10 Jahre Papst Franziskus

Eine Bilanz zu ziehen zum zehnten Jahrestag der Wahl von Papst Franziskus fällt nicht leicht. Zu vielschichtig sind die Herausforderungen, vor denen die katholische Kirche steht, zu komplex ist die aktuelle weltpolitische Lage, zu schwer ist dieser Papst zu durchschauen. Franziskus schärfte das sozialpolitische Profil seiner Kirche und machte sie wieder zu einem starken Player auf der politischen Weltbühne. Innerkirchlich öffnete er Räume für Debatten zu Themen, die früher tabu waren. Grundlegende Reformen bei Kirchenrecht und in der Lehre gab es bisher nicht. Dafür gibt es heftige Debatten über den künftigen Kurs der Kirche mit Blick auf Theologie und Lehre. Im Vatikan gab es unter Franziskus viele Veränderungen, beim Thema Missbrauch verschärfte er Regeln, handelte selbst aber nicht immer konsequent.

Kardinal Jorge Mario Bergoglio ist jetzt Papst Franziskus – der erste Auftritt nach der Wahl am 13. März 2013. (Quelle: reuters)

Kurie reformiert

Seine Wahl war eine Überraschung. Kaum jemand hatte dem ehemaligen Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, erneut Chancen zugesprochen, als Papst aus dem Konklave hervorzugehen. Er war bei der Wahl Benedikts XVI. beim Konklave 2005 der Kandidat mit den zweitmeisten Stimmen. Doch 2013 hatten die Buchmacher andere Kardinäle als Favoriten ausgemacht. Bergoglio ist der erste Papst, der nicht aus Europa kommt, der zeitlebens die Römische Kurie kritisch sah. Beides wirkt sich auf sein Pontifikat aus. Mit der Kurie hadert er bis heute. Oft arbeitet er am Apparat vorbei. Das schafft Frust bei seinen Mitarbeitern und hat ihm so manchen Fehler eingebrockt. Immer wieder mussten Entscheidungen nachgebessert werden, weil etwa Erlasse nicht gut ausgearbeitet waren. Zugleich erzeugte vor allem der Versuch, die Wirtschaftsangelegenheiten im Vatikan neu zu ordnen sowie Misswirtschaft und Korruption abzustellen heftigen Gegenwind. Mit Blick auf die römische Zentralverwaltung dürften hier allerdings die größten Erfolge liegen.

Was die Kurienreform als großes Projekt anbetrifft, das über neun Jahre diskutiert und im vergangenen Jahr umgesetzt wurde, sind noch viele Baustellen offen. Immerhin ist die Stoßrichtung klar: Laien sollen künftig auch in die höchsten Leitungspositionen benannt werden können. Die vatikanischen Aufgaben sollen konsequenter befristet vergeben werden und Franziskus versucht, auch Frauen in Leitungspositionen zu bringen. Letzteres geht allerdings nur in kleinen Schritten voran. Viele hat überrascht, dass der Pontifex nach seiner Wahl nicht die führenden Köpfe der Dikasterien ausgetauscht hat, obwohl immer wieder deutlich zu Tage trat, dass etwa der Präfekt der Gottesdienstkongregation, Kardinal Robert Sarah, oder der Chef der Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, immer wieder in Opposition zu Franziskus gingen. Darauf angesprochen antwortete der Papst, er sei nicht gewählt worden, um Köpfe abzuschießen, sondern um Herzen zu verändern.

Haltungsänderung vor Strukturreform

In dieser Aussage liegt auch ein Schlüssel für das Handeln des Pontifex in anderen Bereichen. Er ist überzeugt, dass es nicht ausreicht, Strukturen zu verändern, wenn die Haltung der Betroffenen sich nicht ändert. Das betrifft die Kurienreform, das gilt aber auch für andere Bereiche. Allein die Lehre oder das Kirchenrecht zu verändern, bedeutet noch nicht, dass danach gehandelt wird. Vielleicht liegt darin auch seine Zurückhaltung, Recht und Lehre weiterzuentwickeln. Im Bereich der Missbrauchsaufarbeitung zeigt sich dieser Effekt. Franziskus hat die Regeln verschärft. Auch Bischöfe, die Aufarbeitung verschleppt und Missbrauch vertuscht haben, können jetzt belangt werden. Doch die an vielen Stellen greift das noch nicht. Trotz vieler Reden von Franziskus, man dürfe nicht schweigen, wenn man von Fällen Kenntnis bekomme, und müsse konsequent handeln, gibt es selbst bei ihm persönlich immer wieder Situationen, in denen es an Transparenz mangelt und der Verdacht naheliegt, dass nicht konsequent gehandelt wurde. Das zeigt etwa aktuell die Debatte um den Jesuitenpater Rupnik.

Franziskus hat an vielen Stellen Räume geöffnet für innerkirchliche Debatten. Ein Synodaler Weg, wie er gerade in Deutschland zu Ende gegangen ist, wäre unter Benedikt XVI. schwer denkbar gewesen. Es gibt kaum mehr Tabuthemen in der katholischen Kirche, von der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und der Frauenordination einmal abgesehen. Die Folge davon, dass die Themen jetzt offen diskutiert werden können, ist, dass offenkundig wird, wie unterschiedlich die Positionen dazu in der katholischen Kirchen Kirche sind. Sicherlich gibt es bereits innerhalb einzelner Ortskirchen große Unterschiede, wie die Debatten beim Synodalen Weg in Deutschland gezeigt haben, doch global betrachtet treten große Unterschiede zu Tage. Viele Ortskirchen in Afrika etwa wehren sich vehement gegen Änderungen in der Sexualmoral oder beim Zölibat. Ähnlich sieht es in Asien aus.

Einheit in Vielfalt

Für Franziskus stellt sich die Frage, welche Konsequenzen er daraus zieht. Eine Möglichkeit könnten regional unterschiedliche Antworten bei bestimmten Fragen sein. Doch wieviel Vielheit verträgt die Einheit? Eine andere Option ist, vorerst nichts zu entscheiden und erst einmal die Debatten laufen zu lassen. Dies hätte sicher zur Konsequenz, dass auch in den Ländern, die Reformen wünschen, diese nur langsam vorankommen. Aber nach Jahrzehnten, in denen offene Diskussionen kaum möglich waren, braucht die katholische Kirche erst eine Debattenkultur, die auch bei kontroversen Themen einen wertschätzenden und zielführenden Austausch ermöglicht. Daher könnte es ein genialer Schachzug sein, dass Franziskus in einem nächsten Schritt erst einmal über neue Strukturen nachdenkt, die solche Gespräche möglich machen sollen – sprich sein weltweiter Synodaler Prozess zur Synodalität. Das Themen wir Frauenweihe und Homosexualität eine Kirche an den Rand der Spaltung führen könne, zeigt das Beispiel der Anglikanischen Kirche.

Dass für Franziskus Kirche-Sein nicht geht, ohne sich auch politisch einzumischen, muss nicht weiter erläutert werden. Kirche muss ihre Stimme erheben, wo die Würde der Menschen aber auch die Schöpfung nicht gewahrt werden. Entsprechend sind seine Lehrschreiben und Enzykliken einzuordnen, aber auch seine intensive Reisetätigkeit. Hier viel bei den letzten Trips auf, dass der Gedanke der Geschwisterlichkeit aller Menschen in der zweiten Hälfte des bisherigen Pontifikats der zentrale Leitgedanke wurde, während in der ersten Hälfte eher die Barmherzigkeit im Fokus stand. Franziskus sucht den Schulterschluss mit den moderaten Kräften in den anderen Kirchen und Religionen im Einsatz für eine friedliche und gerechte Zukunft. Er ist überzeugt, die Religionen können und müssen einen Beitrag dazu leisten. Entsprechend legt er den Fokus auf dieses Thema, das in der letzten Enzyklika „Fratelli tutti“ breit ausgeführt ist.

Reformer oder Bewahrer?

Heftig wird in diesen Tagen die Frage diskutiert, ob Franziskus zu Beginn des Pontifikats fälschlich als großer Reformer gefeiert wurde und sich nun zeige, dass er letzten Endes den Status quo seiner Vorgänger bewahre. Sicherlich waren manche Hoffnungen überzogen, dieser Papst werde mit einem Federstrich Lehre und Kirchenrecht ändern. Andererseits muss konstatiert werden, dass sich viele Dinge verändert und weiterentwickelt haben. Franziskus möchte eine pastorale Kirche, die mit den Menschen vor Ort konkret nach Lösungen sucht, ohne diese gleich in neues Recht und neue Lehre zu gießen. Dafür dürften auch die Situationen vor Ort zu unterschiedlich sein. In diesem Sinn ist Franziskus ein Papst des Übergangs, der Räume schafft, ohne diese gleich schon wieder zu vermessen. Diese Aufgabe dürfte seinem Nachfolger zukommen. Für die Kirche bedeutet das keine einfache Situation, weil viele Dinge im Ungewissen bleiben. Im Zweifelsfall dürfte aber das gelten, was Franziskus beim Besuch in der Christuskirche in Rom auf die Frage antwortete, wie ein konfessionsverschiedenes Ehepaar sich verhalten soll bei der Frage der gemeinsamen Kommunion. „Ich werde nie wagen, Erlaubnis zu geben, dies zu tun, denn es ist nicht meine Kompetenz. Eine Taufe, ein Herr, ein Glaube. Sprecht mit dem Herrn und geht voran. Ich wage nicht mehr zu sagen.“

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.

9 Kommentare

  • Maria
    13.03.2023, 11:47 Uhr.

    Danke für diesen Beitrag, der wie immer sachlich, objektiv und umfassend ist – und in dem weiterführendes Denken deutlich wird.
    Einen kleinen Zusatz möchte ich noch erwähnen: P. F. versucht seit seiner Wahl unermüdlich, das Evangelium in den Mittelpunkt zu stellen, nicht das Kirchenrecht mit seinen Geboten und Verboten. Das tut gut.

  • Silvia
    13.03.2023, 12:16 Uhr.

    Lieber Herr Erbacher, das ist eine sehr gute Zusammenfassung des bisherigen Pontifikats von Franziskus.

    Ich erinnere mich noch sehr gut an den Abend seiner Wahl und wie begeistert ich von seinem ersten, bescheidenem Auftreten war.

    Ich erinnere mich aber auch noch, dass von Anfang an seine Arbeitskraft gebunden war, um Ordnung und Transparenz in die Finanzen des Vatikans zu bringen. Da blieb wohl manch Anderes auf der Strecke.

    Bald fiel mir auch auf, dass er mit Europa und besonders mit Deutschland etwas fremdelte.

    Was seinen Ruf als Reformer betraf, ist er weit hinter meinen damaligen Erwartungen zurück geblieben, unter dem Aspekt betrachtet, dass ich damals noch im Lager der Reformer war. Heute sind meine Ansichten und Erwartungen deutlich gemäßigter.

    • Wanda
      14.03.2023, 16:08 Uhr.

      In der Tat: vergessen wir die Vorschußlorbeeren als Reformer. Mir persönlich scheint Franziskus nach all diesen Jahren als unbedarft, naiv und für seinen „Posten“ völlig ungeeignet; mit nur wenig Willenskraft und Durchsetzungsvermögen gegen die wer weiß wie starken verschiedenen mafiösen Gruppen im Vatikan. Überaus peinlich, wenn seine oft volkstümlich flockigen Vorstöße und Äußerungen bei Pressekonferenzen (oder in Flugzeugen) von seinem Stab immer wieder eingefangen, korrigiert und interpretiert werden und er sich nicht einmal dagegen verwahrt. Ein Zeichen von Schwäche und Ratlosigkeit. Enttäuschend…

      • Silvia
        15.03.2023, 22:22 Uhr.

        @ Wanda, Könnte das auch an Problemen mit der Übersetzung liegen? Ich frage mich bei den päpstlichen Äußerungen oft, was er uns überhaupt damit sagen will.

        z.B. wenn er z.B.von klerikalisierten Laien spricht. Was genau soll das sein?

  • Novalis
    13.03.2023, 15:23 Uhr.

    Ich bin nach wie vor sehr zufrieden. Allein, dass heute A. Lukassek schrieb, dass mit dem Papst „weder Reformer noch Traditionsbewahrende zufrieden“ seien, zeigt mir, dass er es im Großen und Ganzen doch richtig macht: Franziskus ist ja nicht gewählt worden, um irgendjemanden zufriedenzustellen, sondern um am Volk Gottes den Petrusdienst zu vollziehen.
    Wenn ich nur an die miefig-stickige Luft und Johannes Paul II. und noch viel schlimmer unter BXVI denke, die jede Form von Denken abgewürgt haben, dann ist es immer noch so, dass Gedankenfreiheit herrscht. Allein die üble Homophobie von Ratzinger, […]* , ist ein Zeichen, dass es nicht just war mit ihm. Am Ende wird die Geschichte BXVI vergessen, Franziskus aber nicht.

    *Der Beitrag wurde wegen des Verstoßes gegen die Netiquette editiert.

  • Zufälliger Gastleser
    13.03.2023, 18:35 Uhr.

    Zur Bescheidenheit dieses Papstes, weil sie heute auch bei katholisch.de als „Stil-Revolution“ bewertet wird. Es gibt eine Bescheidenheit, in der sich das Wesen einer Person ausdrückt, und eine andere, die Getue oder zeitgeistanbiedernde Ideologie ist. Eine des Inneren und eine der Oberfläche, eine sehr einnehmende des zweiten Blicks und eine politische des „Seht her, ich bin anders und besser“. Wo die Grenzen und Übergänge zwischen beiden bei Franziskus verlaufen, weiß ich nicht. Eines steht aber fest, das Tragen oder Nichttragen einer Mozetta z.B. und vergleichbare Gesten haben mit dieser Eigenschaft nichts zu tun. Ich finde Ignoranz oder Aversion gegenüber jahrhundertealten Überlieferungen gar nicht bescheiden, sondern im Gegenteil eher anmaßend und traurig. Auch bei Malteserrittern, die nicht mehr in ihren pittoresken, meinetwegen mottenangenagten Uniformen, sondern Maßanzügen zusammenkommen. – Und wenn eine Armutsästhetik der Traditionslosigkeit und Dürftigkeit „jesuanisch“ sein soll, frage ich mich, warum Synodale mit ihren theologisch irrelevanten Doktortiteln, die sich etwa Qualifikationsschriften über die Analbeutel der Hauskatze verdanken, daherprangen undMaßkonfektion tragen. Wie versteht der Synodale Weg der Hauptamtlichen „arme Kirche“, auch tariflich und habituell? – Wie immer man zu Franziskus stehen mag – und jedes Urteil wäre heute verfrüht, welche guten und schlechten Eigenschaften er auch immer haben mag, mit dem Prädikat der „Bescheidenheit“ wäre vorsichtig umzugehen.

    • Wanda
      15.03.2023, 17:05 Uhr.

      @Zufälliger Gastleser 13.02. 18:35
      – Da muss ich doch schmunzeln: wenn schon jahrhundertalte Überlieferung, dann doch wohl eher die (von Ihnen nett bezeichneten) „jesuanischen“, d.h. Demut und Armutsideal anstelle irgendwelcher grotesker Kleiderordnungen mit Symbolen und schwulstigen Riten, die hauptsächlich und eigentlich nur dem sterbenden römischen Imperium der Spätantike abgekupfert wurden. Oder erkennen Sie etwa den armen Nazarener Wanderprediger in diesem weihrauchumwaberten feierlich Getue einer klerikalen Klassengesellschaft (ihr alle aber seid Brüder) wieder ? Die Kirche sollte sich von all den Ankrustungen, Anmaßungen und Privilegien der Geistlichkeit gegenüber den Gläubigen befreien und der Papst als lediglich Primus inter Pares agieren, wie es von Jesus wohl bei Matthäus auch angewiesen wurde. Es sei denn, die Evangelien und das NT sind als lediglich lockere Geschichten zu betrachten.

  • Erasmus
    14.03.2023, 21:37 Uhr.

    LICHT UND SCHATTEN DES PONTIFIKATS VON PAPST FRANZISKUS
    Jorge Mario Bergoglio hatte nach 35 Jahren uniformer autoritärer Kirchenlenkung durch Johannes Paul II. und Benedikt XVI. KEIN LEICHTES ERBE anzutreten. Seine Vorgänger hatten Theologen mundtot gemacht, Bischöfe an die Kandare genommen und inner- und außerkirchliche Dialogprozesse weitgehend zum Erliegen gebracht.
    Als Papst Franziskus brach er die erstarrte Kirche bereits im Vorfeld der beiden FAMILIENSYNODEN 2014 und 2015 auf, indem er weltweit die Gläubigen befragen ließ. Fortan durfte in der Kirche offen gesprochen und in den Bischofskonferenzen frei debattiert werden. Mit dem nachsynodalen Schreiben „AMORIS LAETITIA“ rehabilitierte er die amtskirchlich vereinnahmte freie Gewissensentscheidung der Gläubigen. „Wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen.“ (Nr. 37)
    Mit seiner Maxime einer BARMHERZIGEN PASTORAL beendete er die Fixierung des Lehramtes auf eine – Menschen drangsalierende – rigide katholische Morallehre. Die von Johannes Paul II. angeprangerten „irregulären Situationen“ transformierte er als Nachnachfolger in „sogenannte irreguläre Situationen“, und er beendete konkret die Ausgrenzung von wiederverheirateten Geschiedenen.
    Franziskus erhob die Begriffe der SYNODALITÄT und des KLERIKALISMUS zu Schlüsselbegriffen für eine partizipative Kirche und ein Zurückschrauben des Machtanspruchs und der Selbstherrlichkeit des Klerus. Ab jetzt wurde das Gelände aber zunehmend steinig.
    Aufgrund des ubiquitären klerikalen Missbrauchsdesasters waren PRIESTER UND BISCHÖFE als moralisch-spirituelle Leitfiguren sowohl innerkirchlich als auch öffentlich BESCHÄDIGT und bedurften anscheinend der papalen Stützung gegen die Mitentscheidungsansprüche von teutonischen Laien. Das erklärt zum Teil Franziskus’ Aversion gegenüber dem deutschen Synodalen Weg. Zwei Mal äußerte der Papst in Interviews, dass Deutschland bereits eine gut funktionierende evangelische Kirche habe, was an dem Ansinnen der deutschen Erneuerungsbewegung völlig vorbeigeht. Die Kirchenführung ist sich anscheinend darüber einig, sich nicht kontrollieren zu lassen und von ihrer Macht kein Quentchen abzugeben.
    Der vom jetzigen Papst stark gemachte Leitbegriff der SYNODALITÄT krankt an einem Grundwiderspruch. Denn die von Rom nach wie vor als unantastbar erklärte autokratische Kirchenhierarchie passt nicht zum Bild eines Gottesvolkes, das seinen Weg gemeinsam geht. Im vatikanischen Handbuch zur Weltsynode von 2021 liest man:
    „Die Synodalität verlangt von den Seelsorgern, den ihnen anvertrauten Gläubigen aufmerksam zuzuhören.“ (S. 14) Hier ist nicht von einer Beziehung auf Augenhöhe die Rede, sondern es wird ein PATERNALISTISCHES VERHÄLTNIS zwischen Klerikern und Laien affirmiert. Das entspricht genau einer Unterscheidung, die die Internationale Theologische Kommission 2018 vorgenommen hat. Danach erfolgt die kooperative Beratung und Erarbeitung einer Entscheidung (DECISION-MAKING) durch die Synodalen, während das Treffen einer Entscheidung (DECISION-TAKING) den Bischöfen, als den „Garanten der Apostolizität und der Katholizität“, zusteht. Genau hier setzt der deutsche Synodale Weg mit dem Handlungstext „GEMEINSAM BERATEN UND ENTSCHEIDEN“ an, mit dem nicht wenige deutsche Bischöfe fremdeln, und der bei der römischen Zentrale auf entschiedene Ablehnung stößt.
    Trotz schwieriger Ausgangsbedingungen ist nicht ausgeschlossen, dass es über die Weltsynode zu Reformschritten kommt. Dass Franziskus die Forderung der Amazonien-Synode nach „VIRI PROBATI“ nicht aufgegriffen hat, könnte daran gelegen haben, dass sich Benedikt XVI. in der Folgezeit in einem Buch des erzkonservativen Kardinals Sarah für die Beibehaltung des traditionellen Zölibats ausgesprochen hat. Und im Hinblick auf Queerness ist inzwischen mehreren Äußerungen des Pontifex zu entnehmen, dass dieser klar gegen eine Diskriminierung von LGBTQI+ Personen ist. Was allerdings die Ordinierung von Frauen anbetrifft, so scheint es hier für Franziskus eine unüberschreitbare rote Linie zu geben.

  • Arnold
    18.03.2023, 18:07 Uhr.

    Das Grundproblem des deutschen Synodalen Weges scheint mir zu sein, dass dessen vorbehaltlose Befürworter davon ausgehen, dass Laien stets das gute erreichen wollen, während Klerikern mit Misstrauen zu begegnen ist. Und dass demokratisch erreichte Entscheidungen gute Entscheidungen sind. Dabei sehen wir täglich, dass dies in der Politik nicht der Fall ist, dass die Demokratie immer ein (bisweilen brutaler) Kampf und nur das geringste Übel ist. Darum ist es der falsche Ansatz, dieses Prinzip auf die Kirche zu übertragen. Es ist das weltliche und nicht das spirituelle Prinzip. Die Kirche darf nicht weltlich werden.

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