an all jene denken, die sich in der Kirche noch nicht zu Hause fühlen: Frauen, die sich in einem Patriarchat von alten weißen Männern wie mir nicht anerkannt fühlen! Menschen, die das Gefühl haben, die Kirche sei zu westlich, zu lateinisch, zu kolonial. Wir müssen uns auf den Weg zu einer Kirche machen, in der diese Menschen nicht mehr am Rande, sondern in der Mitte stehen.“

Nicht alle Synodalen bei Einkehrtagen

Liest man die Texte von Radcliffe, zeigt sich darin das Bemühen, Verhärtungen aufzubrechen. Aus dieser Perspektive könnten die Tage in Sacrofano einen fruchtbaren Boden bereiten für die Diskussionen bei der Synode. Dabei spart Radcliffe die harte Realität nicht aus – in der Welt und innerhalb der Kirche. Nicht alle Synodalen nehmen an den Einkehrtagen teil. Offiziell gibt es bisher keine Zahlen zu den Anwesenden. Aus Deutschland fehlt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Damit beraubt er sich der Chance, bereits in diesen Tagen Kontakte zu knüpfen und Gespräche zu führen. Im Vatikan löst die Abwesenheit so manches Kopfschütteln aus. Gerade angesichts der angespannten Situation zwischen Rom und Deutschland ist die Wirkung nicht gut.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

5 Kommentare

  • Erasmus
    02.10.2023, 10:39 Uhr.

    „Aus Deutschland fehlt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. … Im Vatikan löst die Abwesenheit so manches Kopfschütteln aus.“ (Erbacher)
    Mir fällt an dieser Stelle BISCHOF KARL LEHMANN ein. Am 21. Januar 2001 berief JOHANNES PAUL II. 37 neue Kardinäle. Lehmann, der seit 1987 durchgehend Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz war, wurde wieder einmal nicht berücksichtigt. Erst aufgrund von Interventionen aus dem In- und Ausland ist er nachnominiert worden.
    Ich weiß nicht, ob das für BISCHOF GEORG BÄTZING eine Rolle spielt. Aber die Ernennung eines zur Wahl des Papstes berechtigten deutschen Bischofs liegt 9 Jahre zurück. Die deutsche Kirche schrumpft, aber hat doch weltweit nach wie vor einen hohen Stellenwert. Da kann man schon die Frage stellen, warum bei den am 30. September neu kreierten Kardinälen der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz nicht dabei war.
    Für mich wäre nachvollziehbar, wenn es Bischof Bätzing in diesen Tagen nicht nach Rom zieht.

    • Silvia
      03.10.2023, 13:40 Uhr.

      Kardinal Lehmann hat seine Kardinalserhebung nicht in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der DBK bekommen sondern als Bischof von Mainz.

      Mainz war vor Papst Franziskus ein traditioneller Kardinalssitz.

      Franziskus lässt sich bei den Kardinalserhebungen von anderen Überlegungen leiten, sodass theoretisch auch der Bischof von Limburg Kardinal werden könnte. Was aber bei den gegenwärtigen Kontroversen eher unwahrscheinlich sein dürfte.

      • Erasmus
        03.10.2023, 18:10 Uhr.

        Mainz war weder als Erzbistum bis 1802 noch danach als Suffraganbistum der Oberrheinischen Kirchenprovinz traditioneller Kardinalssitz.
        Karl Lehmann hatte sich bereits als Protagonist der Würzburger Synode (1971 -75) in Rom unbeliebt gemacht. Als sich das Freiburger Domkapitel 1977 für Lehmann als neuen Erzbischof aussprach, wurde in Rom der Name Lehmann aus der eingereichten Terna gestrichen. Lehmann kämpfte für eine menschenfreundliche Pastoral und war Manns genug sich mit Rom anzulegen.
        – 1987 weigerte er sich die Königsteiner Erklärung zurückzunehmen.
        – 1993 engagierte er sich für wiederverheiratet Geschiedene und wurde von Kardinal Ratzinger gestoppt.
        – Ende der 90er Jahre kämpfte Lehmann mehrere lang für die Weiterarbeit der katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen im Rahmen der gesetzlichen Konfliktberatung und verlor.
        Ohne massiven AUSSENDRUCK wäre Lehmann niemals Kardinal geworden.

      • Erasmus
        03.10.2023, 21:32 Uhr.

        Edit meines Kommentars von 18:10 Uhr.
        „kämpfte Lehmann mehrere Jahre lang“

  • Silvia
    02.10.2023, 19:06 Uhr.

    Es ist von Bischof Bätzing zumindest sehr undiplomatisch, nicht an den Einkehrtagen teilzunehmen.

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