Damit die Welt nicht abstürzt

Papst Franziskus hat am Freitag die Religionen, allen voran den Islam, darauf eingeschworen, dass die Religionen sich gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen müssen. Angesichts „so vieler katastrophaler Konflikte in allen Teilen der Welt, inmitten von Anschuldigungen, Drohungen und Verurteilungen“ stehe die Welt auf der Kippe, „und wir wollen nicht abstürzen“, mahnte der Pontifex zum Abschluss einer Religionskonferenz in Bahrain. Scharf kritisierte er die aktuellen Kriege, die durch Partikularinteressen „weniger Mächtiger“ verursacht würden. „So scheinen wir ein auf dramatische Weise kindisches Szenario mitzuerleben: Statt sich um das Ganze zu kümmern, spielt man im Garten der Menschheit mit Feuer, mit Raketen und Bomben, mit Waffen, die Tränen und Tod verursachen und das gemeinsame Haus mit Asche und Hass überziehen.“ Der Großscheich der Al-Azhar Universität, Ahmed Al-Tayyeb, einer der bedeutendsten Vertreter des sunnitischen Islam, schlug bei der Konferenz eine inner-islamische Dialoginitiative vor und lud dazu eigens die Schiiten ein, „mit offenen Herzen und ausgestreckten Händen, damit wir uns gemeinsam an einen runden Tisch setzen können, um unsere Differenzen beiseite zu legen und unsere islamische Einheit zu stärken“.

Der Abschluss der Religionskonferenz am Freitagmorgen war eigentlicher Anlass der Reise nach Bahrain. (Quelle: Erbacher)

Sämann des Friedens

Der zweite Tag von Papst Franziskus in Bahrain stand ganz im Zeichen des Dialogs. Am Morgen war zunächst der Abschluss einer Religionskonferenz, am Nachmittag traf er sich mit dem „Muslimischen Ältestenrat“ und am Abend stand eine ökumenische Begegnung auf dem Programm. Der Pontifex will Brückenbauer sein. Die Initiative seines Freundes Al-Tayyeb, der mit den anderen islamischen Strömungen, allen voran den Schiiten, in einen Dialog eintreten will, dürfte Franziskus positiv stimmen. Mit Al-Tayeb verbindet ihn seit Jahren eine enge Freundschaft. Sein Treffen mit Großajatollah Ali al Sistani, einem führenden schiitischen Religionsführer, im März 2021 im Irak war ein erster Kontakt mit den Schiiten. Wenn es gelingt, die beiden großen Strömungen stärker in den Dialog einzubinden und auch das Verhältnis zwischen den zwei zu entspannen, wäre das ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zu Entspannung zwischen den Religionen.

Dabei ist allen Beteiligten sicher klar, dass es hier um erste kleine Schritte geht. Franziskus bezeichnete sich nach seiner Ankunft als „Sämann des Friedens“. Ob hier eine kleine Frucht aufgeht, wird sich erst noch zeigen. Allerdings mahnte der Papst beim Abschluss des Religionstreffens dazu, Worten auch Taten folgen zu lassen. Er sagte das mit Blick auf Religionsfreiheit und Toleranz. Es reiche nicht aus, „sich tolerant zu nennen, man muss man dem Anderen wirklich Platz einräumen, ihm Rechte und Chancen geben“. Auch bei der Religionsfreiheit reiche es nicht aus, „Genehmigungen zu erteilen und die Freiheit der Religionsausübung anzuerkennen, sondern es muss echte Religionsfreiheit erreicht werden“. Jede Religionsgemeinschaft müsse sich kritisch fragen, ob sie nach außen Zwang ausübe. „Jeglicher Zwang ist des Allmächtigen unwürdig“, mahnte Franziskus.

Vorurteile und Missverständnisse abbauen

Am Nachmittag knüpfte er bei der Begegnung mit dem „Muslim Council of Elders“ bei diesem Gedanken an. „Vor euch möchte ich noch einmal betonen, dass der Gott des Friedens niemals zum Krieg anleitet, niemals zum Hass aufstachelt und niemals Gewalt unterstützt“, so Franziskus. Der Ältestenrat der Muslime ist ein 2014 gegründetes Gremium, dem rund ein Dutzend hochrangige islamische Vertreter aus verschiedenen Ländern angehören. Dabei handelt es sich um eher moderate Kräfte, die sich von den Mullahs im Iran und den fundamentalistischen Muslimbrüdern abzugrenzen versuchen. Sprecher des Rats ist Großscheich Ahmed Al-Tayyeb. Der warnte in seiner Ansprache davor, dass der Westen dem Osten seine Lebensphilosophie überstülpen möchte. Das wäre eine neue Form des Kolonialismus, so der sunnitische Geistliche. „Wir verweigern den westlichen Gesellschaften nicht die Wahl dessen, was sie als Rechte und Freiheiten betrachten. Und wir fordern sie auch nicht auf, diese Entscheidungen zu ändern. Wir lehnen es jedoch entschieden ab, dass diese Gesellschaften versuchen, diese Ansichten unseren östlichen Gesellschaften aufzuzwingen. Als negative Beispiele nannte er die „Ausbreitung von Homosexualität und des dritten Geschlechts“.

Franziskus konzentrierte sich auf die Bedeutung des Dialogs, um sich besser kennenzulernen. Es gehe darum, Vorurteile und Missverständnisse aus der Vergangenheit zu überwinden. Die Religionen hätten nur zwei Waffen: das Gebet und die Geschwisterlichkeit. „Wir dürfen uns nicht von anderen Mitteln verleiten lassen, von Abkürzungen, die des Allerhöchsten unwürdig sind, dessen Friedensname von denen beleidigt wird, die an die Argumente der Stärke glauben, die die Gewalt, den Krieg und das Waffengeschäft fördern, den ‚Handel mit dem Tod‘, der durch immer größere Geldsummen unser gemeinsames Haus in ein einziges Waffenlager verwandelt“, mahnte Franziskus. Hier hätten die Religionsführer eine besondere Verantwortung und müssten beispielhaft vorleben, was sie predigten, „nicht nur in unseren Gemeinschaften und bei uns zu Hause – das reicht nicht mehr aus –, sondern in der vereinten und globalisierten Welt“.

Religionen als Friedensgewissen der Welt

Wenn die politisch Mächtigen der Welt es nicht schaffen, eine gerechte und friedliche Welt aufzubauen, dann müssen es die Religionen richten. So könnte man die Gedanken des Papstes von heute zusammenfassen. Er sieht die Religionen an dieser Stelle in der Pflicht. „Wenn verschiedene Mächtige untereinander um Interessen, Geld und Machtstrategien verhandeln, dann zeigen wir, dass ein anderer Weg der Begegnung möglich ist. Möglich und notwendig, denn Gewalt, Waffen und Geld werden die Zukunft niemals mit Frieden einfärben. Begegnen wir uns also zum Wohle des Menschen und im Namen dessen, der den Menschen liebt und dessen Name Friede ist.“ Die Religionen sollten Initiativen fördern, damit der gemeinsame Weg zu einer Art „Friedensgewissen für die Welt“ werde, so die Aufforderung und die Vision des Papstes. Bis das so sein kann, ist es sicherlich noch ein weiter Weg.

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Jürgen Erbacher

Seit Juli 2018 leite ich die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch", für die ich seit 2005 über die Themen Papst, Vatikan, Theologie und katholische Kirche berichte. Dafür pendle ich regelmäßig zwischen Mainz und Rom - meiner zweiten Heimat. Dort habe ich vor meiner ZDF-Zeit mehrere Jahre gelebt und für Radio Vatikan gearbeitet. Studiert habe ich Politikwissenschaft und Katholische Theologie in Freiburg i.Br. und Rom.