Papst trifft Präsident Selenskyj

40 Minuten hat das Treffen zwischen Papst Franziskus und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj gedauert. Die Begegnung war mit Spannung erwartet worden, denn der ukrainischen Seite missfällt die Haltung des Pontifex zum Angriffskrieg Russlands. So erklärte Selenskyj nach der Begegnung auf Twitter, er habe den Papst aufgefordert, die russischen Verbrechen in der Ukraine zu verurteilen, denn es könne keine Gleichstellung geben von Opfer und Aggressor. Franziskus hatte seit dem Überfall wiederholt den Krieg scharf verurteilt, auch Russland als Aggressor bezeichnet, doch Präsident Putin direkt als Verantwortlichen bisher nicht benannt. Auch eine Reise in die Ukraine lehnte er bisher ab, solange diese nicht mit einem Besuch in Moskau verbunden werden kann.

Lange hat es gedauert bis zum persönlichen Treffen von Papst und Präsident. Selenskyj hatte Franziskus mehrfach nach Kiew eingeladen. Doch der will nur kommen, wenn er auch nach Moskau fahren kann. (Quelle: dpa)

Neutralität des Heiligen Stuhls

Der Heilige Stuhl nehme in Konflikten eine neutrale Position ein. Das werden die Offiziellen, darunter Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, nicht müde zu betonen. Dies sei in der Vergangenheit so gewesen und so halte es der Vatikan auch im aktuellen Konflikt. Damit solle die Möglichkeit einer Vermittlung geboten werden. Ungeachtet dessen, verurteilt Papst Franziskus den Krieg in der Ukraine scharf. Ein Kollege zählte vor wenigen Tagen mehr als 200 Gelegenheiten, bei denen Franziskus seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine Ende Februar 2022 über den Krieg gesprochen habe. Dabei lässt er keinen Zweifel daran, dass die Einhaltung internationalen Rechts für den Heiligen Stuhl unabdingbar ist.

Auf dem Rückweg von Ungarn Ende April erklärte der Papst bei der fliegenden Pressekonferenz, dass der Vatikan an einer Friedensmission arbeite. Zwar gab es aus Moskau und Kiew zunächst die Reaktion, man wisse nichts davon. Doch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin erklärte erst vor wenigen Tagen, dass es diese Initiative gebe und auch beide Seiten im Bilde seien. In jüngerer Zeit gab es zudem gleich mehrfach wieder einen Kontakt mit Vertretern der russisch-orthodoxen Kirche. Zunächst traf Franziskus den langjährigen Außenamtschef des russisch-orthodoxen Patriarchats, Erzbischof Hilarion, während seines Besuchs in Ungarn Ende April. Wenige Tage später führte dessen Nachfolger im Außenamt, Erzbischof Antonijs, Gespräche im Vatikan und traf am Rande einer Generalaudienz auch kurz mit dem Papst zusammen.

Eiszeit der Kirchen

Auch wenn es sich bei Antonijs Visite offiziell um einen Privatbesuch gehandelt haben soll, zeigen die beiden Begegnungen, dass der Gesprächsfaden wieder aufgenommen wurde. Dieser war von russischer Seite gekappt worden, nachdem Papst Franziskus in einer Videokonferenz wenige Woche nach Kriegsbeginn im März 2022 den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill davor warnte, nicht zum „Staatskleriker“ oder gar zum „Messdiener“ Putins zu werden. Seitdem wartet man in Moskau auf eine Entschuldigung aus Rom. Doch die erfolgt nicht. Dazu kam, dass der Vatikan ein seit langer Zeit für den Frühsommer 2022 geplantes Treffen zwischen Kyrill und Franziskus im Heiligen Land aufgrund der Haltung des Patriarchen zum Krieg absagte. Seitdem herrschte Funkstille zwischen beiden Seiten, abgesehen von einem kurzen Treffen Antonijs mit dem Papst am Rande einer Religionskonferenz in Kasachstan im September 2022.

Der ukrainische Präsident Selenskyj erklärte dem Papst heute seine „Friedensformel“, die aus seiner Sicht der einzig „effektive Algorithmus“ sei, um Frieden zu erreichen. Er habe Franziskus vorgeschlagen, sich an der Umsetzung zu beteiligen. Der Vatikan teilte im Anschluss an die Begegnung mit, Papst und Präsident hätten über die humanitäre und politische Situation gesprochen, die durch den Krieg entstanden sei. Franziskus habe auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass es „Gesten der Humanität“ mit Blick auf die unschuldigen Opfer des Krieges brauche. Selenskyj erklärte, dass er das Schicksal der zehntausenden ukrainischen Kinder angesprochen habe, die von Russland verschleppt worden seien.

Welcher Frieden?

Der Vatikan hält sich weiter bedeckt, was Details seiner Friedensmission betrifft. Nachdem Papst Franziskus vor zwei Wochen den ukrainischen Regierungschef, Denys Schmyhal, und nun Präsident Selenskyj getroffen hat, stellt sich die Frage, wie es mit Gesprächen auf russischer Seite weitergehen wird. Beobachter sind skeptisch, dass der kleine Player Heiliger Stuhl in diesem großen Konflikt wirklich etwas erreichen kann. Im Vatikan scheint man zuversichtlich zu sein, dass der Papst etwas bewegen kann.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

3 Kommentare

  • Silvia
    14.05.2023, 12:41 Uhr.

    Selensky hat vom Papst gar nichts zu fordern. Er könnte ihn bitten, aber nicht mehr.

    Die Neutralität des Hl Stuhls ist unabdingbar, um eventuell vermitteln zu können. Auch sonst muss der Papst über politischen Konflikten jeder Art stehen, auch und gerade, wenn Kriege geführt werden. Der Papst ist kein Politiker im weltlichen Sinne, deshalb tut Franziskus gut daran, seine bisher gezeigte Haltung beizubehalten.

    • Maria
      16.05.2023, 17:04 Uhr.

      Das sehe ich genau so. Ganz anders sieht das der Chefredakteur einer konservativen (katholischen) Wochenzeitung, der erklärt, dass der Papst mit seiner Haltung beim ukrainischen Präsidenten krachend gescheitert ist, dass er sich eine Ohrfeige eingehandelt hat. Unglaublich, womit Stimmung gegen P.F. gemacht wird. Werden die (bis zu diesem Artikel von H. Erbacher) unzähligen Aufrufe für Frieden und gegen den Krieg nicht gelesen? Sie passen wohl nicht ins Konzept.

  • neuhamsterdam
    14.05.2023, 16:30 Uhr.

    In der Bibel steht: „Die Sonne wird sich verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen.“ Der vielzitierte Begriff „Harmageddon“ bezieht sich auf die berühmte Schlacht um die Stadt Megiddo, weil es dem ägyptischen Pharao nicht passte, wenn fremde Mächte die Versorgungssicherheit seiner Einflussgebiete mit Nahrungsmitteln kontrollieren. Denn in der fruchtbaren Jesreel-Ebene vor Megiddo wurde Getreide angebaut. Ägypten selber hatte dadurch kaum einen Nachteil, es ging um Ruhm und das Image in der damaligen Welt. Wenn ich an den Ukraine-Konflikt denke, dann denke ich an Harmageddon. Und die Bibel hat doch recht.

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