Papst: Ohne Furcht und für eine offene Kirche

„Fürchtet euch nicht!“ Mit diesem eindringlichen Appell an die jungen Menschen hat Papst Franziskus den Weltjugendtag in Lissabon beendet. Ihnen, die sie die Welt verändern wollten und für Gerechtigkeit und Frieden kämpften, sage Jesus: „Fürchtet euch nicht“. Damit griff der Papst zum Abschluss einen inhaltlichen Faden auf, der sich durch die Tage von Lissabon zog: die Bestärkung und Ermutigung der jungen Menschen. Dieses Anliegen, zusammen mit seiner Botschaft von einer offenen Kirche und dem Werben bei den Jugendlichen, sich für eine sozialere, gerechtere und nachhaltigere Welt einzusetzen, waren die drei Hauptthemen der 42. Auslandsreise von Papst Franziskus. Für 2025 lud er die Jugendlichen zu einer Heilig-Jahr-Feier nach Rom ein. Der nächste internationale Weltjugendtag findet 2027 in Seoul in Südkorea statt. Die Irritationen um die improvisierten Reden des Papstes haben sich zum Ende der Reise wieder etwas gelegt. Zwar hielt er sich auch bei der Abschlussmesse über weite Teile nicht an das Manuskript, doch im Kern blieben die Gedanken erhalten. Zum Abschluss bat Franziskus beim Angelusgebet die Jugendlichen, sich für Frieden einzusetzen und für den Frieden zu beten. Dabei erinnerte er noch einmal eigens an den Konflikt in der Ukraine.

2027 trifft sich die katholische Jugend der Welt in Seoul. (Quelle: VaticanMedia)

Bestärkung für Jugendliche

Die erste zentrale Botschaft des Weltjugendtags ist einfach und schwierig zugleich. Papst Franziskus wollte jede und jeden einzelnen darin bestärken, auf sich selbst und die eigenen Stärken zu vertrauen. Jede und jeder ist gut, so wie er ist. Er wollte den Druck von den Schultern nehmen, dem sich junge Menschen heute oft durch Ideale ausgesetzt sehen, die etwa in den Sozialen Medien oder der Gesellschaft allgemein aufgebaut werden. Dieser Gedanke mündete dann zum Abschluss in das „Fürchtet euch nicht!“. Dies verband er mit den sozialen und politischen Zielen, die er den jungen Menschen mitgeben wollte und die auch in diesen Tagen von Lissabon in vielen Katechesen bei Gesprächen der Jugendlichen mit Bischöfen behandelt wurden.

„Euch jungen Menschen, die ihr große Träume hegt, die aber oft von der Angst getrübt werden, sie nicht verwirklicht zu sehen; euch, die ihr manchmal denkt, dass ihr es nicht schafft; euch, jungen Menschen, die ihr in diesen Zeiten versucht seid, euch entmutigen zu lassen, euch für unzulänglich zu halten; euch, jungen Menschen, die ihr die Welt verändern wollt und für Gerechtigkeit und Frieden kämpft; euch, jungen Menschen, die ihr euch anstrengt und Fantasie aufbringt, aber den Eindruck habt, dass dies nicht genügt; euch, jungen Menschen, die die Kirche und die Welt brauchen wie die Erde den Regen; euch, jungen Menschen, die ihr die Gegenwart und die Zukunft seid; euch sagt Jesus: Fürchtet euch nicht!“

Weltjugendtag ein Erfolg

Der Weltjugendtag in Lissabon ist für die katholische Kirche und den Vatikan ein Erfolg. 1,5 Millionen Menschen kamen am Wochenende zu den Abschlussveranstaltungen im Tejo-Park von Lissabon. Das sind mehr als etwa 2005 beim Weltjugendtag in Köln. Das zeigt, trotz Missbrauchsskandals, der die katholische Kirche weltweit in vielen Ländern ins Mark trifft, und auch nach der Pandemie, kann diese Kirche die Massen mobilisieren. Doch auch die Jugendlichen, die nach Lissabon gekommen sind, haben viele Fragen an ihre Kirche und die Verantwortlichen. Das wurde in den Gesprächen am Rande deutlich. Zwar wollten viele nicht ständig nur über Reformen sprechen, sondern auch einfach einmal die Gemeinschaft feiern und es nach der Pandemie genießen, wieder Menschen in großer Zahl aus der ganzen Welt treffen zu können. Auch waren in Lissabon viele junge Menschen, die die Kirche, wie sie ist, gut finden. Doch der Durst nach Reformen ist bei einer sehr großen Zahl der jungen Menschen da.

Papst Franziskus selbst schürte letzten Endes diesen Ruf nach Veränderung. Denn eine „Kirche für alle“, wie er sie mehrfach in Portugal mit Nachdruck propagierte, bedeutet letzten Endes doch auch eine Kirche der Reformen. Denn ohne Änderungen in Lehre und Recht werden sich nicht alle in der Kirche willkommen geheißen fühlen. Doch genau hier wird es schwierig. Das Bild der „offenen Kirche“ ist nicht neu bei Franziskus. Davon spricht er schon seit Beginn des Pontifikats. Doch wenn dann eine Ortskirche wie die in Deutschland versucht, die „Kirche für alle“ in die Praxis umzusetzen, grätschen der Papst und seine engsten Mitarbeiter dazwischen. Doch das „alle, alle, alle“ hat einen Preis: Reformen. Dass Franziskus immer wieder dieses fordert und dann im Konkreten bremst kostete ihn in den vergangenen Jahren schon viel Glaubwürdigkeit.

Arbeit am Erbe

Die anstehende Weltsynode zur Synodalität bietet ihm nun die Möglichkeit, ernst zu machen. Im Arbeitspapier sind viele zentrale Reformfragen enthalten, die eine „Kirche für alle“ bräuchte. Wenn es am Ende des Prozesses 2025 keine Veränderungen gibt, wird die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche und des Papstes weiter beschädigt werden, könnte das gar ein Scheitern der Idee der „Kirche für alle“ bedeuten. Doch noch ist es ein langer Weg. Das zeigte sich auch hier beim Weltjugendtag in Lissabon. Der Gottesdienst einer kleinen LGTBQ+-Gruppe wurde von traditionalistischen Katholiken gestört, die Polizei musste einschreiten. Die Widerstände sind groß gegen „alle, alle, alle“. Vielleicht kommt dieser Papst auch deshalb nur langsam voran. Nach dem Weltjugendtag richten sich die Blicke jetzt auf die Synode im Oktober und die Frage, wie die „Kirche für alle“ dort in den Diskussionen ihren Niederschlag finden wird. Eher politisch dürfte der Akzent bei der nächsten Reise sein. Bereits in gut drei Wochen fliegt Franziskus in die Mongolei und klopft an die Türen Chinas. Der 86-Jährige schont sich nicht. Es beginnt eine wichtige und herausfordernde Phase seines Pontifikats. Franziskus arbeitet an seinem Erbe.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

3 Kommentare

  • Jürgen Erbacher
    Jürgen Erbacher
    07.08.2023, 18:23 Uhr.

    Bei der fliegenden Pressekonferenz auf dem Weg von Lissabon nach Rom hat Papst Franziskus am Sonntagabend die Vision der „Kirche für alle“ noch einmal bestärkt. Zugleich erklärte er, dass man in diesem Kontext zwei Dinge unterscheiden müsse. Eine Kollegin hatte gefragt, wie das mit der „Kirche für alle“ zu verstehen sei, wenn dann doch nicht alle dieselben Rechte hätten etwa beim Zugang zu den Sakramenten für Frauen oder Homosexuelle. Die Frage sei aus „verschiedenen Blickwinkel“ gestellt, antwortete Franziskus. „Die Kirche ist offen für alle; dann gibt es Gesetzgebungen, die das Leben innerhalb der Kirche regeln. Jemand, der drinnen ist, unterliegt der Gesetzgebung“, betonte Franziskus. Das bedeute nicht, dass die Kirche geschlossen sei, sondern jede finde seinen eigenen Weg im Gebet und im „pastoralen Dialog“. Franziskus führte nicht näher aus, wie er genau die Unterscheidung der beiden „Blickwinkel“ versteht. Ist es einerseits die Seelsorge, andererseits eher die Lehre und das Recht? Das würde nicht ganz passen, denn immer hat auch die Glaubenspraxis die Lehre berührt und geprägt. Franziskus wurde auch auf seinen Gesundheitszustand angesprochen. Er erklärte, dass es ihm gut gehe. Er müsse nach der Bauch-OP im Sommer für drei Monate einen Gurt tragen, um die Rumpfmuskulatur zu unterstützen. Die Texte habe er abgekürzt bzw. frei gehalten, weil es ihm wichtig sei, mit den Zuhörenden in Interaktion zu treten. Außerdem habe er sich ja schon in Evangelii gaudium lange zum Thema „gute Predigten“ ausgelassen. Die Aufmerksamkeitsspanne liege bei acht Minuten, so Franziskus. Aus seiner Sicht gab es hier also keinen Grund für Irritationen.

    • Silvia
      08.08.2023, 10:03 Uhr.

      Ich denke, das ist ähnlich wie bei Jesus: Zu ihm konnten Alle kommen, aber die, die bei ihm bleiben und ihm nachfolgen wollten, mussten ihr Leben ändern und sich auf seine Forderungen einlassen.

      Das eigentliche Problem ist auch hier wieder, dass der Papst sich so ungenau ausdrückt, dass niemand wirklich versteht, was er eigentlich meint.

      So weckt er bei den Einen Hoffnungen und bei den Anderen Befürchtungen und beide „Lager“ gehen immer wieder mit neuer Energie aufeinander los.

      Meiner Einschätzung nach wird er nach der zweiteiligen Weltsynode weder die Lehre noch das Kirchenrecht ändern. Zumal er eine andere Auffassung von Synodalität hat als die Kirche in Deutschland.

    • Silvia
      08.08.2023, 19:05 Uhr.

      Ausführlicher schreibt katholisch.de dazu.

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